Bayerische MS München Teil 2: Alle Eugene-Fahrer testen, doch die Masse im Jugendbereich fehlt
Auffällig war neben dem Verlust an Quantität vor allem ein qualitativer Abfall mit zunehmendem Alter. So musste manch jüngerer Sportler eindeutig mehr leisten, um auf das Treppchen zu kommen oder gar eine Medaille zu ergattern, als seine älteren Kolleginnen und Kollegen. Einige wenige Sportler aus der U 18 entschieden sich gar für einen Start in der höheren Altersklasse, weil sie sich dort größere Chancen ausrechneten. Zudem hatten traditionsreiche Disziplinen wie das Speer- und das Hammerwerfen bei der männlichen U 20 gerade einmal je zwei Teilnehmer, von Problemwettbewerben wie den 400 Meter Hürden (ebenfalls nur zwei Starter) einmal ganz zu schweigen. Setzen wir möglicherweise die falschen Anreize, um aus den boomenden U 16- und U 18-Jahrgängen ein tragfähiges Fundament für die älteren Klassen zu bauen? Entwickelt sich unsere Sportart – mit Ausnahme einiger weniger Spitzenathleten in den Großvereinen – vor allem in der Breite zu einer reinen Schüler-Leichtathletik, deren Boom mit zunehmendem Alter sowie schulischer oder beruflicher Belastung irgendwann einfach abreißt? Alles Fragen, über die sich nicht nur die Verantwortlichen des Verbandes sondern auch Verantwortliche in den Vereinen Gedanken machen müssen.
Dass es in München dennoch das „Tafelsilber“ der bayerischen Leichtathletik zu besichtigen gab, nämlich die fünf Starter bei der U 20-WM in Eugene (22. Bis 27. Juli), überdeckt natürlich das eigentliche Problem. Knapp eine Woche vor ihrem erklärten Saisonhöhepunkt nutzen Tobias Potye (FC Aschheim), Jonas Bonewit und Laurin Walter (beide LG Stadtwerke München), Evi Weber (TSV 1862 Erding) und Patrick Karl (TV Ochsenfurt) die „Bayerischen“ noch einmal zu einem „Training unter Wettkampfbedingungen“, und das, obwohl am Montagmorgen um fünf Uhr das Flugzeug ins Trainingslager nach Salem/Oregon ging.
Hochsprung-U 20-Europameister Tobias Potye zeigte sich dabei schon in WM-Form. Mit 2,15 Meter holte sich der 19-Jährige ungefährdet den Sieg. Bei 2,02 Meter war Potye in den Wettkampf eingestiegen, weit nachdem der Zweitplatzierte Sven Glück (TV Schierling) mit 1,96 Meter seine Performance an diesem Tag beendet hatte.
Laurin Walter startet gleich zwei Mal
Gleich zwei Starts am Samstag und am Sonntag absolvierte Laurin Walter, der in Eugene in der deutschen 4 x 400 Meter-Staffel zum Einsatz kommen soll. Über 400 Meter zeigte der 18-Jährige eine Art Steigerungslauf mit extrem verhaltenen ersten 200 Meter, um dann explosionsartig den zweiten Teil der Stadionrunde zu absolvieren. Das Ergebnis war zwar logischerweise keine neue Bestzeit, aber mit 48,78 Sekunden vor Felix Mittermeier (SWC Regensburg; 50,31 Sekunden) und Bernhard Eggl (LG Region Landshut; 50,56 Sekunden) ein durchaus geglückter Leistungstest. Am Sonntag stapfte Laurin Walter dann noch die 200 Meter herunter – logischerweise als Sieger und sogar in neuer persönlicher Bestzeit von 21,80 Sekunden. Silber ging an Lars Ott (LG Allgäu/Kempten; 22,10 Sekunden), Bronze an Paul Straub (LG Würm Athletik; 22,10 Sekunden).
