DLV-U 18-Gala Kassel: Sieben junge Bayern melden Ansprüche auf EYOF-Teilnahme an
Das EYOF findet vom 23. bis 29. Juli statt. Wie in den DLV-Nominierungsrichtlinien beschrieben, werden die deutschen Leichtathletik-Plätze für diese Multisportveranstaltung über so genannte Trials vergeben. Dieses Verfahren wird bereits seit Beginn des 20. Jahrhundert angewandt, um die amerikanischen Olympia-Startplätze zu verteilen. Nur wer bei einem Ausscheidungswettkampf vorne ist, darf bei den Olympischen Spielen antreten. Dieses Vorgehen sorgt seit jeher für enorme Spannung bei Zuschauern sowie Athleten und führt regelmäßig zu der ein oder anderen überraschenden Nominierung. Gleichzeitig zeichnen sich hin und wieder auch Dramen ab, wenn teilweise Weltrekordhalter ihr sicher geglaubtes Olympiaticket verlieren, weil sie am entscheidenden Tag patzen, unglücklich stürzen oder verletzungs- oder krankheitsbedingt fehlen.
Hohe Auswahlkriterien für ein attraktives Ziel
Für die deutschen Nachwuchssportlerinnen und -sportler mit EYOF-Ambitionen ist es fast noch kniffliger: Maximal ein Athlet pro Disziplin und insgesamt maximal 28 Leichtathleten können vom DOSB für das Saisonhighlight im U 18-Bereich vorgeschlagen werden. Diese begehrten Plätze werden anhand vorgegebener Kriterien vom DLV ausgewählt. Was kompliziert klingt, gestaltet sich in der Praxis wie folgt: Um die Chance auf einen EYOF-Platz zu bekommen, muss man laut Nominierungsrichtlinien…
- eine vorgegebene Mindestleistung erfüllen,
- bei der DLV U18-Gala gewinnen und
- zu den 28 aussichtsreichsten Kandidat:innen (laut europäischer Bestenliste) gehören.
Erfüllt man diese Voraussetzungen wird man vom DLV vorgeschlagen und letztlich hebt der DOSB noch den Daumen, wenn alle Formalien erfüllt wurden.
Jakob Kemminer hält dem Druck stand
Nun wurden die besten Leichtathleten der Jahrgänge 2006 und 2007 nach Kassel eingeladen, um sich – im Rahmen der Hessischen Landesmeisterschaften – für die Europäischen Olympischen Jugendspiele zu empfehlen.
Angereist mit Zeiten von 10,49 Sekunden über 100 Meter und 21,80 Sekunden über 200 Meter, lag die bei manchen Sportlern unbeliebte Favoritenrolle über die Sprint-Distanzen bei Jakob Kemminer (TSV Ochenbruck). Davon unbeirrt reichten ihm in Kassel 10,67 Sekunden für den Sieg über 100 Meter. Auch über die halbe Stadionrunde setzte er sich im bayerischen Duell – sogar mit deutlicher Steigerung der Bestleistung auf 21,50 Sekunden – knapp gegen den ebenfalls stark sprintenden Cassian Holland-Moritz (LG Stadtwerke München) durch, der 21,53 Sekunden benötigte.
Zwei bayerische Werferinnen beim EYOF?
Schon im ersten Versuch "schockte" Hammerwerferin Johanna Marrwitz (LG Stadtwerke München) ihre Konkurrentin mit einer Steigerung ihrer Bestweite 69,61 Meter. Was war passiert? Nova Kienast (SV Preußen Berlin) erzielte Ende Mai mit herausragenden 70,91 Metern eine neue deutsche U 18-Bestleistung und stand für so manchen Experten schon mit einem Bein im Flieger nach Maribor. Dass Johanna Marrwitz, die momentan ein Pflicht-Praktikum in der BLV-Geschäftsstelle absolviert, sich doch noch gegen die Berlinerin durchsetzen konnte, war die Sensation aus bayerischer Sicht am vergangenen Wochenende. Den Feinschliff für die Steigerung ihrer Bestleistung um mehr als zwei Meter (!) holte sie sich in einem zehntägigen Pfingst-Trainingslager mit ihrer Trainingsgruppe um Heimtrainer Andreas Bücheler in Weißenstadt. Der betont: „Johannas Erfolg ist auch eine Teamleistung der Trainer, bei der Joachim Lipske (DLV-Nachwuchsbundestrainer Hammerwurf) sowie Martin Ständner (BLV-Stützpunkttrainer in Kulmbach) ihren Anteil haben."
Ebenfalls beste Aussichten auf ein EYOF-Ticket hat Speerwerferin Ronja Melzner (LG Stadtwerke München). Auf starke 52,48 Meter beförderte sie ihr 500 Gramm schweres Arbeitsgerät und war mit einem Vorsprung von über sieben Metern eine Klasse für sich. Oder wie es ihr Trainer Jonas Bonewit im Anschluss des Wettbewerbs zu Protokoll gab: „Das hat sie sehr gut gelöst.“
Hoch hinaus für Ella Obeta und Jakob Zimmer
Wie Johanna Marrwitz (FOS Unterschleißheim) und Ronja Melzner (Gymnasium München Nord) besucht auch Hochspringerin Ella Obeta (LG Eckental) eine Eliteschule des Sports im Freistaat: An ihrer Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg könnte der erfolgreiche Wettkampf ein Thema sein: Ella Obeta floppte am 10. Juni über 1,76 Meter und somit sechs Zentimeter höher als alle Konkurrentinnen. Sie war bereits im vergangenem Jahr Teil der Deutschen EYOF-Delegation. 2022 wurde sie mit 1,78 Meter Viertplatzierte beim Jugendfestival in der slowakischen Stadt Banska Bystrica - internationale Erfahrung, die ihr in Maribor helfen dürfte.
