Bayern-Titelkämpfe Plattling - Aktive: Meisterschaften der Superlative als Werbung für die Leichtathletik
Die Scharen von Zuschauern, aber vor allem die Sportler selbst dankten es mit vollem Einsatz und teils exzellenten Leistungen, bei denen es durchaus Überraschungen gab.
Kamghe Gaba? Klar, der Mann kann 400 Meter, wenn auch am Wochenende zuvor bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm nicht so schnell und erfolgreich wie selbst erhofft. Aber 100 Meter? „Das letzte Mal bin ich das, glaube ich, vor zehn Jahren gelaufen“, stieß der verblüffte 29-Jährige nach dem Sprintfinale vor einer begeisterten Kulisse hervor. Das hatte ausgerechnet der Gelegenheitssprinter Gaba trotz eines eher mäßigen Starts mit 10,57 Sekunden souverän für sich entschieden und war damit endgültig zum Publikumsliebling im Gäuboden avanciert. „Hätte ich nie für möglich gehalten“, freute sich Gaba unter dem Jubel des Plattlinger Publikums, das auch einen der Ihren feiern konnte. Auf dem zweiten Platz konnte sich nämlich Lokalmatador Michael Hofmeister (TSV Plattling), eigentlich mehr bekannt von den 400 Meter Hürden, auf 10,68 Sekunden steigern. Erwähnenswert auch noch die Plätze drei, vier und fünf, die in einem vereinsinternen Dreikampf der LG Stadtwerke München an Christian Rasp (10,72 Sekunden), vor David Gollnow (10,74 Sekunden) und Stefan Mikulla (10,78 Sekunden) ging. Dabei wurde bei den Münchnern nicht nur „durchgelaufen“, sondern vielmehr erbittert um die Plätze gekämpft, denn der Sponsor der LG hatte für die drei Erstplatzierten jeweils Geldpreise im vierstelligen Bereich ausgelobt.
Für Kamghe Gaba, der tags darauf auch noch die 200 Meter unter dem frenetischen Jubel in 21,17 Sekunden abspulte, entwickelten sich die Titelkämpfe in Niederbayern zu einem richtig lukrativen Besuch. Allerdings haderte der „Usain Bolt von Plattling“ hinterher ein wenig mit sich selbst: „Ich bin enttäuscht über meine Zeit, ich wollte deutlich unter 21 Sekunden bleiben.“ Hinter ihm kam abermals Michael Hofmeister in 21,56 Sekunden ins Ziel, Dritter wurde Markus Mikulla (LG Stadtwerke München) in 21,64 Sekunden.
Auch Tamara Seer Doppelsiegerin
Auch bei den Frauen gab es über die Sprintstrecken einen wahren Geldsegen für eine Doppelsiegerin der LG Stadtwerke München – allerdings eine, mit der die wenigsten gerechnet hätten. Tamara Seer gewann sowohl die 100 (11,88 Sekunden) wie auch die 200 Meter (24,12 Sekunden). Hinter ihr landeten Martina (11,96 Sekunden) und Julia Riedl (12,13 Sekunden) über 100 Meter, über die doppelt so lange Distanz gingen Silber und Bronze an Julia Riedl (24,20 Sekunden) und Rebekka Eberle (TV 1860 Gunzenhausen; 24,65 Sekunden).
Es lag freilich nicht nur am vereinsinternen Münchner Prämiensystem, dass 2013 so viele bekannte Namen der bayerischen Leichtathletik wie schon seit langem nicht mehr die Reise zu Landesmeisterschaften angetreten hatten. Vielleicht war es dieser besondere Genuss, die eigene Sportart und damit auch sich selbst einmal wieder im Rampenlicht zu sehen. Selten zuvor nämlich wurden Athleten dermaßen fair beklatscht oder frenetisch angefeuert, selbst wenn sie, wie die frischgebackene Universiade-Bronzemedaillengewinnerin im Weitsprung, Michelle Weitzel (SWC Regensburg) noch unter Reisestrapazen litten. „Ich bin erst gestern in der Früh in Frankfurt gelandet“, entschuldigte Weitzel ihre Siegesweite von 6,02 Metern. So steckten die Zeitumstellung und der Flug von Kazan noch in den Knochen. Trotzdem wollte die Regensburgerin bei den Bayerischen Meisterschaften antreten und für ihren Verein den Titel holen. „Ich habe so kurz nach der Universiade keine super Leistung von mir erwartet. So schlecht war es heute aber auch nicht. Die Weite war da, ich habe das Brett einfach nicht getroffen.“ Ihr am nächsten kam Vereinskameradin Sabine Hoja (SWC Regensburg) mit 5,87 Meter vor Michaela Mädler (LG Gendorf Wacker Burghausen; 5,58 Meter).
In nächster Zeit wird sich Weitzel mehr auf ihr Studium konzentrieren. Der Saisonhöhepunkt ist vorbei, „jetzt kommt eine Lernphase. Wo ich in dieser Saison noch starten werde, entscheide ich spontan.“ Bei den Männern holte sich Alexander Krämer (asics Team Wendelstein) mit 6,84 Meter den Titel.