Während Jonas Bonewit seinen Wettkampf – wohl auch wegen des Bonus-Systems seines Vereins – in der Männerklasse bestritt und nur einen Versuch absolvierte (siehe eigener Bericht), stellte sich Patrick Karl über 300 Meter (allerdings ohne Hindernisse) noch einmal der versammelten Konkurrenz aus dem Freistaat und gewann mit 8:34,92 Minuten vor Sebastian Viehbeck (LG Telis Finanz Regensburg; 8:39,14 Minuten) und Hiob Gebisso (TG Viktoria Augsburg; 8:50,69 Minuten). Evi Weber schließlich, die quasi auf den letzten Drücker in Mannheim ins deutsche Eugene-Aufgebot gerutscht war, holte sich im Diskuswerfen der U 20 standesgemäß den Titel mit 47,34 Metern und über zwölf Meter Vorsprung.
Einer, der auch liebend gerne mit nach Eugene geflogen wäre, ist Lucien Aubry (LG Erlangen). Im Winter noch sensationell Deutscher U 20-Hallenmeister über 60 Meter, fehlten ihm unter freiem Himmel nur ein paar Hundertstelsekunden. Im Dantestadion wurde er seiner Favoritenrolle über 100 Meter vollauf gerecht. Mit 10,71 Sekunden bewegte sich der 19-Jährige in einer völlig anderen Liga als seine Konkurrenten Konstantin Rist (MTV 1862 Pfaffenhofen; Zweiter in 11,11 Sekunden) und Paul Straub (Dritter in 11,12 Sekunden).
Weitere ausgezeichnete Leistungen in der männlichen U 20 kamen von Daniel Troßmann (LG Stadtwerke München) im Weitsprung (7,13 Meter), Lukas Koller (TSV 1880 Wasserburg) im Diskuswerfen (54,07 Meter), Valentin Döbler (LG Stadtwerke München) im Kugelstoßen (17,99 Meter) und Martin Weinländer (LAC Quelle Fürth) über 800 Meter (1:54,62 Minuten).
Sprint-Doppelsieg für Stefanie Maier
Als Doppelsiegerin über die Sprintstrecken in der weiblichen U 20 durfte sich Stefanie Maier (LG Region Landshut) feiern lassen. Unter dem frenetischen Jubel ihrer Vereinskolleginnen und -kollegen schnappt sie sich sowohl Gold über 100 Meter (12,44 Sekunden) vor Catiana Rettenberger (LG Stadtwerke München; 12,49 Sekunden) und Julia Hofer (1. FC Passau; 12,53 Sekunden) wie auch über 200 Meter (25,64 Sekunden). Über 800 Meter erwies sich die neue Meisterin Elisabeth Plötz (TV Bad Kötzting; 2:14,23 Minuten) als unüberwindliches Hindernis für Judith Genck (LG Donau-Ries; 2:16,24 Minuten) und Babinja Wirth (TSV Ebermannstadt; 2:16,56 Minuten), während Franziska Reng (LG Telis Finanz Regensburg) mit ihrer Siegerzeit von 10:02,84 Minuten über 3000 Meter unter Beweis stellte, das bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Bochum-Wattenscheid von 8. bis 10. August auf jeden Fall mit ihr zu rechnen sein wird.
Mit einer neuen Freiluft-Bestleistung von 5,84 Meter beendete Tina Pröger (LAC Quelle Fürth) den Weitsprung der U 20 als Siegerin vor Anna-Lena Obermaier (LG Sempt; 5,68 Meter) und Katharina Winkler (LAC Quelle Fürth; 5,62 Meter). Im Dreisprung fehlten ihr dagegen nur zwei Zentimeter zum zweiten Gold. Mit 12,07 Meter musste sich die 19-Jährige der alten und neuen Meisterin Laura Keilhofer (TV Zwiesel; 12,09 Meter) geschlagen geben. Mit 11,99 Meter gelang Kristina Fister (1. FC Passau) als Dritter wie Pröger eine neue persönliche Bestleistung.
