Packendes Staffelfinale: Svenja Pfetsch übergibt auf die kurzfristig eingesprungene Melanie Slotosch / Im Anschluss daran herrschte überschwängliche Freude / Emil Meggle hieß der Überraschungssieger von Göttingen / Während Mona Mayer souverän ihre Pflichtaufgabe erledigte / Louis Pröbstle versteht sich sowohl im Pokern wie im Stabhochspringen / Jakob Eberler / Luisa Tremel / Spannend bis auf die Ziellinie blieb das 400-Meter-Finale mit Vincente Graiani (Mitte) / Daria Michel nahm ihr Herz in beide Hände und wurde dafür belohnt / Enttäuschung herrscht nach ihrem Ausscheiden bei Lilly Samanski Alle Fotos: Theo Kiefner

04.07.2023 19:04 // Von: Reinhard Köchl

U 23-DM Göttingen: Drei Favoritensiege und ein Überraschungsgold

Vier Mal Gold, ein Mal Silber und drei Mal Bronze: So lautet die bayerische Bilanz bei den diesjährigen Deutschen U 23-Meisterschaften im Göttinger Jahnstadion. Natürlich hätte sie auch besser ausfallen können, wenn zum Beispiel die Stabhochspringerinnen am Samstag nicht durch wechselnde Windböen beeinträchtigt worden wären oder die männliche Sprintstaffel der LG Stadtwerke München - immerhin Titelverteidiger - sich durch einen verpatzten Wechsel selbst aus dem Rennen genommen hätte. So aber setzten die Favoriten wie Mona Mayer (LG Telis Finanz Regensburg; 400 Meter), Louis Pröbstle (TSV Gräfelfing; Stabhochsprung) und die weiblichen 4 x 100-Meter-Staffel der LG Stadtwerke München erwartungsgemäß einen Haken hinter ihre Aufgabe. Einen Überraschungssieger gab es aber doch: Emil Meggle (LG Stadtwerke München) gewann mit einem furiosen Lauf der 800 Meter.

Er hatte ohne Zweifel den besten Schlussspurt über die zwei Stadionrunden: Emil Meggle setzte sich in 1:49,26 Minuten durch und zog dabei noch kurz vor der Ziellinie am lange führenden U 20-Athleten Elija Ziem (SC Neubrandenburg; 1:49,29 Minuten) vorbei. „Ich habe bei 600 Metern gemerkt, jetzt wird nochmal gesprintet. Ich hatte auch noch die Power dazu und konnte dann mit meinem Schritt noch den schnelleren Sprint durchziehen.“ Bereits am Vortag hatte er die schnellste Zeit im Protokoll stehen. „Ich habe in den vergangenen Wochen gemerkt, dass ich in einer sehr guten Form bin. Ich fühle mich einfach sehr schnell. Man weiß natürlich nie, wie es dann läuft und wie man zwei Tage hintereinander damit klarkommt. Es hat heute glücklicherweise gut funktioniert. Ich habe nicht unbedingt mit dem Titel gerechnet, umso schöner, wenn man dann Deutscher Meister ist“, sagte der 20-Jährige.

 

Louis Pröbstle pokert am besten

 

Die Meldeleistung der aussichtsreichsten Stabhochspringer lag bei 5,40 Metern. Doch es war eine Höhe, die für die Stabartisten am Sonntag unerreicht bleiben sollte. Das Pokern begann bei 5,00 Metern. Zu diesem Zeitpunkt war noch ein Quartett im Wettbewerb. Ein Trio mit Hendrik Hohmann (LG Olympia Dortmund), Niklas Tuschling (1. LAV Rostock) und Luke Zenker (TSV Bayer 04 Leverkusen) schwang sich über diese Marke, Louis Pröbstle (TSV Gräfelfing), der den Titel bereits im vergangenen Jahr gewonnen hatte, ließ aus und stieg erst wieder bei 5,10 Metern ein.

 

Drei über 5,10 Meter, einer lässt aus –  so ging es im Pokerspiel weiter. Bei 5,15 Metern wurde dann jedoch kein gültiger Versuch notiert. Nur Louis Pröbstle hatte hier ausgelassen und stand anschließend bei 5,20 Metern unter Zugzwang. Er hielt dem Druck stand: Als einziger Athlet überwand er die Latte bei 5,20 Metern und schnappte sich den deutschen Meistertitel vor Hendrik Hohmann und Niklas Tuschling (5,10 Meter).

 

Mona Mayer: Sieg ohne Norm

 

Die neue Deutsche Meisterin über 400 Meter ist auch die alte Meisterin: Mona Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) sprintete in 53,37 Sekunden zum Sieg, war jedoch nicht zufrieden. „Ich wollte gerne die Norm für Espoo laufen. Aber der Gegenwind auf der Gegengeraden war einfach brutal. Die Temperaturen waren auch nicht besonders warm, das macht es nicht einfach.“ Eine Krankheit hatte die EM-Fünfte mit der deutschen Staffel von München im April völlig aus der Bahn geworfen, so dass sie erst spät ins Wettkampfgeschehen einsteigen könnte. Für Espoo zu spät - aber für eine starke deutsche Staffel in Finnland sollte es allemal reichen.

