Kaum zu glauben, aber tatsächlich wahr: Caster Semenya will am Samstagabend in Regensburg die Olympianorm über 5000 Meter angreifen. Foto: Theo Kiefner

15.06.2021 10:31 // Von: Reinhard Köchl

Caster Semenya kämpft bei der Regensburger Laufnacht ums Olympia-Ticket

Endlich! Das Aufatmen ist überall im Land zu spüren. Gaststätten, Hotels, Kultureinrichtungen und Geschäfts dürfen wieder öffnen, den allgemein niedrigen Inzidenzwerten sei Dank. Und natürlich kann auch der Sport wieder fast ohne Einschränkungen stattfinden. Nach einer „Light-Version“ im ersten Pandemiejahr 2020 gehen die Laufnacht am Samstag, 19.Juni, in Regensburg in diesem Jahr wieder halbwegs unter normalen Bedingungen über die Bühne. Dies ist umso wichtiger, weil eines der hochwertigsten Leichtathletik-Events in Bayern 2021 zudem als eine Art Generalprobe der deutschen Sportlerinnen und Sportler für die Olympischen Spiele in Tokio gilt. Zwar findet das Highlight abermals nicht auf der „Rennpiste“ im Unistadion statt, das wegen der Corona-Situation wie 2020 gesperrt bleibt. Doch auch das Städtische Stadion am Weinweg hat im vergangenen Jahr bewiesen, das auf seiner Bahn ebenfalls schnelle Zeiten möglich sind. Und diesmal gibt es eine kleine Sensation: Die zweifache Olympiasiegerin Caster Semenya aus Südafrika will in Regensburg die Olympianorm über 5000 Meter abhaken.

Zwei Mal gewann die Südafrikanerin die Goldmedaille über 800 Meter, doch ihre eigentliche Popularität verdankt die heute 30-Jährige vor allem ihrem Dauerstreit mit dem Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) über die vermeintlich leistungssteigernde Wirkung ihres Testosteronspiegels. Denn Semenya gilt als intersexuell, das heißt, sie besitzt überwiegend das Geschlechtschromosom XY und nicht XX, was zu ungewöhnlich hohen Testosteronwerten führt. Das Urteil des Internationale Sportgerichtshofes (Cas) ist bis heute umstritten: Die Weltklasseläuferin darf bei internationalen Wettkämpfen nicht mehr über Distanzen zwischen 400 m und einer Meile antreten, wenn sie zuvor nicht ihren Testosterongrenzwert sechs Monate lang medikamentös unter fünf Nanomol pro Liter Blut gesenkt hat. Diese Regel erachtet Caster Semenya als diskriminierend und lehnt sie rigoros ab.

 

Auch aus diesem Grund startet die Südafrikanerin jetzt bei der Laufnacht in Regensburg über 5000 Meter. Ihr Ziel ist klar definiert: Die Olympianorm über diese Strecke! Im südafrikanischen Durban lief sie Ende Mai 15:32,15 Minuten und verfehlte den Richtwert für Tokio dabei um 22,15 Sekunden. Sie verbesserte sich aber im Vergleich zu ihrem vorherigen Versuch in Pretoria im April, den sie nach 15:52,28 Minuten beendet hatte, erheblich. Gut möglich, dass bei optimalem Rennverlauf in der Domstadt die 15:10,00 Minuten fallen könnten. Dabei helfen könnten unter anderem die schnelle Rumänin Stella Rutto, Elena Burkard (LG Farbtex Nordschwarzwald) und Denis Krebs (TSV Bayer 04 Leverkusen). "Sie hat sich selbst bei uns angemeldet", erklärt Meetingchef Kurt Ring den überraschenden Start einer der schillernsten Leichtathletikfiguren der vergangenen Jahre in Regensburg. Caster Semenya bringt ihre Tempomacher mit und logiert in der Domstadt auf eigene Rechnung. Der Startschuss erfolgt um 20.35 Uhr.

 

Das zweite Ticket für die Olympischen Spiele wollte an diesem alles andere als normalen Samstag in diesem alles andere als normalen Jahr Lokalmatadorin Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg) lösen. Acht Sekunden fehlten der 23-Jährigen Anfang Mai in Stockholm für die Norm. Das ist ein Wimpernschlag über 10 000 Meter. Nach dem Ausfall des fest eingeplanten Europacups über 10 000 Meter im englischen Birmingham, den der DLV wegen der britischen Corona-Mutante und der damit verbundenen 14-tägigen Quarantäne bei der Wiedereinreise absagte, war guter Rat teuer. Nun hätten die klimatischen Verhältnisse, die am Samstag mit großer Hitze zuschlagen werden, das Unternehmen erneut zur „mission impossible“ gemacht. Deshalb plant Miriam Dattke zusammen mit ihrer Teamkollegin Domenika Mayer auf die kürzeren 5000 Meter um. Zusammen mit der Kenianerin Agnes Mumbua Ngolo (PB: 32:46,30 Minuten) und einer Tempomacherin aus Uganda soll es Richtung neue Bestzeiten gehen.


