DM Braunschweig, Teil 2: Fabienne Kohlmann und Susi Lutz als bayerische Goldmädels
„Machen Sie sich keine Sorge“, beruhigte ZDF-Moderator Wolf-Dieter Poschmann bei der Liveübertragung am Sonntagnachmittag die Zuschauer. „Das sieht bei Fabienne Kohlmann immer so aus. Sie fängt langsam an und kommt dann am Schluss ganz stark.“ Der Ex-Leichtathletik sollte natürlich recht behalten. Obwohl das 400-Meter-Hürden-Finale doch zu einem harten Stück Arbeit für Kohlmann geriet. Zuvor hatte alles auf eine leichte Aufgabe für die Karlstädterin hingedeutet, die vor dem Wochenende mit mehr als einer Sekunde Vorsprung die deutsche Jahresbestenliste anführte. Dann wurde es aber doch um einiges enger als gedacht. „Ich musste kämpfen“, bekannte Fabienne im Ziel. „Ich war überrascht von Jill Richards.“ Die Berlinerin verbesserte ihre persönliche Bestzeit um rund eine halbe Sekunde auf 56,34 Sekunden. Damit lag sie nur zwei Zehntel hinter Fabienne Kohlmann, die in 56,14 Sekunden an der geforderten zweiten EM-Normerfüllung (56,00 Sekunden) vorbeischrammte, aber davon ausgeht, dass sie von den Leistungssportverantwortlichen im DLV auf dieser Strecke für Barcelona nominiert wird.
So war die Schlussphase des Rennens durch die unerwartet starke Gegenwehr von Jill Richards für die 17 500 Zuschauer genauso spannend wie für die neue Titelträgerin selbst. „Ich hatte zwar damit gerechnet und gehofft, dass ich nach der achten Hürde niemanden mehr neben mir habe. Ich freue mich aber darüber, dass ich nicht mehr wie sonst so alleine vorne bin. Jetzt musste ich auf der Zielgeraden noch einmal Gas geben.“ Dass es nicht ganz zu der angestrebten Zeit unter 56 Sekunden reichte, lag auch am Gegenwind, der auf den letzten hundert Metern herrschte. „Das war wie eine Wand“, sagte Fabienne Kohlmann, die ihren ersten Titel bei den Frauen einheimste. Mit Blick zur EM könnte der Gegenwind für die 20-Jährige zumindest aber auch zum mentalen Rückenwind werden. „Ich weiß, was ich kann und es ist nicht so schlimm, dass ich das jetzt nicht gezeigt habe.“ Zeigen will sie es in Barcelona, wo sie ihre Bestzeit von 55,75 Sekunden angreifen möchte.
Susi Lutz: „Bin in meinem Leben noch nie so gespurtet!“
In Abwesenheit von Antje Möldner (SC Potsdam) und Verena Dreier (LG Sieg) war das Titelrennen über 3000 Meter Hindernis bei den Frauen völlig offen. Die Gunst der Stunde nutzte wie erhofft Susi Lutz. Die Regensburgerin lief mit 10:09,20 Minuten zur ihrem ersten Hindernistitel. „Ich habe auf den letzten 500 Metern Gas gegeben und bin so gespurtet wie noch nie in meinem Leben“, freute sich die Dritte der U 23-EM des Vorjahrs. „Wir sind alle sehr lange in einer Gruppe gelaufen und da habe ich dann versucht, nicht zu viel Kraft zu verpulvern. 500 Meter vor Schluss habe ich dann richtig Gas gegeben. Das Saisonziel ist erreicht und ich bin sehr glücklich. Für uns alle ist es sehr tragisch, dass Antje Möldner so krank ist und auf diesem Weg will ich ihr auch alles Gute wünschen. Aber für uns jungen Läuferinnen ist das auch eine kleine Chance und die habe ich heute genutzt.“ Die Europameisterschafts-Norm von 9:48,00 Minuten geriet aber nicht in Gefahr. Auch Julia Hiller (LAC Quelle Fürth), die 2008 schon 9:42,72 Minuten gelaufen war, kam als Vierte mit 10:19,30 Minuten nicht an diesen Wert heran. Bei ihr wirkte sich noch ein Trainingsrückstand vom Winter wegen ihres Examens aus.
