Tobias Tent konnte es im Ziel des 1500-Meter-Laufes selbst nicht glauben // Lilly Samanski hat ihre Mini-Krise glänzend überstanden // Georg Harpf ist der beste U 18-Kugelstoßer Deutschlands // Zwei schnelle Mädels aus Bayern: (von links) Annika Just und Elena Schernhardt //Nils Leifert // Elina Dressel // Florian Schmid // Franziska Drexler // Die Bronze-Staffel der LG Stadtwerke München: (von links) Marc Weidenbach, Fabian Kutscha, Cassian Holland-Moritz und Giogio Lombardi // Theresa Wasmeier. Fotos: Theo Kiefner und Claus Habermann

21.07.2022 17:10 // Von: Reinhard Köchl

Jugend-DM Ulm U 18: Der "goldene Jahrgang" bringt Bayern auf Platz eins

Deutsche Jugendmeisterschaften gelten in jedem Jahr als die Nagelprobe für den Bayerischen Leichtathletik-Verband (BLV). Denn nach dem bisher gültigen System der dabei zu erringenden Länderpunkte werden alljährlich die staatlichen Zuschüsse für die Arbeit der Landesverbände vergeben - allerdings nur für die Ergebnisse der Jahrgangsstufe U 20. In diesem Jahr hatten die bayerischen Sportlerinnen und Sportler zwischen 18 und 19 im Ulmer Donaustadion allerdings mit Platz sechs das schlechteste Ergebnis seit langem zu verzeichnen. Der Grund waren zum einen Corona-Erkrankungen und Verletzungen, aber auch großes Pech einzelner Hoffnungsträger. Anders dagegen der Jahrgang U 18: Hier belegte Bayern souverän Rang eins. Der vorjährige "goldene Jahrgang" der U 16 ist aufgerückt und trug seinen Teil zum Erfolg bei. In der Gesamtwertung belegten die Leichtathletinnen und Leichtathleten Rang zwei - ein gewohntes Ergebnis.

Dass die Verantwortlichen des BLV dennoch nicht zufrieden sein konnten, lag auf der Hand. Zum einen gab es unverhältnismäßig viele Ausfälle unter den potenziellen bayerischen Punktelieferanten, zum anderen lässt auch die Anzahl der Meldungen für Deutsche Jugendmeisterschaften, speziell im bereich U 20, zu wünschen übrig. Allerdings besteht die Hoffnung, dass der starke U 16-Jahrgang des Vorjahres, von dem ein großer Teil mittlerweile in die U 18 aufgerückt ist, diese Lücke in ein bis zwei Jahren schließen wird. In der U 18 gab es insgesamt 16 Medaillen, davon drei Deutsche Meister, fünf Vizemeister und acht Drittplatzierte. Mit 187 Länderpunkten landeten die jungen Bayerinnen und Bayern klar vor Hessen (174) und dem Nordrhein (120).

 

Titel für Georg Harpf, Lilly Samanski und Tobias Tent

 

Den Anfang im Titelreigen machte einer, der bereits vorher als haushoger Favorit galt: Georg Harpf (LG Stadtwerke München) hatte jüngst bei der U 18-EM in Jerusalem Silber im Kugelstoßen gewonnen. Gleich im ersten Versuch in Ulm stellte der 16-Jährige unter Beweis, dass es diesmal Gold  werden sollte und er sich den deutschen Meistertitel nicht nehmen lassen würde. Harpf beförderte die Fünf-Kilo-Kugel auf 18,32 Meter. Im zweiten Durchgang kam er noch einmal bis auf einen Zentimeter an seine eigene Führungsweite heran. Nach zwei ungültigen Stößen folgte schließlich in Runde fünf die Krönung: 19,68 Meter. Zum Abschluss des Wettkampfes legte Georg Harpf noch einmal 19,10 Meter nach. Den zweiten U18-EM-Teilnehmer Luis André (MT Melsungen), der sich bis zum letzten Versuch auf eine Tagesbestweite von 17,96 Metern steigerte, ließ der Münchner klar hinter sich.