„Meinen Plan von der ersten 27-er Zeit muss ich wohl verschieben, um Olympia geht’s bei mir auf der Bahn wohl weniger, und auf der halben Distanz brauche ich auch noch eine schnelle Zeit“, erklärte Simon Boch nach der ersten Enttäuschung über die Birmingham-Absage seine Pläne zur Laufnacht. Die Regensburger Organisatoren haben für ihren männlichen Vorzeigeathleten nun auch über 5000 Meter Tempomacher und auch Gegner organisiert. Mit am Start werden natürlich seine Teamkollegen Tim Ramdane Cherif und Florian Orth sein, auch wenn die unter Umständen nicht so hohe Ziele wie Boch anpeilen können. Sie müssen sich jedoch mit extrem schneller Konkurrenz wie dem Schweden Hassan Suldan (PB: 13:18,01 Minuten) und dem Briten Sam Atkins (PB: 13:18,57 Minuten) auseinandersetzen.


Über 3000 Meter Hindernis fordert der DM-Fünfte Konstantin Wedel (LG Telis Finanz Regensburg) seinen ewigen Widersacher Patrick Karl (TV Ochsenfurt), der in Braunschweig mit neuem Hausrekord von 8:30,63 Minuten) auf Rang vier lief, zur Revanche heraus. Auch Lennart Mesecke (LG Nord Berlin) und der frühere Deutsche U 20-Meister Niklas Buchholz (LSV Höchstadt/Aisch) wollen hier ganz vorne mitmischen.


Einem heißen Langstreckenabend wird ein ebenso spannender Sprint-Nachmittag am Regensburger Weinweg vorauszugehen. Denn für das auf Wunsch von 400-Meter-Bundestrainer Jörg Möckel anberaumte Mixed-Rennen über 4 x 400 Meter geht es ebenfalls darum, quasi auf den letzten Drücker einen Startplatz in dieser neuen Disziplin bei den Olympischen Spielen zu ergattern. Nachdem der erste Versuch bei den World Athletics Relays im polnischen Chorzów Anfang Mai alles andere als optimal verlief, wollen es die schnellen Viertelmeilerinnen und -meiler diesmal in der Domstadt in absoluter Bestbesetzung versuchen. Das heißt, dass im deutschen Mixed-Quartett auf jeden Fall die frischgebackene Deutsche Meisterin und frühere Regensburgerin Corinna Schwab laufen wird.


Über 400 Meter sollte die Deutsche U 18-Meisterin Anna Hense (LG Olympia Dortmund) ebenso für eine schnelle Zeit gut sein, wie ihre männlichen Kollegen Fabian Dammermann (LG Osnabrück) und Aurelio Maulana (LAC Erdgas Chemnitz). Über 400 Meter Hürden will Sophie Ochmann (LG Telis Finanz) nach ihrem rasanten Leistungssprung den nächsten Schritt in Richtung deutsche U 20-Spitze gehen, während sich über 200 Meter die schnellen Telis-Frauen Mona Mayer, Maike Schachtschneider und Sabrina Hafner mit der früheren Ingolstädterin Alica Schmidt (SSC Berlin) auseinandersetzen dürfen. Hafner sowie Tina Benzinger (LG Stadtwerke München) setzen neben Leonie Kluwig und Laura Thomsen (beide SSC Berlin) aus bayerischer Sicht die Akzente in einem starken 100-Meter-Feld bei den Frauen, während bei den Männern vor allem der junge Sascha Babel (LG Forchheim) – eigentlich ein Kurzhürdler, der aber immer mehr im Kurzsprint für Aufsehen sorgt – neben dem Österreicher Klaus Grünbart zu beachten sein wird. Gerade deshalb wird der Nachmittag auch zu einem Schaulaufen für den Sprint-Nachwuchs mit einer hohen Anzahl an Meldungen sowie recht hoffnungsvollen Talente, von denen einige in nicht allzu langer Zeit auch ihren Platz im Startfeld der Sparkassen-Gala finden werden.

 

Dass die Laufnacht diesmal auch Sprungwettbewerbe ins Programm aufgenommen hat, bietet die Chance, einen der besten deutschen Nachwuchsweitspringer,der noch dazu aus der Region stammt, live am Weinweg erleben zu können. Von seinem Wohnort Mindelstetten aus muss Simon Batz (LG Landkreis Kelheim) nicht einmal weit fahren. Nachdem der 18-jährige Deutsche Hallen-Vizemeister der Männer erst am vergangenen Sonntag im Münchner Dantestadion mit 7,74 Meter eine neue überragende Bestleistung aufstellen konnte, will er nun in Regensburg den acht Metern erneut ein Stückchen näher rücken.