Rio-Paralympics-Siegerin Birgit Kober wird eine Sechzigerin
Karl Rauh, Abteilungsleiter der Leichtathleten beim TSV München 1860 und ehemaliger Präsident des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) erklärte, dass Birgit Kober Vorbild und Motivation für andere Behinderte sein möchte. Sie wolle sich durchzubeißen, nicht aufzugeben und ihnen wieder Lebensfreude geben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Ihrem Doppelsieg bei den Paralympics in London 2012 im Kugelstoßen und Speerwerfen erfüllte sich Kober nun in Rio abermals ihren Wunsch, Siegerin im Kugelstoßen mit 11,41 Meter zu werden. „Jeder ihrer sechs Stöße hätte dabei zum Sieg gereicht. Eine der außergewöhnlichsten Leistungen dieser Spiele“, so beschrieb die Welt am Sonntag diese Leistung. Dass sie sehr gut in Form war und sich bestens vorbereitet hat, zeigten schon die Wettkämpfe im Vorfeld. Bei den Europameisterschaften im Juli in Grosseto (Italien) schraubte sie bereits bei ihrem Sieg den Weltrekord auf 11,51 Meter.
Das Unterfangen "Paralympische Spiele" hätte um ein Haar noch danebengehen können. Nach der Ankunft in Rio riss sich Birgit Kober beim Öffnen der Sporttasche einen Fingernagel an der Stoßhand ab,der Finger schwoll stark an und musste mit Antibiotika behandelt werden. Ferner stellte sich durch die ungewohnte Klimaanlage noch eine Erkältung ein. Sich durchzubeißen, wie sie es in vielen Lebensphasen gewohnt ist, war auch hier angezeigt. So lieferte die Kugelstoßerin trotz des Handicaps einen starken Wettkampf ab und setzte sich auch in ihrer neuen Behindertenklasse – sie muss inzwischen im Stehen stoßen – mit Bravour durch.
Birgit Kober, eine waschechte Münchnerin, leidet seit Jahren, bedingt durch einen ärztlichen Fehler, an einer Autaxie (Lähmung im linken Bein) und ist deshalb an den Rollstuhl gefesselt. Sie verzagte jedoch nicht, nahm den Kampf mit Energie und Engagement auf. Karl Rauh öffnete ihr vor Jahren die Türe zum Bundesstützpunkt in der Werner-von-Linde-Halle in München und organisierte auch das Training mit dem BLV-Landestrainer Joachim Lipske. Das Ergebnis konnte sich mit einem Doppelsieg in London – damals noch im Rollstuhl sitzend - sehen lassen.
Seit vergangenen Herbst organisiert und plant Rauh nun auch das Kraft- und Koordinationstraining der Athletin, während Lipske mit ihr noch an der Technik arbeitet. „Ich kenne zwar den Trainingsaufbau anderer Behindertensportler nicht, bin jedoch überzeugt, dass durch eine systematische Trainingsarbeit und gute Periodisierung, die wir bei Birgit Kober umgesetzt haben, bei vielen Behinderten noch wesentlich bessere Leistungen erzielbar sind“, so Karl Rauh. Bei Kober haben sich durch das spezielle Kraft- und Koordinationstraining auch ihre Bewegungsmöglichkeiten erheblich verbessert. Vor vier Jahren war sie noch bedingungslos an den Rollstuhl gefesselt, heute kann sie zumindest wieder kurze Strecken gehen. Deswegen wurde sie auch in eine neue Behindertenklasse eingeteilt und stößt nun im Stehen.