 

Auch Titel Nummer zwei für Bayerns U 18-Nachwuchshoffnungen war so einkalkuliert, obwohl Stabhochspringerin Lilly Samanski (TSV Gräfelfing), immerhin Europas Beste, in Jerusalem nicht ihre Erwartungen erfüllen konnte. Doch im Donaustadion zog sie sich bei brütender Hitze quasi selbst aus dem Sumpf. 3,85 Meter ausgelassen, ging es für die 17-Jährige noch über drei weitere Höhen bis über 4,15 Meter – erst bei 4,25 Metern, was neue persönliche Bestleistung für Lilly Samanski bedeutet hätte, war am Samstag Schluss. Ein sicherlich versöhnliches Ergebnis nach dem fünften Platz bei der U 18-EM in Jerusalem, wo sie ihr Potenzial nicht ganz ausgeschöpft hatte.

 

Mit Gold Nummer drei hatten jedoch zuvor nur die kühnsten Optimisten gerechnet. Es sollte im 1500-Meter-Lauf der männlichen U 18 folgen, wo Tobias Tent (LG Stadtwerke München das Rennen seines Lebens ablieferte. Die Läufer hatten sich zuvor lange belauert. Erst als die Glocke für die letzte Runde ertönte, zog sich das Feld immer weiter auseinander und auf der letzten Gegengeraden konnte sich ein Trio absetzen. Erst flog Aaron Nikolas Schubert (SC DHfK Leipzig) an Hauke Trost (Leichtathletikclub Kronshagen) vorbei, dann spurtete Tobias Tent kurz vor dem Ziel an die Spitze. Jubelnd feierte der Münchner die Goldmedaille, die er in 3:59,61 Minuten perfekt machte. Noch zwei weitere junge Bayern verlauften ihre Haut im Finale so teuer wie möglich: Paul Fecher (LG Landkreis Aschaffenburg) wurde Sechster (4:04,74 Minuten), Moritz Freyer (SC Ainring) kam auf Platz acht (4:05,81 Minuten).

 

Gleich drei DM-Medaillen für Annika Just

 

Die fleißigste Medaillensammler auf bayerischer Seite kam aus Passau, war nach der U 18-EM in Jerusalem, wo sie im 100-Meter-Finale Rang sieben belegt hatte, nur kurz zu Hause, um Wäsche zu waschen, und sahnte in Ulm richtig ab. Dass neben einem dritten Rang über 100 Meter hinter den überragenden Chelsea Kadiri (Sportclub Magdeburg) und Holly Okuku (GSV Eintracht Baunatal) in 11,79 Sekunden noch zwei Vizetitel über 200 Meter hinter Okuku (24,11 Sekunden) in 24,57 Sekunden und mit der 4 x 100 Meter-Staffel der Startgemeinschaft Passau-Pfarrkirchen (46,79 Sekunden) mit Johanna Weigl, Maria Anzinger und Franziska Rohmann heraussprangen, freute Annika Just (LAC Passau) ganz besonders. Vor allem ihr Auftritt als Schlussläuferin in der Staffel, wo sie nach verkorksten Wechseln in scheinbar aussichtsloser Position beinahe noch die Startgemeinschaft Team Sachsen-Anhalt (46,72 Sekunden) eingeholt hätte, beeindruckte über alle Maßen. Über 200 Meter lief mit Elena Schernhardt (LG Festina Rupertiwinkel) sogar noch eine weitere Sprinterin aus dem Freistaat als Dritte aufs Treppchen (24,84 Sekunden). Über 4 x 100 Meter schrammte die Mädchen-Staffel des LAC Quelle als Vierte knapp an einer Medaille vorbei (47,84 Sekunden).