Dafür konnte sich ihre Teamkameradin Anne Kesselring über Silber über 1500 Meter freuen. Die erst vor wenigen Wochen von einem einjährigen USA-Aufenthalt zurückgekehrte mittelfränkische Läuferin überspurtete nach kluger Renneinteilung auf der Zielgerade noch Elina Sujew (SC Potsdam) und durchbrach mit ihren 4:17,17 Minuten die Phalanx der beiden Sujew-Schwestern, die eigentlich gemeinsame Sache machen wollten und jeweils eine Runde die Führungsarbeit übernahmen. Nachdem die Mitfavoritin und Titelverteidigerin Denise Krebs (TV Wattenscheid 01) bei 600 Metern aus dem Rennen aussteigen musste, liefen Diana und Elina Sujew alleine vorneweg. Schnell wurde deutlich, dass Diana diesmal die Schnellere sein würde. Sie führte schon bei 400 Metern das Feld an, erhöhte schließlich noch einmal das Tempo und holte sich mit neuer persönlicher Bestleistung von 4:13,69 Minuten ihren ersten deutschen Freilufttitel. Die EM-Norm von 4:08,00 Minuten war für die Läuferinnen kein Thema.
Philipp Pfliegers Tempoarbeit mit Bronze belohnt
Gegenseitig ihre Medaillen vergleichen durften am Sonntag auf der Rückfahrt nach Regensburg die Mitglieder einer überaus erfolgreichen Lauf-Lebensgemeinschaft. Während Susi Lutz mit Gold dekoriert wurde, langte es für ihren Freund Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) immerhin noch zu Bronze im 5000-Meter-Endlauf. Pflieger hatte zwischenzeitlich mutig das Tempo verschärft, konnte aber dem finalen Antritt von Arne Gabius (LAC asics Tübingen) nicht mehr ganz folgen und kam mit 13:54,03 Minuten auf den dritten Podestplatz. Immerhin ließ der Regensburger noch den amtierenden 10 000-Meter-Europameister Jan Fitschen (TV Wattenscheid 01; 13:55,16 Minuten) hinter sich. Zweiter wurde Arne Gabius’ Vereinskamerad Filmon Ghirmai (13:53,43 min). Obwohl es für den Hindernisspezialisten weder zum Titel noch zur EM-Norm von 13:35,00 Minuten reichte, wird er in Barcelona dabei sein. Denn im Finale ging es auch um den dritten EM-Startplatz über 10 000 Meter neben Jan Fitschen und Christian Glatting (beide TV Wattenscheid 01). Den sicherte sich der Schwabe im direkten Duell mit Musa Roba-Kinkal (TV Wattenscheid 01), der trotz Bestzeit von 13:57,35 Minuten nur Rang fünf belegte. Auf dem zehnten Platz kam Richard Friedrich (LG Passau) mit neuer persönlicher Bestleistung (14:09,28 Minuten) ins Ziel, während der zwölfte Rang von Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München) in 14:16,46 Minuten eher eine Enttäuschung darstellte.
Keineswegs enttäuscht muss dagegen David Gollnow (TSV Erding) nach dem Endlauf über 400 Meter Hürden sein, obwohl er sich nach der besten Vorlaufzeit vom Samstag (50,47 Sekunden) durchaus mehr als den fünften Rang in 50,97 Sekunden ausgerechnet hatte. Vielleicht begann Gollnow auch nach der Devise „Alles oder nichts“ ein wenig zu forsch und hatte am Schluss keine Körner mehr, um in den Kampf um die Medaillen einzugreifen. Am Ende entschied die Winzigkeit von einer Hundertstelsekunde über den Titel. Der Dresdner Georg Fleischhauer fing auf der Zielgeraden noch seinen Vereinskameraden Silvio Schirrmeister ab und wurde mit neuer persönlicher Bestleistung von 50,11 Sekunden Deutscher Meister.
Fährt Jonas Plass mit dem Staffelpool nach Barcelona?
Als es auf den letzten Metern darum ging, die Medaillen sowie den Kampf um die Staffelplätze für die EM in Barcelona auszumachen, hatte Jonas Plass (asics Team Wendelstein) einmal mehr das Nachsehen. In guten 46,56 Sekunden musste er sich ebenso wie David Gollnow mit dem undankbaren fünften Rang zufrieden geben. Die bange Frage wird erst am Montag beantwortet sein: Nimmt der DLV Plass als fünften Mann im Staffelpool über 4 x 400 Meter mit zur EM nach Barcelona? Hinter Sieger Kamghe Gaba (LG Eintracht Frankfurt; 45,92 Sekunden) sicherte sich Thomas Schneider (SC Potsdam) in 46,25 Sekunden die Silbermedaille. Im Rennen um Bronze setzte sich Eric Krüger durch. Der Magdeburger hatte mit 46,52 Sekunden eine Hundertstel Vorsprung vor dem stark verbesserten Wattenscheider Bastian Swillims (46,53 Sekunden).