 

Staffel aus München holt sich den Sieg 

 

Eigentlich galten die U 23-Mädchen der LG Stadtwerke München auf dem Papier als die klaren Favoriten für die 4 x 100-Meter-Staffel. Doch als nach dem Aufwärmen am Sonntagmorgen Tina Benzinger signalisierte, dass er Einsatz nicht möglich sei, war guter Rat teuer. In Windeseile musste Melanie Slotosch einspringen, und - um es vorweg zu nehmen - sie machte ihre Sache hervorragend! Die schnellsten Staffeln starteten allesamt im zweiten Zeitlauf. Viola John, Hannah Fleischmann, Svenja Pfetsch und Melanie Slotosch boten soliden Wechsel und starke läuferische Leistungen. Nach 45,59 Sekunden brachten sie den Staffelstab vor der MTG Mannheim und Eintracht Frankfurt über die Ziellinie und freuten sich hinterher um so mehr.

 

Jakob Eberler etabliert sich in Deutschlands Spitze

 

Für Jakob Eberler (LG Landkreis Roth) war es die Bestätigung einer furiosen Saison. Mit 71,93 Meter, erzielt im sechsten und letzten Versuch, katapultierte sich der Mittelfranke auf den Silberrang, konnte aber den überragenden Meister Max Dehning (TSV Bayer 04 Leverkusen; 74,62 Meter) nicht gefährden. Trotzdem: Göttingen wird Jakob Eberler wahrscheinlich noch sehr lange im Gedächtnis behalten. Bärenstark auch die gesamte bayerische Speer-Armada: Robin Ott (LA-Team AlzenaU) kam mit 66,75 Meter auf Platz fünf, gefolgt von Florian Schmid (LG Sempt; Sechster mit 65,24 Meter), auf Platz acht folgte Felix Strauch (LG Augsburg; 59,14 Meter) und Neunter wurde Viktor Ertelt (LAC Quelle Fürth; 57,87 Meter).

 

Vincente Graiani geht "All in"

 

50 Meter vor der Ziellinie sah es so aus, als sollte sich Vincente Graianis (LG Stadtwerke München) Wagemut auszahlen. Angesichts der schnellen Zeiten seiner Konkurrenten im Vorlauf hatten er und sein Trainer vor dem Finale über 400 Meter entschieden, „dass wir All-in gehen“, sagte Graiani. Bedeutet: Der 22-Jährige wollte bei den U23-Meisterschaften in Göttingen vom Start weg aufs Tempo drücken und sich hinten raus ins Ziel retten – möglichst als Führender, um seinen Titel zu verteidigen. Tatsächlich schloss Graiani nach 100 Metern zu seinem Vordermann auf und lag auch nach 350 Metern in Führung. Doch dann schlossen im Endspurt Louis Quarata (VfL Wolfsburg) und Lukas Krappe (SCC Berlin) zu ihm auf – und zogen kurz vor dem Ziel vorbei. Und so musste sich der 22-Jährige am Ende mit Bronze in 47,12 Sekunden begnügen.

 

Luise Tremel holt mit neuer Bestleistung Bronze

 

Eine neue Bestleistung von 52,43 Metern, die sie im allerletzten Durchgang erzielte, reichte für Luisa Tremel (LG Stadtwerke München), um in einem spannenden Speerwurfwettbewerb die Bronzemedaille zu erkämpfen. Dabei lag sie nur drei Zentimeter hinter der Zweitplatzierten Alyssa John (SC Magdeburg). Noch eine Bayern schaffte mit Laura Val (LG Augsburg) als Siebte (47,11 Meter) den Endkampf.

 

Daria Michel mit Willensleistung auf Platz drei

 

Darja Michel (TuS Traunreut) bewies über 3000 Meter Hindernis am Samstag, das der Wille manchmal Berge versetzen kann. Mit 10:26,78 Minuten setzte sich die Traunreuterin im Endspurt um Bronze knapp gegen Christina Lehnen (LG Brillux Münster) durch und freute sich hinterher über alle Maßen über den gelungenen Coup.

 

Ein starkes Aufgebot hatten die bayerischen Sprinter nach Göttingen geschickt, was sich zwar (bis auf die 4 x 100-Meter-Staffel der Frauen) nicht in der Medaillenausbeute niederschlug, aber immerhin zwei Finalteilnahmen zur Folge hatte. Über 100 Meter der weiblichen U 23 hatten es Svenja Pfetsch und Tina Benzinger (beide LG in den Endlauf geschafft - und am Schluss nur die Plätze neben dem Stockerl belegen dürfen. Pfetsch wurde Vierte in 11,76 Sekunden, Benzinger Fünfte in 11,80 Sekunden. Im 5000-Meter-Finale belegte Tobias Prater (LG Telis Finanz Regensburg) mit einer erneuten Steigerung seines Hausrekords auf 14:45,54 Minuten Platz sechs. Durchaus als Erfolg zu werten ist der fünfte Rang von Diskuswerfer Alexander Schaller (LG Stadtwerke München) mit 53,43 Metern, während - wie schon erwähnt - im Stabhochsprung der Frauen Chiara Sistermann mit ihrem vierten Platz und übersprungenen 3,90 Meter und Lilly Samanski (beide TSV Gräfelfing; 3,80 Meter) auf Rang sechs überhaupt nicht zufrieden waren.

 

Durchaus bemerkenswert ist der fünfte Platz von Maximilian Berger (TuS Bad Aibling) im 1500-Meter-Finale. Der Oberbayern kam nach 3:51,35 Minuten ins Ziel. Über 800 Meter bei den Frauen kam Nele Göhl (LG Eckental) als Siebte ins Ziel (2:09,94 Minuten). Ein Wermutstropfen aus bayerischer Sicht war freilich auch, dass nicht wenige Disziplinen komplett unbesetzt blieben.