Deutschlands starkes U 23-Hammer-Duo: (von links) Sören Klose und Merlin Hummel. Foto:DLV

15.07.2023 13:20 // Von: Reinhard Köchl/leichtathletik.de

U 23-EM Espoo: Merlin Hummel packt den Silber-Hammer aus

Nur eine Woche nach dem bislang schwärzesten Moment seiner Karriere, als er als Titelverteidiger bei der DM in Kassel seine Stellplatzkarte zu spät abgab, zeigte Hammerwerfer Merlin Hummel (UAC Kulmbach) sein wahres Potenzial. Mit 75,61 Meter schnappte er sich bei den U 23-Europameisterschaften in Espoo (Finnland) am Samstagmittag im letzten Versuch die Silbermedaille. Dabei hatte es anfangs noch danach ausgesehen, als hätte der 21-jährige Oberfranke seine Minikrise noch nicht überwunden.

Nach der Qualifikation war Merlin Hummel noch geknickt durch die Mixed Zone geschlichten und hatte festgestellt: "Das waren Anfängerfehler. Das macht mir Sorgen fürs Finale." Zwei Tage später schien sich das zu bewahrheiten, denn er startete mit zwei ungültigen Versuchen in den Wettbewerb. Dann aber machte es Klick. Und sein Hammer flog in Runde drei auf 73,39 Meter, was ihm drei weitere Versuche bescherte und ihn vor brachte bis auf den Bronzerang.

 

Und das hinter Sören Klose (Eintracht Frankfurt). Der Deutsche U 23-Meister zeigte einen Wettkampf auf hohem Niveau, überbot fünfmal die 71-Meter-Marke und setzte sich zunächst mit 73,70 Metern auf dem Silberrang fest. Bis Merlin Hummel noch einen draufpackte! Als er seinen Podiumsplatz sicher hatte, schleuderte der Kulmbacher den 7,26 Kilo schweren Hammer noch bis auf 75,61 Meter. Nur zwei Mal kam er in seiner Karriere bisher weiter. Allein der Olympia-Vierte Mykhaylo Kokhan (Ukraine; 77,21 Meter) konnte dem DLV-Duo den Sieg streitig machen und wurde seiner Favoritenrolle gerecht.

 

Rundum happy

 

Wie ein Sieger strahlten im Anschluss an das Finale beide DLV-Athleten. "Es ist sowas von egal – Hauptsache eine Medaille", befand Sören Klose und weinte dem verpassten Silber keine Träne nach. "Ich habe nach zwei Ungültigen einfach gehofft, dass Merlin weiterkommt." Er selbst habe nach dem Auftakt von 71,31 Metern gemerkt: "Da geht noch was", und motiviert vom 71,50-Meter-Wurf des Griechen Nikolaos Polychroniou gleich gekontert. "Ich bin einfach happy!" freute er sich.

 

"Ich habe nach dem zweiten Versuch gebetet. Und ich wurde erhört!" sagte Merlin Hummel. "Auf einmal waren alle Probleme weg. Im vierten und fünften Versuch waren sie zwar wieder da. Aber im sechsten habe ich mir dann gesagt: Mach's einfach wieder wie im Dritten, bloß mit mehr Power!" Nach zuletzt einigen unglücklichen Auftritten kann der 21-Jährige jetzt wieder "mit ganz viel Motivation an den richtigen Baustellen arbeiten" – und hat dabei nach wie vor Großes im Sinn: "Der Kokhan ist einfach strong. Aber irgendwann kriege ich den auch noch und hole mir meine Goldmedaille."

 

Alle deutschen Staffeln mit bayerischer Beteiligung im Finale

 

Alle deutschen Staffeln, an denen bayerische Läuferinnen und Läufer beteiligt waren, erreichten etwa zur gleichen Zeit ihre jeweiligen Finals. Am Anfang stand das  4 x 100-Meter-Quartett der Frauen mit Tina Benzinger (LG Stadtwerke München) als Schlussläuferin.

 

Die deutschen Sprinterinnen rennen in der Staffel Jahr um Jahr um die Medaillen bei internationalen Nachwuchs-Meisterschaften mit. Und diese Chance haben sie am Sonntag bei der U 23-EM wieder! Denn die Pflichtaufgabe erfüllten Antonia Dellert (Sprintteam Wetzlar), Talea Prepens (TV Cloppenburg), Lilly Kaden (LG Olympia Dortmund) und Tina Benzinger mit Bravour: Nach 43,74 Sekunden brachten sie den Stab sicher ins Ziel.

