Sparkassen-Gala Regensburg: Bayerns Athleten mischen beim Buhlen um EM-Normen kräftig mit
Abermals steigern konnte sich in seinem erklärten Lieblingsstadion in Regensburg Hochspringer Tobias Potye (LG Stadtwerke München). Nachdem er erst am Mittwoch in seinem Heimatort Aschheim die EM-Norm von 2,26 Meter übersprungen hatte, konnte sich der frühere U 20-Europameistern nun erneut um einen Zentimeter auf 2,27 Meter nach oben arbeiten, und das gleich im ersten Versuch. Danach ließ er 2,30 Meter auflegen, wobei vor allem der letzte Sprung überaus vielversprechend aussah.
"Jetzt weiß ich, wie sich das anfühlt, so hoch zu springen", sagte Tobias Potye. "Ich mache das nach dem Salami-Prinzip. Immer ein bisschen mehr." Natürlich sei die EM in Berlin ein enormer Motivationsschub für ihn, weshalb er auch einige Faktoren im Training umgestellt habe. Neben seinem regulären Trainerteam Manfred Knopp und Sebastian Kneifel kümmert sich nun mit Max Mühlbauer auch ein ausgewiesener Fachmann für das Krafttraining am Olympiastützpunkt München um die Explosivität des derzeit zweitbesten deutschen Hochspringers. Die 2,27 Meter bedeuten gleichzeitig auch die Verbesserung des alten bayerischen Rekordes von Toni Riepl (SF Essing), der 1993 über 2,26 Meter gefloppt war.
Zwei Viertelmeiler aus Bayern dominieren
Auf der Stadionrunde warf in einem rein bayerischen Duell der Deutsche Vizemeister Patrick Schneider (LAC Quelle Fürth) seinem Kontrahenten und Deutschen Meister Johannes Trefz (LG Stadtwerke München) den Fehdehandschuh hin. Der Mittelfranke Schneider sah auf der Zielgeraden über 400 Meter lange wieder Sieger aus, bis der Oberbayer Trefz (46,37 Sekunden) auf den letzten Metern seine ganze Routine ausspielte und noch an Schneider (46,47 Sekunde) vorbeizog. Wie gut die Form von Schneider ist, zeigten seine 200 Meter in 21,16 Sekunden, die er wenig später präsentierte.
Nicht nur etablierte Starter aus dem Freistaat könnten bei der Leichtathletik-Europameisterschaft an den Start gehen, auch zwei junge Damen aus Amberg haben Chancen, nach Berlin zu kommen. Die 19-Jährige Corinna Schwab (TV 1861 Amberg) steigerte bei der Gala hinter der starken Nadine Gonska (52,60 Sekunden) ihre Saisonbestzeit auf 53,31 Sekunden und sollte zumindest für die deutsche Staffel eine Kandidatin sein. Für Katrin Fehm (ESV Amberg) kam das Thema EM gänzlich unverhofft. Am 26. Mai hatte sie in Weinheim in ihrem ersten Frauenjahr ihre bisherige Bestleistung über 200 Meter von 23,49 Sekunden gleich auf 23,15 gedrückt – ein satter Sprung und exakt die nötige EM-Norm. „Ich habe erst einmal Zeit gebraucht, um das zu verdauen“, berichtet Fehm. „Natürlich kreist die EM jetzt im Kopf. Aber bei unserer Dichte im Sprint darf man die Erwartungen nicht zu hoch schrauben, sonst ist man enttäuscht, wenn es nichts werden sollte.“ In Regensburg bestätigte sie in 23,33 Sekunden ihre Topzeit („meine zweitbeste Zeit“) – und war im Endspurt 45 Minuten nach dem Einsatz in der DLV-II-Staffel, die in 43,22 Sekunden immer noch die EM-Norm unterbot, ein wenig müde. „Man kann einfach nicht alles haben. Ich war das erste Mal Schlussläuferin und dafür war’s ganz gut."