Anna-Lena Obermaier ihrerseits holte sich ihren Bayerntitel im Hochsprung (1,71 Meter) vor Winkler (1,68 Meter), während die Fürtherin erwartungsgemäß über 100 Meter-Hürden die Reihenfolge (14,54 zu 14,75 Sekunden). Dritte wurde hier Catina Rettenberger (14,80 Sekunden). Im Stabhochsprung gab es ein Wiedersehen mit der ehemaligen Deutschen U 18-Meisterin Franziska Heiß, die nach dem Ende ihres Schuljahres in Hessen mitten unter der Saison vom SSC Bad Sooden-Allendorf wieder zu ihrem Heimatverein TSV Gräfelfing wechseln durfte. In ihrer bayerischen Heimat holte sich Heiß gleich den obligatorischen bayerischen Titel mit guten 3,60 Meter. Speerwurf-Gold ging schließlich an Eva Herrmann (LG Reischenau-Zusamtal) mit 44,24 Meter.
Felix Straub unterstreicht seine Ausnahmestellung
In der männlichen wie weiblichen Jugend U 18 häuften sich die vorzeigenswerten Leistungen. Zum Beispiel von Nachwuchs-Sprinthoffnung Felix Straub (TV 1909 Dietenhofen), der beinahe schon obligatorisch die 100 Meter in 10,85 Sekunden für sich entschied und Multi-Talent David Faltenbacher (LG Stadtwerke München) entsprechend weit hinter sich ließ (11,18 Sekunden). Ähnlich sah es für beide auch über 110 Meter Hürden aus, wo Straub in 14,53 Sekunden sogar sechs Zehntelsekunden zwischen sich und Faltenbacher (15,13 Sekunden) legte. Dafür konnte der Münchner den Weitsprung mit 6,91 Meter ebenso souverän vor seinem Vereinskameraden Felix Wolter (6,63 Meter) für sich entscheiden.
Zwei Titel gehen auch auf das Konto von Jamie Williamson (LAC Quelle Fürth) und Dominik Maaß (LAV Neustadt). Williamson war sowohl über 400 Meter (50,22 Sekunden) wie auch über 1500 Meter (4:02,08 Minuten) der Schnellste. Maaß, seines Zeichens amtierender Deutscher U 18-Hammerwurf-Wintermeister und Schützling von Wurftrainer Martin Ständner, gelang mit dem Fünf-Kilo-Gerät sogar eine neue deutsche Jahresbestleistung (66,42 Meter), mit der er sich klar vor Christoph Claudius Gleixner (LG Landkreis Aschaffenburg) setzte. Im Diskus schnappte sich Maaß tags darauf im allerletzten Versuch Gold mit 46,70 Meter vor dem bitter enttäuschten Marius Laib (LG Eckental; 44,67 Meter). Im Kugelstoßen gab es für Laib auch noch Bronze mit 15,22 Meter. Besser waren an diesem Tag lediglich der neue Meister Martin Knauer (LAG Mittlere Isar), der das Gerät auf 15,71 Meter katapultierte, und Nico Kaufmair (TS Herzogenaurach; 15,38 Meter). Das U 18-Speerwerfen (im Vergleich zur U 20 14 Teilnehmer!) sah mit Justin Polster (TSV Bad Endorf) ebenso den erklärten Favoriten in Front (60,34 Meter) wie auch im Dreisprung mit Gabriel Wiertz (TuS 1860 Pfarrkirchen; 13,32 Meter).
Spannend ging es im Stabhochsprung zu, wo Korbinian Suckfüll (TSV Gräfelfing) die Latte bei 4,40 Meter überquerte und sich damit Gold sicherte. Höhengleich mit 4,30 Meter kamen Keno Harms (LAC Quelle Fürth) und Patrick Mühlbauer (LG Oberland) auf die Plätze zwei und drei. Ein weiterer Lauftitel ging in Gestalt von Marvin Thomas über 800 Meter in 1:58,48 Minuten an die LAC Quelle Fürth, während sich Tim Englbrecht (LG Telis Finanz Regensburg) über 3000 Meter Gold sicherte (9:05,15 Minuten).
