Bayern-Titelkämpfe in Passau: Leistungstests bei Kaiserwetter
Dies mag wohl auch ein wenig an der extremen Terminballung im Juli mit Bezirks-, Landes-, nationalen und internationalen Titelkämpfen liegen. Nachdem Aushängeschilder der bayerischen Leichtathletik wie Corinna Harrer, David Gollnow, Tobias Giehl, Anne Kesselring, Johannes Bichler oder Benedikt Wiesend zur selben Zeit bei der U 23-EM in Ostrava um Medaillen kämpften und sich ein Teil der für U 20-EM in Tallin nominierten Starter sowie der Gemeldeten für die Deutschen Meisterschaften in Kassel eine Woche zuvor lieber eine Pause gönnte, kamen unter dem Strich doch 921 Meldungen zustande. Dass sich das hochsommerliche Wetter in der Dreiflüssestadt sogar bis zum späten Sonntagnachmittag im Osten Bayerns hielt und erst nach dem offiziellen Ende dunkle Gewitterwolken über Passau legten, steht für das gute Omen und den verdienten Lohn für eine rundum gelungene Durchführung der Wettkämpfe, mit der Christl Leidl und ihr motiviertes Team zurecht Lob von allen Seiten einheimsen durfte.
Beinahe selbstredend, dass auch einige der „Big Names“ nach Passau gekommen waren, um rechtzeitig vor den „Deutschen“ noch einmal ihre Form zu testen. Weitspringerin Michelle Weitzel (LG Telis Finanz Regensburg) etwa, „cool“ mit topmodischer Sonnenbrille, nutzte die Möglichkeit zu einem Test. Alles andere als ein Sieg Weitzels wäre eine faustdicke Überraschung gewesen. So reichten ihr 6,37 Meter zum Titelgewinn. Obwohl die die Lehramtsstudentin dieses Jahr schon fast 30 Zentimeter weiter gesprungen war, zeigte sie sich zufrieden. „Ich habe mir heute nichts Großes vorgenommen, es war nur die Generalprobe für die Deutschen Meisterschaften am nächsten Wochenende.“ Nachdem Weitzel im Training ihren Anlauf umgestellt hatte, musste sie sich erst noch an die neuen Abläufe gewöhnen. Nächste Woche in Kassel möchte sie ihre Bestleistung überbieten. „Natürlich wäre es schön, wenn ich dann auch die WM-Quali schaffe. Aber ich mache mir keinen Druck. Ich habe alles erreicht, was ich dieses Jahr erreichen wollte“, sagte sie und verwies auf ihre Nominierung für die Universiade.
Ihr männliches Pendant hieß Oliver Koenig (LG Stadtwerke München), in diesem Jahr mit 8,07 Metern bereits jenseits der Acht-Meter-Grenze gelandet. Er gewann den Weitsprung als Titelverteidiger mit 7,60 Meter und hatte einige viel versprechende Sprünge nur knapp übertreten.
Nach einer langwierigen Verletzung möchte Staffel-Vize-Europameisterin Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) wieder zurück an die deutsche Spitze. Der Weg ist aber noch mühsam. In 58,97 Sekunden holte sich die 400 Meter Hürden-Spezialistin am Sonntag in Passau den bayerischen Meistertitel und musste sich dabei bis zur Zielkurve heftige Gegenwehr von der 37-jährigen Ausnahmeläuferin Corina Pape (MTV 1881 Ingolstadt) gefallen lassen, die als Zweite mit 59,65 Sekunden ins Ziel kam. „Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist meine Zeit sehr bescheiden“, gestand Fabienne Kohlmann nach dem Rennen, „aber wenigstens gibt es eine Verbesserung im Saisonverlauf. Es geht voran, wenn auch in kleinen Schritten.“ Inzwischen macht sie sich jedoch keine Hoffnungen mehr auf einen WM-Start. „Aber nächstes Jahr, da möchte ich nach London zu den Olympischen Spielen.“
Speerwerfen: Drei Mal Leidl
Akzente setzen konnten bei den Bayerischen Meisterschaften einige der starken Damen und Herren. Das Diskuswerfen der Frauen etwa wurde die erwartet klare Angelegenheit für Ulrike Giesa (LAC Quelle Fürth). Mit 55,43 Metern und einer konstanten Serie bestätigte sie ihre gute Form aus den vergangenen Monaten. Wie im Vorjahr konnte Susanne Rosenbauer (LG Augsburg) den Speerwurf der Frauen für sich entscheiden. Ihre Siegesweite: 55,08 Meter. Dahinter gab es vor allem für Christl Leidl allen Grund zum Strahlen: Der zweite Platz ging an die älteste Tochter Sarah, die im letzten Versuch mit 52,86 Metern eine neue Bestleistung warf und ihre Schwester Nicola verdrängte, die ebenfalls mit 50,21 Meter zum ersten Mal über 50 Meter kam. Auf Platz vier dann schon Leidl-Schwester Nummer drei Tamara, die auf 48,34 Meter kam. Unglücklich verlief das Einwerfen für Sandra Schaffarzik (ESV Nürnberg-Rangierbahnhof). Beim letzten Probedurchgang zog sich die 60-Meter-Werferin eine Knieverletzung zu. Nach Auskunft Joachim Lipske, dem BLV-Teamleiter Wurf, besteht sogar der Verdacht auf Kreuzbandriss.