 

Leifert holt nach Corona-Infektion Silber

 

Von der U 18-EM aus Jerusalem hatte Hürdensprinter Nils Leifert (LAC Quelle Fürth) nicht nur eine Bronzemedaille, sondern auch das Corona-Virus mitgebracht. Erst kurz vor der DM in Ulm war der 17-Jährige freigetestet worden, an Training war in der Zwischenzeit nicht zu denken. Dass er trotz des körperlichen Rückschlags noch zu Platz zwei hinter seinem Freund und Dauerrivalen Timon Dethloff (Cologne Athletics) reichte, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Beide Hürdensprinter blieben mit 13,80 beziehungsweise 13,94 Sekunden als Einzige unter 14 Sekunden.

 

Florian Schmid entreißt Benedikt Müller im letzten Durchgang Speer-Silber

 

Spannend bis zum letzten Versuchj blieb der Speerwurf der männlichen U 18, wo zwei Werfer aus dem Freistaat Hauptrollen inne hatte. Benedikt Müller (TV 1861 Amberg) hatte bis zum letzten Durchgang den Silberrang mit 66,56 Metern innen, ehe ihn Florian Schmid (LG Sempt; 66,58 Meter) um die Winzigkeit von zwei Zentimetern (mit der auch Klaus Wolfermann vor fast genau 50 Jahren Speerwurf-Olympiasieger wurde) überflügelte. Gegen den Deutschen Meister Jan Spieker (DJK Arminia Ibbenbürgen), der das Wurfgerät 74,33 Meter weit schleuderte, war an diesem Tag kein Kraut gewachsen.

 

Elina Dressel wird Vizemeisterin

 

Ein starkes Teamergebnis mit gleich drei bayerischen Läuferinnen unter den besten fünf gab es über 2000 Meter Hindernis, wobei die Beste aus dem Freistaat, nämlich Elina Dressel (LAC Passau) sogar mit Silber dekoriert in ihre niederbayerische Heimat zurückkehren konnte. Mit ihrer Zeit von 6:48,93 Minuten lag sie um gut 15 Sekunden hinter der Siegerin und Vize-Europameisterin über 2000 Meter Hindernis von Jerusalem, Adia Budde (TSV Altenholz), aber auch vier Sekunden vor der Dritten Emma Herwig (SC 1899 Mühlhausen). Hervorragend aus der Affäre zogen sich auch Jule Lindner (LG Bamberg) als Vierte (7:09,69 Minuten) und Lotta Giersdorff (TSV Jahn Freising) als Fünfte (7:10,86 Minuten). Für Franziska Drexler (LG Telis Finanz Regensburg) war das Unternehmen Gold an diesem Tag eine „Mission impossible“. Gegen Adia Budde war im Endspurt erwartungsgemäß kein Kraut gewachsen. Dennoch war die erst 16-Jährige auch mit Silber hoch zufrieden. Elina Dressel kam als Fünfte in Ziel (10:13,86 Minuten). Auch für Teamkollegin Karla Hiss (LG Telis Finanz Regensburg) erfüllte sich Traumziel „DM-Medaille“ nach einem äußerst spannenden, von Taktik geprägten Rennen über 1500 Meter, auch Bronze erst auf den letzten fünf Meter feststand, weil die 300 Meter vor dem Ziel nach vorne stürmende Theresa Andersch (LG Bamberg) ins Straucheln kam und so ihre Medaillenchance verspielte. Hiss lief 4:43,80 Minuten, Andersch kam auf 4:44,15 Minuten.