Comeback von Fabian Schulze
Plattling übte sogar auf den langzeitverletzten Stabhochspringer Fabian Schulze (LG Stadtwerke München) eine geradezu magische Wirkung aus, so dass er zum ersten Mal seit den Deutschen Hallenmeisterschaften am 26. Februar 2012 wieder ins Wettkampfgeschehen eingriff. Bei seinem Comeback siegte Schulze mit 4,80 Metern – mit Turnschuhen und stark verkürztem Anlauf. „Ich bin noch nicht ganz ohne Beschwerden und mir fehlen noch einige Trainingssprünge.“ Überhaupt hatte er vor dem Wettkampf erst drei Technikeinheiten absolviert. Dennoch war der Münchner zufrieden: „Ich habe mir nicht viel erwartet. Aber ich wollte gewinnen und einige Sprünge durchziehen. Ich habe mein Ziel erreicht – alles ist positiv verlaufen.“ Die Stabi-Frauenkonkurrenz blieb dagegen fest in Würzburger Hand. Karin Ettinger (LAZ Kreis Würzburg) schnappte sich Gold mit 3,60 Meter vor ihrer Vereinskameradin Eva Rossow (3,30 Meter).
Quasi eine Solovorstellung lieferte der Deutsche 400-Meter-Vizemeister Jonas Plass (LG Stadtwerke München) über die Stadionrunde. In 46,63 Sekunden holte er sich souverän den Bayerntitel vor seinem Teamkollegen Michael Pflüger (47,36 Sekunden) und Thomas Schiller (LG Region Landshut), der 48,21 Sekunden benötigte. Karoline Pilawa (LG Stadtwerke München) wollte ihrem Vereinskameraden bei den Frauen nicht nachstehen, musste jedoch die Überlegenheit der deutschen 800-Meter-Meisterin Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) anerkennen, die über 400 Meter mit 54,43 zu 54,86 Sekunden den buchstäblich längeren Atem besaß. Dritte wurde hier „Prämienkönigin“ Tamara Seer (55,34 Sekunden). Dafür hielt sich Pilawa über 800 Meter schadlos und schnappte sich in ansprechenden 2:04,89 Minuten im Alleingang Gold. Ihr männliches Pendant hieß Benedikt Huber (TSV Palling). Der oberbayerische Shootingstar hielt seine mittelfränkische Konkurrenz in Gestalt von Marco Kürzdörfer (1:51,94 Minuten) und Tobias Budde (beide TSV Höchstadt/Aisch; 1:54,50 Minuten) sicher in Schach.
Hürdensprinter zeigen sich in guter Form
Einen harten Kampf gab es auf der Zielgerade des 400-Meter Hürden-Laufs der Männer. Mario Saur (LG Telis Finanz Regensburg) und der außer Wertung laufende Hannes Scharpf (VfL Sindelfingen) trieben sich gegenseitig zu Zeiten von 51,45 und 51,50 Sekunden, während bei den Frauen gegen Stefanie Müllers (TSV Bobingen) Finish kein Kraut gewachsen war. Müller durfte sich nach ihrem sonntäglichen Erfolg über 1500 Meter (4:32,06 Minuten) über die deutsche U 23-Hindernismeisterin Cornelia Griesche (DJK Ingolstadt; 4:34,97 Minuten) sogar als Doppelmeisterin feiern lassen.
Grund zum Strahlen hatte über 100 Meter Hürden auch die süddeutsche Meisterin Christina Muckenthaler (LG Stadtwerke München). Nachdem sie bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm gestürzt war, konnte sie in Plattling ihre gute Form erneut unter Beweis stellen. In 13,84 Sekunden gewann sie die 100 Meter Hürden vor Jennifer Reinelt (1. FC Passau; 14,06 Sekunden) und wurde für ihre Leistung mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.
Bei den Männern gab es über 110 Meter Hürden mit Fabian Fleischmann (1. FC Passau) einen klaren Favoriten. Dieser Rolle wurde der 22-jährige frühere Hochspringer auch mit einem souveränen Endlaufsieg in neuer persönlicher Bestzeit von 14,11 Sekunden vor Florian Geyer (Athletik & Sprintteam München; 14,89 Sekunden) mehr als gerecht. Durch seinen Dreisprung-Erfolg mit 14,14 Meter durfte sich Fleischmann ebenfalls zwei Mal mit Gold dekorieren lassen. Für die Dreisprung-Krone bei den Frauen langten Abonnement-Siegerin Katharina Schreck (TS Herzogenaurach) diesmal 12,28 Meter, vier Zentimeter vor Julia Hennemann (TV Ebensfeld), die bei 12,24 Meter in der Grube landete.
