Svenja Pfetsch löste eine "Last-Minute-Ticket zur U 20-EM nach Borås und darf auch auf einen Staffel-Einsatz hoffen.

Luisa Tremel stellte einmal mehr ihr außergewöhnliches Hochsprungtalent unter Beweis und darf sich nun auf einen Start beim EYOF in Baku freuen. Fotos: Claus Habermann

02.07.2019 17:42 // Von: Reinhard Köchl

Bauhaus-Junioren-Gala Mannheim: Mindestens neun Bayern dürfen auf U 20-EM oder EYOF hoffen

Selten waren die Bedingungen für die besten U 20- und U 18-Leichtathleten Deutschlands, sich für eine internationale Meisterschaft zu qualifizieren, schwieriger und härter als in diesem Jahr bei der 26. Bauhaus-Junioren-Gala in Mannheim. Nach 33 Grad am Samstag am Samstag stieg das Thermometer am Sonntag bis auf die 40-Grad-Marke. Hinzu kamen noch einige kurzfristige Änderungen im Qualifikationsmodus. Dennoch erfüllte Bayerns Nachwuchs zum großen Teil die hohen Erwartungen.

Die Freude überwog bei den weißblauen Sportlern, allerdings gab es auch Tränen und enttäuschte Gesichter. Die Bedingungen waren klar: Für die U 20-EM in Borås galt es, sich mit erfüllter Norm und einem Platz unter den Top Drei direkt für die Titelkämpfe in Schweden (18. bis 21. Juli) zu qualifizieren. Gleichzeitig suchten auch die U 18-Jungs und Mädels jeweils einen bundesdeutschen Starter für das Europäische Olympische Jugendfestival (EYOF) in Baku (Aserbaidschan) vom 21. bis 27. Juli.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Das große Ziel erreichten Nick Kocevar (TSV Bad Endorf) über 100 Meter, Mona Mayer (MTV 1881 Ingolstadt) über 400 Meter, Lavinja Jürgens (TSV Kranzegg) im Hochsprung, Nancy Randig (SWC Regensburg) im Hammerwerfen, Elisabeth Hafenrichter (LG Stadtwerke München) im Speerwerfen, Viviane Heilmann (TV DJK Hammelburg) über 400 Meter Hürden und Svenja Pfetsch (SC Vöhringen) über 200 Meter. In der U 18 dürfen sich Hammerwerfer Merlin Hummel (UAC Kulmbach) und Hochspringerin Luisa Tremel (TSV 1909 Gersthofen) Hoffnungen auf eine Nominierung machen.

Mit reichlich Spannung wurden die Sprint-Entscheidungen flach erwartet. Dabei wurden die A-, B- und C-Finals gleich behandelt. In Abwesenheit des Jahresschnellsten Luis Brandner (LAC Erfurt Top Team) - er fehlte verletzungsbedingt - war Simon Wulff (Dresdner SC 1898; 10,45 Sekunden bei +0,3 m/sec) der Schnellste über 100 Meter im B-Finale. 13 Hundertstel trennten am Ende die fünf schnellsten Sprinter im A-Finale, die allerdings hier mit einem Gegenwind von -0,7 m/sec zu kämpfen hatten. Schnellster war Nick Kocevar (TSV Bad Endorf; 10,55 Sekunden) vor Lucas Ansah-Peprah (Hamburger SV; 10,56 Sekunden) und dem vorjährigen U 18-EM-Finalisten Fabian Olbert (LG Stadtwerke München; 10,64 Sekunden). Olbert bleibt deshalb die Hoffnung, wenigstens für die 4 x 100-Meter-Staffel nominiert zu werden.

Das Erfolgsrezept für die Drucksituation von Nick Kocevar: "Ich habe versucht, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Wenn man gegen die europäische Konkurrenz bestehen will, dann muss man sich auch hier beweisen." Allen anderen 100 Meter-Sprintern zollt er Respekt. "Jeder hätte es verdient in Borås zu starten, auch Luis Brandner."

Zum ersten Mal gelang es der Deutschen Hallenmeisterin Mona Mayer (MTV 1881 Ingolstadt) im A-Lauf über 400 Meter gegen die U 18-Vizeeuropameisterin Marie Scheppan (LC Cottbus; 54,20 Sekunden) die Oberhand zu behalten. Der Lohn war der dritte Gesamtplatz und als beste Deutsche eigentlich die fixe Nominierung für Borås. Allerdings zog sich Mayer tags darauf in der deutschen 4 x 400 Meter-Staffel bei Glutofentemperaturen eine Verletzung im Oberschenkel zu, die einen Start in Schweden allem Anschein nach von einem Leistungsnachweis abhängig machen wird.

Jürgens, Hafenrichter, Heilmann und Pfetsch erreichen ihre Ziele

Eine Bank ist seit Jahren Hochspringerin Lavinja Jürgens. Auch in Mannheim löste die Deutsche U 20-Hallenmeisterin mit einem Satz über 1,79 Meter abermals die Fahrkarte zu einer internationalen Meisterschaft. Die Norm von 1,82 Meter hatte sie ebenso wie Maike Schuster (LAV Kassel) schon in der Tasche. Hinter Siegerin Samantha Borutta (TSG Mutterstadt; 62,34 Meter) untermauerte Hammerwerferin Nancy Randig mit 58,88 Meter ihre Anwartschaft auf einen Startplatz bei der U 20-EM. Auch sie hatte die Norm bereits vorher in der Tasche. Im Speerwerfen kam Elisabeth Hafenrichter, die am 1. Juni in Halle/Saale die EM-Norm mit 51,49 Meter überwofen hatte, auf den wichtigen dritten Rang mit 49,67 Metern.