Ein starkes Aufgebot an bayerischen Frauen bereicherte das Speerwurffinale. Doch weder Sandra Schaffarzik (ESV Nürnberg-Rangierbahnhof; Sechste mit 54,84 Meter), noch Susanne Rosenbauer (TSV Schwaben Augsburg; Siebte mit 54,20 Meter), Sarah Leidl (1. FC Passau; Neunte mit 49,52 Meter) oder Annelie Schrader (MTV 1881 Ingolstadt; Elfte mit 45,77 Meter) hatten mit der Vergabe der Medaillen etwas zu tun. Haarscharf an Edelmetall vorbei lief Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) über 1500 Meter. In einem keinesfalls schnellen Rennen wäre mit etwas Glück durchaus ein Podestplatz für ihn oder auch Falko Zauber (LAC Quelle Fürth) möglich gewesen. So jedoch gewann der Favorit Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) in 3:45,44 Minuten vor Moritz Waldmann (LG Hannover) und dem Magdeburger Arthur Lenz (3:47,58 Minuten). Orth wurde in 3:48,35 Minuten undankbarer Vierter, hauchdünn vor Zauber auf dem fünften Rang (3:48,36 Minuten).
Lipske starker Fünfter im Hammerwurf
Zu Beginn der Dreisprungkonkurrenz durfte sich Manuel Ziegler (LG Telis Finanz Regensburg) durchaus noch Hoffnungen auf eine Medaille machen. Doch nach sechs Durchgängen Hop, Step und Jump blieb dem Abiturienten lediglich der sechste Rang in 15,55 Metern sowie die Erkenntnis, dass für Bronze 23 Zentimeter (Daniel Kohle, LG Ratio Münster) und für Silber nur ein Zentimeter mehr fehlten (Matthias Uhrig, VfL Sindelfingen). An der Titelverteidigung von Andreas Pohle (ASV Erfurt; 16.28 Meter) gab es freilich nichts zu rütteln. Als absoluten Achtungserfolg darf dagegen Jerrit Lipske (LG Stadtwerke München) seinen fünften Platz in der Hammerwurfkonkurrenz werten. Mit 69,47 Meter nutzte Lipske den guten Braunschweiger Ring und blieb nur um winzige zwei Zentimeter unter seiner persönlichen Bestleistung. Bei Robert Dippl (LAC Quelle Fürth) begannen freilich wieder die Rechenspiele. Hätte er eine Leistung im Bereich seines erst vor drei Wochen erzielten Hausrekordes abrufen können, wäre vielleicht Platz vier (Candy Bauer; 19,08 Meter) als Endergebnis herausgesprungen. So jedoch belegte Dippl mit 18,70 Meter den sechsten Rang, ebenso wie seinen Vereinskollegen Martin Conrad (1:51,80 Minuten) und Sandra Keil (2:08,57 Minuten) über 800 Meter.
Zufrieden können Bayerns 200-Meter-Sprinter mit ihrer Leistung bei den jeweiligen Finals sein. Florian Rentz (LG Stadtwerke München) wurde in 21,76 Sekunden Siebter (Vorlauf: 21,49 Sekunden) und Rebekka Eberle (TV 1860 Gunzenhausen) Achte in 24,47 Sekunden (Vorlauf: 24,30 Sekunden). Tobias Unger verzichtete auf einen Start, musste aber schließlich komplett mit leeren Händen Braunschweig verlassen. Bis zum letzten Wechsel über 4 x 100 Meter hatte es so ausgesehen, als könnte das Quartett der LG Stadtwerke München mit Rentz, Marius Broening und Unger die Wattenscheider gefährden. Eine verkorkste Übergabe von Unger auf Schlussläufer Maximilian Panthen machte aber alle Medaillenträume der Bayern zunichte. Die LG Karlstadt-Gambach-Lohr gewann in 41,82 Sekunden das C-Finale und wurde zudem im Gesamtklassement Fünfter. Die Frauen-Staffel der LG Stadtwerke landete in 47,38 Sekunden auf Rang acht, gefolgt vom 1. FC Passau als Neunte (48,84 Sekunden). Die 4 x 400 Meter-Läuferinnen des LAC Quelle Fürth kamen in der Zeit von 3:49,94 Minuten als gute Fünfte ins Ziel.
Bei den Jugend-Staffelentscheidungen gab es jeweils Bronze für die DJK Friedberg über 4 x 400 Meter bei den Jungs (3:19,36 Minuten) sowie über 3 x 1000 Meter für den TSV Höchstadt/Aisch in 7:24,95 Minuten. Auf Platz sieben über 3 x 800 Meter trugen die Mädchen des Teams Isartal den Staffelstab durchs Ziel (6:53,81 Minuten), die LAC Quelle Fürth (6:53,87 Minuten) wurde Achte.