Leichtathletik-Novizin gewinnt Bayerische Meisterschaft
Solche Geschichten schreibt sogar manchmal die Leichtathletik: Noch vor knapp zwei Monaten hatte die Fußballspielerin Katrin Fehm in der nördlichen Oberpfalz noch nicht einmal von der Leichtathletik zu träumen gewagt. Doch während anderswo die Talente von der Leichtathletik abwandern, vollzog die 16-Jährige, die auf dem grünen Rasen stets durch ihre Schnelligkeit aufgefallen war, ihre Kehrtwendung genau in die andere Richtung. Bei der SG Siemens Amberg nahm sie unter fachkundiger Anleitung einige Übungsstunden und verpasste bei den Süddeutschen Meisterschaften in Regensburg in der Woche zuvor noch knapp den Endlauf. Im Münchner Dantestadion leuchtete Katrin Fehms Sprintstern jedoch mit einem Mal heller, als es selbst die kühnsten Optimisten vorausgesagt hatten. Im Finale besiegte sie völlig überraschend nach einem beherzten Rennen die Favoritin Elena Pagliarini (LG Stadtwerke München; 12,37 Sekunden), deren eigentliche Konkurrentin Assunta Kienzler (LG Würm Athletik) bereits zuvor durch einen Fehlstart disqualifiziert wurde. Fehms Zeit las sich dann auch mit 12,30 Sekunden wirklich exzellent. Auf die weitere Entwicklung der spätberufenen neuen Bayerischen Sprintmeisterin darf man zu Recht gespannt sein.
Assunta Kienzler hielt sich dann tags darauf wenigstens über 200 Meter in 25,43 Sekunden vor Elisa Jäger (TV Zeil; 25,71 Sekunden) und Naomi Hemmelmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr; 25,87 Sekunden) schadlos. Für Jäger und Hemmelmann war es bereits die zweite Silber- beziehungsweise Bronzemedaille. Über 400 Meter mussten beide (58,38 und 58,46 Sekunden) die Überlegenheit von Alica Schmidt (MTV 1881 Ingolstadt) anerkennen, die sich in Abwesenheit der verletzten Jahresbesten Louisa Rieger (Ermüdungsbruch) mit einem unwiderstehlichen Finish in mehr als ansprechenden 57,87 Sekunden den Titel sicherte. Flott waren auch die 800- und die 1500-Meter-Läuferinnen unterwegs. Über die beiden Stadionrunden rang Isabella Sopper (LG Eckental) in 2:16,90 Minuten Lena Göstl (TV Zwiesel; 2:17,11 Minuten) nieder, über die längere Mittelstrecke war es Marina Rappold (LG Sempt), die sich in 4:44,79 Minuten den obersten Treppchenplatz vor Nada Balcarczyk (LG Würm Athletik; 4:48,36 Minuten) erlief.
Johanna Windmaier: Springerin und/oder Hürdenläuferin
Vor der Qual der Wahl steht Johanna Windmaier (TSV 1880 Wasserburg) hinsichtlich der Deutschen Jugendmeisterschaften in Wattenscheid-Bochum. Für drei Disziplinen besitzt die 17-Jährige die Quali. Im Dantestadion konnte sie zwar über 100 Meter Hürden nicht ganz an ihre jüngsten 13er-Resultate anknüpfen, erwies sich jedoch im Vor- wie auch im Endlauf als konkurrenzlos (14,13 Sekunden). Im Dreisprung, wo Windmaier noch in der Woche zuvor überraschend Süddeutsche Meisterin mit hervorragenden 12,36 Meter geworden war, musste sie diesmal die Überlegenheit ihrer Rivalin und Freundin Stefanie Aeschlimann (MTV 1881 Ingolstadt) anerkennen, die sich auf ebenso starke 12,35 Meter steigerte und Windmaier (12,00 Meter) nur die Silbermedaille ließ. Die dritte Normerfüllung kann die Wasserburgerin im Weitsprung aufweisen, wo sie diesmal jedoch nicht gemeldet hatte. Hier gewann Neu-Sechs-Meter-Springerin Jacqueline Sterk (SWC Regensburg) ungefährdet mit 5,68 Meter.
Das Pendent zu Dominik Maaß in der weiblichen U 18 heißt Rebecca Zimmer (LG Bamberg). Die 17-Jährige beherrschte sowohl das Hammerwerfen (52,84 Meter) wie auch das Diskuswerfen (40,07 Meter) klar. Im Speerwerfen wartete Veronika Klimek (VfL Waldkraiburg) abermals mit einem weiten Wurf auf. Ihre 47,27 Meter waren an diesem Tag einfach nicht zu schlagen.