Patriz Ilg war in den 80er Jahren der beste Hindernisläufer Deutschlands und wird am 5. Dezember 60 Jahre

Mit seinem Spurtvermögen, seiner Technik und seinem Wettkampfinstinkt war er eine Klasse für sich

Nach dem Gewinn des Weltmeistertitels sank Patriz Ilg als Ehrerbietung vor seiner eigenen Leistung auf die Knie

Der Grundschullehrer engagiert sich heute in der Gemeindepolitik

04.12.2017 21:26 // Von: Bertram Böhm

Der Hindernis-Weltmeister hat Geburtstag: Patriz Ilg wird 60 Jahre

Ein Läufer, der es von der rauen Ostalb bis in die große Welt der Leichtathletik schaffte. Ein großes Talent, aber auch mit Hang zum harten Arbeiten oder zum Schaffen ausgestattet, wie der Schwabe es ausdrücken würde. Sein Lohn: Der Weltmeistertitel über 3000 Meter Hindernis 1983 in Helsinki. Dazu Gold, Silber, Bronze bei Europameisterschaften und acht Deutsche Meistertitel zwischen 1978 und 1988 über die Hindernisse. Der BLV gratuliert Patriz Ilg zu seinem 60. Geburtstag am 5. Dezember.

Patriz Ilg lief schon in Jugendjahren in Deutschland meist vorne weg und gewann sechs deutsche Nachwuchstitel. Als 17jähriger gewann er bei den Junioren-Europameisterschaften 1975 in Athen über 3000 Meter (ohne „Böcke“) die Silbermedaille. Schon 1978 in Prag die nächste Ehrung, als Zweiter in Europa bei den Großen hinter dem dominierenden Polen Boguslaw Malinowski. Die Europameisterschaften mochten ihn. Ein kompletter Medaillensatz liegt heute zuhause in der Vitrine, Gold 1982 in Athen und Bronze 1986 bei seinem Heimrennen in Stuttgart.

Olympia mochte den Läufer aus Schwaben nicht. Sowohl 1980 in Moskau durch den Boykott des Westens, als auch 1984 in Los Angeles durch eine Infektion und eine Mandelentzündung, fanden ohne ihn statt. Und 1988 in Seoul fand er sich trotz 8:23,19 Minuten nicht mehr in der Form um erfolgreich teilzunehmen.

Immer wieder kämpfte er sich trotz vieler Erkrankungen zurück in die Weltklasse. Die erste Weltmeisterschaft 1983 in Helsinki sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden. Favoriten waren andere. Der Amerikaner Henry Marsh, der Pole Boguslaw Maminski, die Kenianer Kip Rono und Tuwei. Henry Marsh, der „Hinterher Läufer“, lief wie immer weit hinter dem Feld. Zu lange, denn 300 Meter vor dem Ziel zog der Italiener Scartezzini den Spurt an, Patriz folgte und konterte sofort. Bis Marsh reagierte, hatte Patriz nur noch zwei Hindernisse und einen Wassergraben vor sich. Vor dem letzten Hindernis auf der Zielgerade betrug der Rückstand des US Amerikaners nur noch zwei Meter auf Ilg. Aber er hatte sich so „platt“ gelaufen, dass er sich um das letzte Hindernis „wickelte“ und stürzte. Der Deutsche ging wie fast immer in seiner Karriere hochkonzentriert das letzte Hindernis an und gewann mit zwei Sekunden Vorsprung vor Maminski.

Nach dem Zielstrich Emotionen pur, alles musste raus und weit vor Dieter Baumanns Kniefall von Barcelona „erfand“ ein anderer Schwabe diese Ehrerbietung vor seiner eigenen Leistung. Kleine Randnotiz: Fünf Tage später beim ISTAF in Berlin gewann Henry Marsh in Weltjahresbestzeit von 8:12,37 Minuten.

Patriz Ilg war nie der Läufer, der die große Welt der Läufe mit Tempomachern suchte, er war der Mann des Spurts. Des Kurzen, des Langen, besonders waren sie eigentlich immer. Bei der EM 1986 im Neckarstadion, welch tolle Veranstaltung, gegen den ostdeutschen Hagen Melzer und den Italiener Fancesco Panetta, sein Spurt bei den Hallen-Europameisterschaften in Mailand gegen Alberto Cova oder weniger bekannte Rennen bei einem Jugendländerkampf Bayern-Hessen-Württemberg, dem Spurt bei einer Deutschen Staffelmeisterschaft 1982 in Flensburg, wo er in der 4 x 1500 Meter-Staffel, den aus seiner Sicht „Sprintern“ Harald Hudak und Thomas Wessinhage Paroli bot.

Er war kein Rekordläufer, er hielt nie den Deutschen Rekord, aber er lief 30mal unter 8:30 min Minuten (trotz aller Krankheiten und Verletzungen) über die Hindernisse und 12mal unter 8:00 Minuten über die 3000 m flach. Eine wahrlich beeindruckende Bilanz. Auch seine Bestzeiten über 1500 Meter (3:40 Minuten), 3000 Meter (7:45) und 5000 Meter (13:24) zeigen seine Klasse. Zwei Wochen vor dem WM-Finale 1983 in Helsinki lief er 120 Kilometer die Woche, die ihm sein damaliger Trainer Jürgen Mallow in den Plan schrieb. Zusammen waren beide 1980 zum LAC Quelle Fürth gekommen und hatten eine Erfolgsära eingeleitet.

Auch ein Lautsprecher war Patriz Ilg nie, da gab es genug andere in der damaligen Leichtathletikszene.  Er vertrat aber, wenn es sein musste, seinen Standpunkt. Den Boulevard-Medien galt er als viel zu normal, Aufhebens um seine Person war ihm nicht unangenehm, aber er empfand es als unnötig.

Patriz lebt heute noch auf der Ostalb, engagiert sich in der Hofener Gemeindepolitik als Vorsteher und hat immer als Grundschullehrer, auch zu den Hochzeiten des Leistungssports, gearbeitet.

Das Sinnbild eines fleißigen, ausdauernden Schwaben, der es ganz schön lang mit den Franken ausgehalten hat.