Nicht ihren allerbesten Tag erwischt hatte Viviane Heilmann über 400 Meter Hürden. Nach strapaziöser Abiturzeugnis-Verleihung kam sie nach einigen Fehlern mit 62,51 Sekunden nur auf Rang sieben ein. Kein Beinbruch, da auch sie bereits die Norm erfüllt hatte und in Deutschland in der U 20 derzeit nahezu konkurrenzlos dasteht. Einen hervorragenden Eindruck im Schatten der neuen U 18-Weltrekordlerin Amy Hunt (Großbritannien), die die 200 Meter in sagenhaften 22,42 Sekunden heruntertrommelte, hinterließ Svenja Pfetsch. Mit persönlicher Bestleistung von 23,82 Sekunden buchte sie als beste Deutsche sozusagen "Last Minute" das Ticket für die U 20-EM. Über 100 Meter hatte sie ihren Hausrekord tags zuvor bereits auf 11,66 Sekunden im Vorlauf gesteigert, allerdings im Finale mit 11,82 Sekunden nur Gesamtplatz 14 belegt.

Stark auch Svenja Pfetschs Staffel-Vorstellung: Zwei der drei deutschen 4 x 100-Meter-Quartette kamen in die Wertung, aber nur eine erfüllte die EM-Norm (45,70 Sekunden). Mit Kathleen Reinhardt (VfB Stuttgart), Amelie Dierke (Werderner TB) und Sina Kammerschmidt (TG Worms) kam die Vöhringerin auf Position zwei mit 45,17 Sekunden ins Ziel. Bei den Jungs bleib die zweite DLV-Vertretung mit Nick Kocevar und Fabian Olbert mit 40,30 Sekunden ebenfalls unter der U 20-EM-Norm.

Merlin Hummel und Luisa Tremel wollen nach Baku

Wo Baku liegt, dürfte Merlin Hummel schon vorher gewusst haben. Nun machte er in Mannheim auch endgültig seinen Startplatz im Nationaltrokot klar. Mit starken 77,34 Metern entschied er das Duell gegen seinen ewigen Konkurrenten Sören Hilbig (VfR Evesen) für sich. Ein EYOF-Ticket machten auch die Hochspringerinnen aus: Nur zwei meisterten die Normhöhe von 1,76 Meter – Luisa Tremel und Enatoh Blessing (TSV Spandau). Die nächste Höhe von 1,79 Meter meisterte im dritten Anlauf nur Tremel, die nun für Baku vorgeschlagen wird. Sie hatte aber noch nicht genug und ließ 1,82 Meter auflegen. Noch war die neue Bestleistung etwas zu hoch, sie riss drei Mal.

Trotz ambitionierter Pläne haderten einige Athleten aus Bayern auch mit ihrem Schicksal. Selina Dantzler (LG Stadtwerke München), immerhin letzte U 18-Weltmeisterin im Kugelstoßen, kam nach diversen Verletzungsproblemen und trotz einer erfüllten Norm - allerdings in den USA außerhalb des Nominierungszeitraumes - auf Platz vier mit 14,95 Meter. Über 400 Meter war der heuer stark verbesserte Vincente Graiani (LG Stadtwerke München) trotz einer starken Leistung in der zweiten DLV-Staffel über 4 x 400 Meter nach 48,35 Sekunden uns Rang sechs nicht zufrieden. Oliver Naaß (TV 1860 Gunzenhause) wurde im Stabhochsprung mit 4,60 Meter Neunter. Trotz Normerfüllung zuhause bleiben muss Speerwerfer Linus Limmer (LG Stadtwerke München). In Mannheim kam er über den achten Rang mit 66,05 Metern nicht hinaus.

Verhalten mit zwei Ungültigen und einem verunglückten Vier-Meter-Satz war der DLV-Jahresbeste Bennet Vinken in den Weitsprung-Wettkampf der Gruppe A gestartet. Doch im fünften Versuch übernahm der Hamburger, der neben Zehnkämpfer Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen) der einzige Norm-Erfüller im Vorfeld war, mit 7,54 Metern (+0,2 m/sec) die Führung. Diese musste er am Ende dann an Yannick Wolff (LG Stadtwerke München) abgeben, der im letzten Versuch ebenfalls auf 7,54 Meter (+2,3 m/sec) kam und einen besseren zweiten Sprung hatte. So oder so: Die Norm für Borås wäre bei 7,55 Meter gelegen . . .

Unbedingt nach Baku wollten Florian Knerlein und Cassandra Bailey (beide LG Stadtwerke München). U 18-Mann Knerlein gab im ersten Zeitlauf über 200 Meter alles und stürzte nach schnellen 21,09 Sekunden ins Ziel. Er hatte großes Pech: Bei seiner letzten EYOF-Chance blies der Wind minimal zu viel (+2,5 m/sec). Seine Bestzeit von 21,64 Sekunden hatte bis dato noch nicht gereicht, um die Norm (21,60 Sekunden) abzuhaken. Bailey belegte im Kugelstoßen der weiblichen U 18 mit starken 16,68 Meter zwar den zweiten Platz, musste aber die Überlegenheit von Sina Prüfer (Hallesche LA-Freunde) anerkennen, die 17,18 Meter stieß. Und wie schon erwähnt: Nur eine darf nach Baku fahren.