Eine Reise wert war Passau auf jeden Fall für Vinzenz Taufratshofer (LG Allgäu/Kempten). Der Speerwerfer wirft nach einer gewissen Durststrecke in diesem Jahr wieder serienweise über 70 Meter. Bei den Bayerischen Meisterschaften langte es gar zur neuen persönlichen Bestleistung von 72,81 Metern. Damit lag er über sieben Meter vor der Konkurrenz. Etwas mehr erhofft hatte sich dagegen Kugelstoßer Robert Dippl (LAC Quelle Fürth) nach guten Trainingsleistungen in den Tagen zuvor. Im Dreiflüssestadion stieß er 18,78 Meter. „Es war nicht schlecht, aber ich wollte weiter stoßen“, sagte er nach seinem Wettkampf. Geplant war eigentlich eine neue Bestleistung (derzeit 19,20 Meter), damit er noch Chancen hat, für die Universiade in Shenzen (China; 12. bis 23. August) nominiert zu werden. Nächstes Ziel sind nun die Deutschen Meisterschaften in Kassel am kommenden Wochenende, bei denen er noch einmal seine Bestleistung angreifen möchte. Einen Endkampfplatz will er dort natürlich auch bekommen. „Doch die Konkurrenz ist dieses Jahr sehr stark“, schätzt er seine Chancen eher zurückhaltend ein.
Saisoneinstieg von Jerrit Lipske
Nach einer Fußverletzung im Ostertrainingslager konnte Hammerwerfer Jerrit Lipske 8LG Stadtwerke München) endlich in die Saison starten. Mit 64,01 Metern holte er sich ungefährdet den Titel. „Das ist schon okay“, schätzte er seine Leistung ein, „aber nichts Außergewöhnliches.“ Ein Start bei den Deutschen Meisterschaften ist freilich nicht geplant. „Da hätte ich heute schon drei Meter weiter werfen müssen, damit eine Teilnahme rentabel wird.“ Denn wenn er in den Ring steigt, dann möchte er zumindest ins Finale. So wird der Rest der Saison ruhig verlaufen. „Wichtig ist, dass mein Fuß wieder voll belastbar wird“, erklärt er sein Hauptziel. „Aber nächstes Jahr will ich wieder angreifen!“ Auch der Hammer-Titel bei den Frauen geht auf das Konto der LG Stadtwerke München. Betina Gabler blieb mit 43,04 Meter konkurrenzlos.
Im Kugelstoßen schnappte die 37-jährige Martina Greithammer (TSV Münnerstadt) mit 14,25 Meter der Abonnement-Meisterin Alexandra Raaba (LG Festina Rupertiwinkel; 13,89 Meter) den Titel vor der Nase weg. Im Diskuswerfen der Männer blieben der neue Meister Sebastian Dietl (LAZ Obernburg-Miltenberg; 49,72 Meter) und Joshua Deckert (LAZ Kreis Würzburg; 49,07 Meter) diesmal bei drückender Hitze unter der 50-Meter-Marke.
