EM Amsterdam: Für drei junge Münchner ist das Halbfinale trotz guter Leistungen Endstation.
In der ersten Runde ihres 800-Meter-Semifinals lief Christina Hering mitten im Pulk mit einer Zeit von knapp 61 Sekunden durch. Bis auf die Zielgerade war sogar noch der Finaleinzug möglich. Doch auf den letzten 100 Metern ging die Post ab und ein Dreiertrio konnte sich entscheidend absetzen. Im Zielspurt rutschte die 21-jährige Münchnerin dann sogar noch auf Rang fünf zurück, obwohl sie bis zum allerletzten Meter einen kämpferisch sehr starken Eindruck hinterließ. So blieb beim Sieg der Polin Joanna Jozwik (2:01,52 Minuten) Platz fünf in einer Zeit von 2:02,56 Minuten.
Christina Hering zeigte sich im Anschluss zufrieden mit ihrem Rennen: „Bis 700 Meter fand ich das Rennen richtig, richtig gut. Dann wurde es echt hart. Das ist erst das zweite Mal, dass ich zwei Rennen so direkt nacheinander hatte. Ich habe leider auch eine leichte Erkältung, aber darauf will ich es gar nicht schieben. Ich habe es heute taktisch deutlich besser gemacht, die Olympischen Spiele habe ich noch vor mir und mit jedem Rennen lerne ich dazu.“
Tobias Giehl wusste in seinem 400-Meter-Hürden-Halbfinale zuerst nicht, on er sich ärgern oder freuen sollte. Schließlich entschied sich der 25-jährige Maschinenbau-Student fürs Freuen. Denn er verbesserte seinen nun schon vier Jahre alten Hausrekord um 25 Hundertstelsekunden und zudem die von ihm selbst gehaltene nationale Jahresbestzeit (49,93 Sekunden) um gleich 43 Hundertstel. Doch die Belohnung für den couragierten Lauf, für den Giehl auf der von allen ungeliebten Außenbahn 49,50 Sekunden brauchte, blieb ihm verwehrt. Es reichte lediglich für Rang fünf – der Traum vom Endlauf war damit geplatzt. Und noch bitterer: Gerade mal eine Zehntelsekunde fehlte zur Olympia-Norm! Schnellster des Rennens war der Norweger Karsten Warholm, der in einem überzeugenden Lauf in 48,84 Sekunden zum Landesrekord eilte und sogar Titelverteidiger Kariem Hussein (Schweiz; 48,87 Sekunden) hinter sich ließ.
Der Schützling des Trainergespanns Peter Rabenseifner/Korbinian Mayr darf dennoch stolz auf seine Leistung sein. Vier der fünf Starter dieses Rennens waren so schnell wie nie zuvor – das beweist, wie hochklassig dieser Lauf besetzt war. „Der Plan ist gut aufgegangen. Ich wollte vorne Druck machen", erklärte Tobias Giehl. "Der Wind hat diesmal auch gepasst. Ich war die komplette Gegengerade zu dicht an der Hürde und ein-, zweimal bin ich hängen geblieben. Das hat bestimmt ein wenig Zeit gekostet, mir aber auch ein gutes Gefühl gegeben. Ich wusste, ich bin schnell unterwegs. Ich habe gemerkt, wie die Konkurrenz innen gekommen ist. Hinten raus habe ich alles gegeben. Eigentlich sollte ich megahappy sein mit der Zeit, aber sie ist eben eine Zehntel über der Olympianorm. Deshalb ist das Gefühl gemischt. Ich mache mir keine allzu große Hoffnungen, dass es trotzdem reicht. Ich bin froh, dass ich so nah ranlaufen konnte. Ich weiß, dass ich auch die 49,40 Sekunden drin habe. Es war kein perfektes Rennen. Aber mir fehlen über die vergangenen Jahre ein paar Rennen auf hohem Niveau, die kann man nicht in einem Jahr aufholen. Im Rückblick war das Jahr gut, ich muss den heutigen Tag noch etwas sacken lassen. Dann stellt sich vielleicht noch mehr Zufriedenheit ein."
Johannes Trefz schließlich verkaufte sich im 400-Meter-Halbfinale wesentlich besser als im Vorlauf. Mit letztendlich 46,07 Sekunden verbuchte er die zweitschnellste Leistung seiner Karriere, doch das war immer noch zu wenig, um gegen ausgebuffte internationale Konkurrenz im Kampf um die vorderen Plätze mithalten zu können. Vorne ließen die Favoriten Kevin Borlée (Belgien; 45,26 Sekunden) und Pavel Maslak (45,31 Sekunden) nichts anbrennen. Knapp an einer Bestleistung vorbei geschrammt zu sein, zeigt aber, dass für die Zukunft noch Potenzial da ist. Trefz hat in Amsterdam wertvolle Wettkampferfahrung gesammelt. Ab Samstag kämpft er mit der 4x400-Meter-Staffel um letzte Tickets für Rio.
Johannes Trefz sagte nach dem Halbfinale: „Ich wollte Bestzeit laufen. Ich möchte unbedingt endlich eine 45 vor dem Komma haben. Ich werde mich diese Saison nicht zufrieden geben, bis ich die nicht stehen habe. Es wäre heute möglich gewesen. Die Bedingungen waren deutlich besser als gestern. Heute hatten wir zu Beginn Rückenwind, das war optimal und hinten raus hatte ich nicht das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Ich bin eigentlich zufrieden mit meinem Rennen. Auf der Zielgeraden hatte ich ein gutes Gefühl. Es war mein zweitschnellstes Rennen, das ich bisher gemacht habe. Im Großen und Ganzen hat es Spaß gemacht, hier zu laufen. Ich glaube, ich habe mich gegen die Konkurrenz gut verkauft. Ich kann einiges mitnehmen. Jetzt lege ich mich einen Tag in die Eistonne und dann greife ich mit der Staffel nochmal an. Ich bin noch lange nicht satt."