 

Zahlreiche Bronzemedaillen

 

Besonders erfreulich war die große Zahl an Bronzemedaillen, die auf das Konto von bayerischen Sportlerinnen und Sportlern gingen. Die 4 x 100 Meter der Jungs der LG Stadtwerke München mit Giogio Lombardi, Cassian Holland-Moritz, Fabian Kutscha und Marc Weidenbach kam überraschend auf Rang drei (42,53 Sekunden). Dem Quartett der Startgemeinschaft Passau-Pfarrkirchen war mit 42,57 Sekunden leider kein Podestplatz vergönnt. Um vier Hundertstelsekunden geschlagen, wurde die Jungs aus dem Niederbayerischen Vierte. Im Kugelstoßen rettete Mehrkämpferin Sofie Gröninger (LG Sempt) die Ehre der weiblichen Werferinnen, indem sie mit 15,18 Meter Edelmetall gewann. Der Dreisprung sah eine starke Theresa Wasmeier (TuS 1860 Pfarrkirchen) mit einer Steigerung ihrer Bestleistung auf 12,44 Meter auf dem Treppchen, ebenso wie Weitspringerin Johanna Konrad (LG Augsburg), die im letzten Versuch mit 5,81 Meter noch zu Bronze kam. Mara Vonnahme (MTV 79 München) kam auf Platz sechs (5,63 Meter). Auch Ella Obeta (LG Eckental), die bereits für das European Youth Olympic Festivals (EYOF) in der slowenischen Stadt Banská Bystrica vom 24. bis 30. Juli qualifiziert ist, zeigte mit famosen 1,77 Meter uns Rnag drei wieder eine Top-Leistung. Siebte wurde hier Lina-Maria Burghardt (MTV 1881 Ingolstadt; 1,68 Meter).

 

Auch die weiteren Punkte relevanten Platzierungen bayerischer Sportlerinnen und Sportler in der U 18 sollen nicht unerwähnt bleiben. Nachwuchssprinter David Kantzog (LAC Passau) schrammt im 200-Meter-Finale um Haaresbreite als Vierter an einer Medaille vorbei (22,18 Sekunden), ebenso wie Hammerwerferin LaraHolzapfel (LG Landkreis Aschaffenburg) als Vierte mit 57,09 Meter. Überaus respektable fünfte Ränge gab es für Alexander Kaempf (LG Stadtwerke München; 8:49,22 Minuten) über 3000 Meter (Platz sieben ging an Elias Kolar; TSG 08 Roth; 8:51,11 Minuten) und Niklas Amthor (TSV Bad Kissingen) über 400 Meter Hürden in 56,67 Minuten. Zwei bayerische Mädchen schafften über 400 Meter den Sprung ins Finale und belegten die Plätze sechs (Amelie-Johanna Fraeger; LAC Quelle Fürth; 57,40 Sekunden) und sieben (Amelie Brandl; TSV Zirndorf; 57,47 Sekunden).

 

Sechste im Endklassement wurden Hammerwerferin Lina Metschl (LG Stadtwerke München; 55,37 Meter), Tobias Stiasny (SpVgg Auerbach/Streitheim) im Diskuswerfen (49,79 Meter), wobei hier der frischgebackene Deutsche Kugelstoßmeister Georg Harpf mit 49,27 Meter noch Rang acht belegte sowie Emma Lindner (LG Bamberg) über 800 Meter (2:15,11 Minuten). Ebenfalls noch einen Platz im Endkampf der besten acht ergattern konnten die Stabhochspringer Christian Wimmer (Siebter) und Joseph Held (beide TSV 1880 Wasserburg und beide 4,15 Meter; Achter), Hürdensprinterin Millicent Mensah (LAC Quelle Fürth), die sich als Siebte im Finale (14,13 Sekunden) nach ihrem 13,88 Sekunden vom Halbfinale unter Wert verkaufte, Dreispringer Valentin Viehbeck (TSV Winhöring; Siebter mit 13,26 Metern), Speerwerferin Ronja Melzner (SC Eschenbach; Siebte mit 44,11 Metern), über 800 Meter Moritz Mühlpointner (LG Stadtwerke München; Achter in 2:02,13 Minuten) sowie über 400 Meter Hürden Caroline Pöppl (SWC Regensburg; Achte in 66,06 Sekunden).