Über 400-Meter-Hürden verfehlten Comebacker Tobias Giehl und Michael Adolf (beide LG Stadtwerke München) die Berlin-Norm (50,00 Sekunden) mit 51,35 beziehungsweise 52,45 Sekunden zwar deutlich, doch die Formkurve der beiden zeigt nach oben. Bei den Frauen feierte Mareen Kalis (LG Stadtwerke München) in der Laufnacht über 800 Meter in 2:08,30 Minuten einen ungefährdeten Sieg.
Sprinter setzen die Akzente
Zwei Mal Gegenwind und dennoch zwei Top-Läufe: Tatjana Pinto (LC Paderborn) ist in bestechender Form. 11,11 Sekunden im Vorlauf (-0,1 m/sec) und 11,14 Sekunden im Finale (-0,4 m/sec), das die 26-Jährige vor der Britin Imani-Lara Lansiquot (11,24 sec) und Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge; 11,39 sec) gewann, lassen für die kommenden Wochen Einiges erwarten.
"Ich bin zufrieden", meinte Tatjana Pinto lächelnd zur zweitbesten Zeit ihrer Karriere und der drittbesten in Europa in diesem Jahr. "Im Vergleich zur Vorwoche in Weinheim war das technisch schon erheblich besser." Ohne der endgültigen Nominierung des DLV vorgreifen zu wollen, steht die EM in Berlin schon fest bei ihr im Wettkampfplan. "Dort will ich meine Top-Leistung bringen. Wir haben auch mit der Staffel große Ziele", kündigte sie an. Um dann noch mit dem charmantesten Siegerlächeln zu prognostizieren: "Es wird schnell werden..."
42,24 Sekunden für die deutsche Sprintstaffel
Was sie fast vier Stunden später mit dem deutschen 4x100-Meter-Quartett mit Rebekka Haase, Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01) – die im 100-Meter-Vorlauf in 11,35 Sekunden EM-Norm gerannt war – und Gina Lückenkemper (TSV Bayer 04 Leverkusen) bereits eindrucksvoll unter Beweis stellte. Mit 42,24 Sekunden und durchaus noch ausbaufähigen Wechseln stürmten die Frauen zu einer neuen europäischen Jahresbestleistung und der schnellsten Zeit der Welt einer Nationalstaffel. Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim) zeigte schließlich noch über 200 Meter, dass mit ihr in diesem Jahr zu rechnen ist: 23,14 Sekunden bedeuteten auch für sie die EM-Norm in dieser Disziplin.
"Nach den 120 Metern in der Staffel habe ich gespürt, dass meine Beine müde waren. Diese fehlende Spritzigkeit lag aber nicht an der Form, sondern an der harten Trainingswoche", erklärte Gina Lückenkemper ihren Verzicht auf dieses Rennen. "Es standen vor Regensburg nämlich noch einige intensive Einheiten an."
Michael Pohl überrascht als schnellster Deutscher
Lucas Jakubczyk (SCC Berlin) oder Julian Reus (LAC Erfurt)? Knapp daneben. Michael Pohl (Sprintteam Wetzlar)! Dass der 29-Jährige Regensburg als aktuell schnellster Mann Deutschlands verlassen würde, damit hatten allenfalls Insider gerechnet. Obwohl sich Pohl nach dem Vorlauf (10,52 Sekunden) nur für das B-Finale qualifizieren konnte, blieben die Uhren dort für ihn bei 10,22 Sekunden stehen. EM-Norm!
Im Vorlauf hatte Jakubczyk bereits 10,24 Sekunden vorgelegt und die Norm aus Jena bestätigt, im A-Finale wurde der Berliner Zweiter (10,28 Sekunden), hauchdünn hinter dem Briten Richard Kilty (10,26 Sekunden). Grund zur Freude gab es auch für den Österreicher Markus Fuchs, der mit 10,35 Sekunden die EM-Norm seines Landesverbandes erfüllte. Julian Reus verzichtete nach 10,47 Sekunden im Vorlauf auf das Finale.