 

Es war in ihrem Vorlauf Platz zwei hinter der Staffel Großbritanniens, deren Schlussläuferin Aleeya Sibbons noch kurz vor dem Ziel an Tina Benzinger vorbeiziehen konnte. Und es war im Vergleich aller Staffeln die zweitschnellste Zeit der Vorläufe. Zum Vergleich: 2021 war die DLV-Staffel, damals auch mit Prepens und Kaden im Aufgebot, in 43,05 Sekunden U 23-Europameister geworden, die Vorlauf-Zeit des DLV-Quartetts hätte vor zwei Jahren für Silber gereicht. Das lässt hoffen für's Finale, das schon um 15,40 Uhr deutscher Zeit angesetzt ist.

 

Als Dritte weiter

 

In der Besetzung Annkathrin Hoven (TSV Bayer 04 Leverkusen), Brenda Cataria Byll (LG Olympia Dortmund), Emilia Grahle (Dresdner SC 1898) und Mona Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) machte sich die deutsche Staffel auf die Mission Finale. Nachdem die Kurvenvorgabe aufgehoben war, sortierte sich Brenda Cataria Byll zunächst auf Platz zwei ein und und verteidigte diese Position dann auch bis zur Übergabe des Stabes.

 

Emila Grahle und Mona Mayer brachten die Staffel dann auf Position drei liegend um die letzten zwei Runden, wobei das große Q für den sicheren Einzug ins Finale nie gefährdet schien: Mona Mayer hatte auf der Zielgeraden schon einen deutlichen Vorsprung vor der viertplatzierten Staffel des Gastgebers Finnland. Nach 3:35,09 Minuten war die erste Aufgabe erfüllt, um 18:05 Uhr wartet am Sonntag auf das Quartett die nächste, in der vorletzten Entscheidung der U 23-EM von Espoo.

 

Kampfgeist wird belohnt

 

Es musste ein Platz in den Top Drei her für das große Q fürs Finale. Das wussten die DLV-Athleten natürlich, und dementsprechend kämpften Tyrel Prenz (SC Potsdam), Vincente Graiani (LG Stadtwerke München), Rocco Martin (SG Motor Gohlis Nord) und Lukas Krappe (SCC Berlin) auf ihren Teilabschnitten mit aller Macht um einen dieser drei Plätze.

 

Graiani zog nach Ende der Kurvenvorgabe auf Rang zwei in die Innenbahn, in einem engen Feld war Martin zumeist auf Rang drei unterwegs, dann übernahm Lukas Krappe den Stab – und es wurde noch mal richtig spannend. Denn von hinten stürmte auf der Zielgeraden der Zweitplatzierte des Einzelrennens Lionel Spitz für die Schweiz noch von Platz vier ganz nach vorne und zu einem neuen U23-Landesrekord (3:06,08 min) für die Eidgenossen.

 

Seite an Seite mit den Schlussläufern der Briten und Türken kämpfte Lukas Krappe um jeden Meter, und das lohnte sich: In 3:06,24 Minuten fehlten zwar drei Hundertstel zu Platz zwei, den Großbritannien belegte. Aber die Türkei konnte er um ebenfalls drei Hundertstel in Schach halten. So war der Einzug ins Finale perfekt, auch ohne auf die Zeit hoffen zu müssen, die schließlich auch den Türken einen Platz in der Runde der besten Acht bescherte.

 

Louis Pröbstle draußen, aber "standby"

 

In der Stabhochsprung-Qualifikation war es Fabio Wünsche (SC Potsdam), der sich nach zwei Ungültigen über 5,05 Meter doch noch mit 5,20 Metern im ersten Versuch den Platz im Finale erkämpften konnte. Ob er ihn antreten kann, steht jedoch noch in den Sternen. "Ich bin beim Versuch über 5,35 Meter am Stab abgerutscht", erklärte er und zeigte Blut und Brandblasen an der Hand. "Der 5,20er im Ersten war gut, vielleicht war ich dann etwas unkonzentriert."

 

Medizinische Untersuchungen werden nun zeigen, ob die Hand für den nächsten Einsatz hält. Sollte er verzichten, wäre das Pech des einen DLV-Athleten vielleicht das Glück des anderen: Louis Pröbstle (TV Gräfelfing) beendete die Qualifikation nach 5,20 Metern im zweiten Versuch gemeinsam mit zwei anderen Athleten auf Platz 13. "Ich bin eigentlich ganz gut in den Wettkampf gekommen", blickte er zurück, "dann hatte ich einige unnötige gerissene Versuche, in denen ich eigentlich schon drüber war. Ich habe es eigentlich drauf, das habe ich ja letzte Woche bei der DM in Düsseldorf mit 5,42 Metern gezeigt."