Giesa, Dippel und Rosenbauer Seriensieger bei Stoßern und Werfern
Ulrike Giesa (LAC Quelle Fürth) schleuderte ihren Diskus auf 51,75 Meter und fügte ihrer Titelsammlung damit souverän einen weiteren hinzu. Der Abstand zur Zweiplatzierten Rose Führen (TSV Bad Endorf; 38,56 Meter) betrug über 13 Meter. Auch ihr Vereinskollege Robert Dippl führte seine Siegesserie nach überstandener Muskelverletzung fort und holte sich mit 17,40 Metern seinen nächsten bayerischen Titel vor Martin Schynoll (LG Landkreis Roth), der auf 16,02 Meter kam, und Rene Hamberger (1. FC Passau) mit 14,65 Meter. Die Siege der Speerwurfkonkurrenz blieben fest in Händen der LG Augsburg. Susanne Rosenbauer schaffte mit 56,22 Meter ihre zweitbeste Weite überhaupt und holte sich Gold vor Sarah Leidl (1. FC Passau), die mit 51,31 Meter ebenfalls noch eine stattliche Weite vorzuweisen hatte. Ebenfalls nur ein Mal in seinem Leben weiter als in Plattling warf Kim-Dominik Seyfried mit 71,79 Meter und zwei weiteren Versuchen über die 70-Meter-Marke. Mit Abstand auf den Fersen waren ihm dabei Toni Maximilian Roeder (TSV Ebensfeld; 60,46 Meter) und Rene Hamberger mit seinem zweiten bronzenen Edelmetall (60,50 Meter).
Der Wurf offenbarte in Plattling aber auch eine der großen Achillesfersen der bayerischen Leichtathletik: In vielen Bereichen fehlt schlicht der Nachwuchs, was vor allem beim Diskuswerfen der Männer und beim Kugelstoßen der Frauen offenkundig wurde. Natürlich nötigen die Leistungen der neuen Bayerischen Meister Sören Voigt (TSV 1862 Erding; 44,24 Meter) und Michaela Eichhorn (LG Region Landshut; 12,22 Meter) allen Respekt ab, zählen sie doch mit 37 beziehungsweise 45 Jahren zu den erfahrenen Sportlern. Aber gerade bei den Männern glich das Teilnehmerfeld mit einer Ausnahme eher einem Senioren-Starterfeld, und bei den Damen fehlte die Favoritin Martina Greithammer – weil sie bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften an den Start ging.
Nichtsdestotrotz brachte das Hammerwurffinale bei den Männern wie bei den Frauen glänzende Ergebnisse. Johannes Bichler und Jerrit Lipske (beide Stadtwerke München) übertrafen zwar nicht ganz die 70-Meter-Marke, lieferten aber mit 69,83 und 69,48 Meter in jeder Hinsicht vorzeigbare Resultate ab. Dies gilt auch für den Bronzemedaillengewinner Tristan Schwandke (TV Hindelang; 66,94 Meter). Durchaus als Überraschung darf man den Sieg von Anna Arlt (LG Stadtwerke München) mit 55,03 Meter vor ihrer Vereinskameradin Anna Rinderle (52,12 Meter) bezeichnen. Interessanter Randaspekt: Die Bronzemedaille ging an „Speerwurf-Queen“ Susanne Rosenbauer, die auf beachtliche 40,53 Meter kam.
Zweitbeste 5000er-Zeit für Julia Hiller
Als Letzte war Julia Hiller (LAC Quelle Fürth) am Samstag über 5000 Meter an der Reihe, und es wurde ein Meilenstein in ihrem Comeback-Jahr. Denn bereits nach knapp der Hälfte des Rennens war Hiller auf der Jagd nach Gold und einer schnellen Zeit auf sich alleine gestellt und musste die 5000 Meter ohne Hilfe durchziehen. Dies gelang der früheren Vizeeuropameisterin vortrefflich und am Ende stand trotz des Sololaufs mit 16:33,97 Minuten die zweitbeste 5000er-Zeit ihrer Karriere zu Buche.
Wesentlich mehr Arbeit hatte da schon Tobias Gröbl (LG Zusam) zu verrichten, um sich über die gleiche Distanz in 14:20,25 Minuten seinen ewigen Kontrahenten Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München; 14:23,65 Minuten) und Tobias Schreindl (LG Passau; 14:27,05 Minuten) vom Hals zu halten. Spannend gestaltete sich auch die Entscheidung über 1500 Meter, die Clemens Bleistein (LG Stadtwerke München) mit 3:53,18 Minuten knapp vor Marco Kürzdörfer (TSV Höchstadt-Aisch; 3:54,13 Minuten) und abermals Tobias Gröbl auf der „Unterdistanz“ (3:55,80 Minuten) als Bayerischen Meister sah.
Dass die Staffeln wie viele andere Titel ebenfalls an die LG Stadtwerke München gingen, versteht sich fast von selbst. Dabei hatten die Männer aus der Landeshauptstadt (41.70 Meter) mit dem 1. FC Passau (41,88 Sekunden) ihre liebe Mühe, und die Frauen kamen durch ihr „Backup-Programm“, nämlich die zweite Staffel, in 47,18 Sekunden. Die erste Besetzung hatte zuvor den Stab verloren.
Von den Entscheidungen der Jugend U 20 und U 18 folgt noch ein eigener Artikel.