Die heißen Temperaturen an beiden Tagen beflügelten allerdings die Sprinter. Florian Rentz (LG Stadtwerke München) konnte sich über 100 Meter in 10,70 Sekunden durchsetzen. Insgesamt blieben noch drei weitere Athleten unter elf Sekunden: Sebastian Randelzhofer (TSV Königsbrunn; 10,94), Mikel Gehring (TSV Bad Rodach; 10,95) und Michael Fischer (LG Karlstadt-Gambach-Lohr; 10,97). Über 200 Meter gewann Markus Mikulla (LG Stadtwerke München) in starken 21,47 Sekunden. Ein Ausrufezeichen in Richtung der immer stärker werdenden bayerischen Viertelmeiler-Konkurrenz (Plass, Gollnow, Wiesend, Trefz) setzte Stefan Gorol (DJK Friedberg). Der deutsche A-Jugend-Hallenmeister von 2010 holte sich auf seiner Paradedisziplin unangefochten Gold in neuer Bestzeit von 47,66 Sekunden vor Martin Conrad (LAC Quelle Fürth).
Bei den Frauen gab es mit Pamela Spindler (LG Telis Finanz Regensburg) gleich eine Doppelsiegerin auf den Sprintstrecken. Über 100 Meter gewann die frühere Hürdenläuferin das Finale in 12,08 Sekunden vor Franziska Blum (LA-Team Schleißheim; 12,22 Sekunden), während ihr über 200 Meter 24,64 Sekunden zur Bayerischen Meisterschaft reichten. In Spindlers Abwesenheit sammelte Jennifer Reinelt (1. FC Passau) mit 13,76 Sekunden und über einer Sekunden Abstand zur Zweitplatzierten einen weiteren Titel für die Gastgeber, dem ihr Vereinskamerad Fabian Fleischmann mit 14,65 Sekunden über 110 Meter Hürden gleich noch einen folgen ließ. Die Stadionrunde bei den Frauen beendete Ines Dirscherl (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) als Schnellste (56,55 Sekunden). Die 4 x 100-Staffel gingen an die LG Region Landshut (Männer) in 43,16 Sekunden) und den 1. FC Passau (Frauen) in 48,09 Sekunden.
Bauschinger tastet sich heran
Langsam aber sicher tastet sich René Bauschinger (LAC Quelle Fürth) wieder an die deutsche Spitze über 800 Meter heran. Von seiner Lungenoperation im Vorjahr vollständig genesen, holte er sich in Passau den Bayerntitel in guten 1:51,98 Minuten, während bei den Frauen Katharina Heinle (2:09,65 Minuten) wenigstens einen 800-Meter-Titel ins Lager der LG Stadtwerke holte. Über 1500 Meter setzte sich Anja Schneider (LAC Quelle Fürth) in 4:35,70 Minuten vor Susi Lutz (LG Teils Finanz Regensburg; 4:40,64 Minuten) durch. Quasi auf den letzten Metern musste Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München) seinem Mördertempo über sie selbe Strecke Tribut zollen. Der 34-Jährige war dem Verfolgerfeld teilweise um 50, 60 Meter enteilt, bis er schließlich auf der Zielgerade immer langsamer wurde und Felix Plinke (LG Teils Finanz Regensburg; 3:51,95 Minuten) noch an sich vorbei ziehen lassen musste. Besser machte es da ein anderer Routinier über 5000 Meter: Heiko Middelhoff (MTV 1881 Ingolstadt) beherrschte das Rennen in jeder Phase und kam nach 14:43,72 Minuten souverän als Erster über die Ziellinie. Bei den Frauen gewann Tina Fischl (WSV Otterskirchen) in 17:25,09 Minuten.
Seit Jahren treten die Stabhochsprung-Asse der LG Stadtwerke München nicht bei den Bayerischen Meisterschaften an. So holte mit Lucas Schwaiblmair (TSV Gräfelfing) der eigentliche Favorit mit 4,80 Meter vor dem höhengleichen Tom Bechert (LG Telis Finanz Regensburg) den Titel. Bei den Damen war es gar mit Daniela Höllwart (LG Stadtwerke München) eine Österreicherin. Sie sprang 4,15 Meter. Die ehemalige Deutsche Vizemeisterin Katherina Schreck (TS Herzogenaurach; 12,50 Meter) bleibt in Bayern in ihrer Spezialdisziplin ebenso eine Bank wie Christopher Irlbeck (TSV Bad Kötzting), der sich in Abwesenheit von Fabian Fleischmann mit genau 2,00 Metern Gold sicherte.
Über die Jugend-Titelkämpfe folgt noch ein eigener Artikel.