Der Stabhochspringer Jakob Zimmer (SV Germering) ist einer der Aufsteiger der Freiluftsaison 2023. Auch in Kassel riss seine Erfolgsserie nicht ab. Mit dem Sieg in 4,75 Meter und einer Saisonbestleistung von 4,95 Metern, womit er aktuell auf Platz vier der europäischen Bestenliste rangiert, sind seine Vorzeichen für einen EYOF-Startplatz positiv. Einen Tag nach dem Wettkampf in Kassel bewies er seine Vielseitigkeit und starte bei den Oberbayerischen Meisterschaften im Weitsprung und mit der Vereinsstaffel.
Harte Normen für begehrte Plätze
Auch auf der 3000-Meter-Strecke könnte ein Bayer die deutschen Farben vertreten. David Scheller (LG Main-Spessart) setzte sich mit einer Zeit von 8:36,42 Minuten über die siebeneinhalb Runden durch. Die Qualifikationsleistung von 8:35 Minuten unterbot der Athlet von Günther Felbinger bereits Mitte Mai in Pliezhausen, wo ihm mit 8:34,42 Minuten eine Punktlandung glückte.
Der Instagram-Post des Heimatvereins TSV Zirndorf bringt die Leistung seiner Athletin Carina Beraz auf den Punkt: „… im letzten Versuch sprang sie mit 12,48 Meter über 60 Zentimeter weiter als jemals zuvor. Dabei blieb sie nur zwei Zentimeter unter der Qualifikationsweite für das European Youth Olympic Festival. Damit ist sie nicht nur aktuell auf Platz eins in Deutschland, sondern auch unter den besten 15 Springern in Europa!“ Die Freude über die Leistungsexplosion dürfte dem Wermutstropfen mit der so knapp verpassten Norm überwiegen.
Zahlreiche BLV-Podestplätze
Trotz Bestleistung im Vorlauf (13,71 Sekunden) blieb für Hürdensprinterin Lea Mehringer (LG Oberland) nur der zweite Platz hinter Samita Schatz (Pulheimer SC), die im Finale 13,61 Sekunden sprintete. Auch Benedikt Maurer (SV Germering) hielt sich bei seinem Wettkampf schadlos. Der Dreispringer zeigte gute Versuche und belegte mit 14,20 Meter (bei minimal zu viel Rückenwind) den zweiten Platz. Hinter Lera Miller (VFL Löningen; 6:39,70 Minuten) folgten mit Leni Hanselmann (MTV 1881 Ingolstadt; 6:47,64 Minuten) und Jule Lindner (LG Bamberg; 7:00,91 Minuten) gleich zwei bayerische Läuferinnen über 2000 Meter Hindernis.
Allen Zweitplatzierten bleiben noch Restchancen auf einen internationalen Einsatz, wenn die Kassel-Sieger freiwillig auf einen EYOF-Start verzichten, weil sie zum Beispiel den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock den Vorzug geben, die zur gleichen Zeit stattfinden oder verletzungsbedingt passen müssen.
Clara Hegemann (LG Stadtwerke München), die noch dem jüngeren startberechtigten Jahrgang 2007 angehört, landete im Hammerwurf auf dem dritten Platz (63,25 Meter). Darüber hinaus war sie auch beim Kugelstoßen mit von der Partie und wurde mit 14,16 Meter Vierte.
Diskuswerfer Tobias Stiastny (SpVgg Auerbach/Streitheim) schleuderte seinen Diskus auf 55,93 Meter und errang damit den Bronzerang. Die Scheibe von William Wolzenburg (TV Wattenscheid 01) flog mit 62,26 Meter am Weitesten, womit er Favorit Kelson De Carvalho (LG Steinlach-Zollern) ausstach. Hochspringer Keon Schmidt-Gothan (LG Stadtwerke München) belegte mit seiner Saisonbestleistung von 1,93 Meter ebenfalls den vierten Platz. Marc Weidenbach (LG Stadtwerke München) steigerte sich über die 400 Meter ganz erheblich auf nun 49,35 Sekunden und kam auf den fünften Rang.
Der als Jahresschnellster angereiste Maximilian Schreiber (LG Sempt) zeigte mit 14,14 Sekunden über 110 Meter Hürden zwar ein ordentliches Rennen, musste sich in der knappsten Entscheidung des Tages diesmal allerdings mit dem vierten Platz zufriedengeben. Aber auch das gehört – wie eingangs erwähnt – zu Trials dazu.
Diejenigen, die diesmal das Nachsehen hatten, haben bei der DJM in Rostock höchstwahrscheinlich nun etwas bessere Chancen auf Edelmetall, sind doch zumindest 28 Titel-Aspiranten nach Maribor ausgeflogen.