Eine ganz enge Kiste auf hohem Niveau war das 100-Meter-Hürden-Finale der Frauen, bei dem es erneut zwei EM-Normen zu feiern gab. Franziska Hofmann (LAC Erdgas Chemnitz) und Ricarda Lobe (MTG Mannheim) warfen sich fast gemeinsam über den Zielstrich und landeten mit 13,00 beziehungsweise 13,01 Sekunden nur knapp oberhalb des Zwölfer-Bereiches.
Christoph Kessler steigert sich deutlich
Die nächste EM-Norm gab es über 800 Meter, wo Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe) in einem Soloritt von der Spitze weg mit 1:46,11 Minuten ein deutliches Signal Richtung Berlin setzte. Etwas abgeschlagen kamen der Südafrikaner Henko Uys (1:47,56 min) und der Deutsche Meister Benedikt Huber (LG Telis Finanz Regensburg) über den Zielstrich, der nach einem Aufgalopp am Samstag bei seinem "Heimspiel" seine Jahresbestmarke immerhin auf 1:47,71 Minuten steigern konnte.
Auch bei der Altersklasse U 18 gab es zwei internationale Normen für die jungen Bayern. Mona Mayer (MTV 1881 Ingolstadt) unterstrich mit einer erneuen Steigerung über 400 Meter auf 54,88 Sekunden als Vierte in der U 20-Konkurrenz, dass sie genauso wie Svenja Pfetsch (SC Vöhringen) zu den U 18-Europameisterschaften nach Györ (Ungarn; 5. bis 8. Juli) möchte. Die Vöhringerin verbesserte sich über 100 Meter auf starke 11,89 Sekunden.
Schwupps – und schon war es wieder vorbei. So ist jedenfalls das Gefühl von Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg), wenn die Laufstrecke mal etwas kürzer wird. „Zwei Runden, das ist komisch“, sagte sie, die es sonst lieber länger mag, über 5000 Meter U-20-Europameisterin ist und über 10 000 Meter gute Karten hat, bei der Europameisterschaft in ihrer Heimatstadt dabei zu sein. Am Wochenende tat die noch 19-Jährige, die stellvertretend für den Umbruch im Leichtathletik-Team der LG Telis Finanz Regensburg steht, das, was zwischendrin immer wieder nötig ist – Dattke testete auf Unterdistanzen. Am Samstag stellte sie bei der Laufnacht in 2:11,06 Minuten über 800 Meter eine neue persönliche Bestleistung über 800 Meter auf und verbesserte die alte Marke von vor drei Jahren um 3,65 Sekunden. Am Sonntag schloss sie über 1500 Meter gut 4:20,55 an. Dattke-Autogramme steigen auch beim Leichtathletik-Nachwuchs schön langsam im Kurs. Die 1500 Meter in der Laufnacht gewann Domenika Mayer (LAC Quelle Fürth) in 4:35,13 Minuten.
Zwei Athleten aus dem Freistaat dominierten den Weitsprung. Tina Pröger (TSV Zirndorf), die sich langsam zu einer sicheren Sechs-Meter-Springerin entwickelt, entschied die Frauenkonkuurenz mit 6,20 Meter überraschend vor der U 20-Europameisterin Tabea Christ (SC Preußen Münster) und David Faltenbacher (LG Stadtwerke München) katapultierte sich auf respektable 7,47 Meter.
Tränenreicher Abschied
Einen tränenreichen Abschied gab es vor großer Kulisse für die mehrfachen Deutschen Meisterinnen Corinna Harrer und Maren Orth, ehemals Kock. Die große Regensburger Leichtathletik-Familie und zahlreiche Zuschauer verabschiedeten die beiden Spitzenathletinnen nach ihrem Rücktritt vom Leistungssport in das "reguläre Leben". Ein ausführliches Interview mit Corinna Harrer gibt es in Kürze auf blv-online.