Katharina Trost: „Das Olympia-Feeling kommt mit Sicherheit vor Ort“
Hast du mittlerweile schon realisiert, was deine neue 800-Meter-Bestzeit bedeutet?
Zumindest habe ich schon realisiert, dass ich bei den Olympischen Spielen sein werde und nach Japan mitfahren darf. Dort kann ich sehr selbstbewusst in die Wettkämpfe gehen, weil ich diese Zeit gelaufen bin und dieses Jahr einige gute Rennen hatte. Noch nicht ganz verstanden habe ich, was die Zeit von 1:58,68 Minuten bedeutet. Ich hatte mir die Olympianorm (Anm. d. Red.: 1:59,50 Minuten) auf jeden Fall zugetraut, hätte mich aber schon wahnsinnig über eine Zeit unter zwei Minuten gefreut. Dass es so schnell wurde, ist aber dann doch eine andere Nummer.
Wie ist es dir gelungen, so schnell zu werden?
Während der Saisonvorbereitung im Herbst habe ich mich noch nicht so wohl gefühlt. Auch nach der Hallen-EM (Anm. d. Red.: 5. bis 7. März) hatte ich verhältnismäßig schlechte Ausdauerwerte bei einer Diagnostik am IAT in Leipzig. Dann haben wir im April im Trainingslager in Herxheim relativ viel Ausdauer und Umfang gemacht. Da habe mich rantasten müssen und gemerkt, dass ich das ein oder andere Mal an meine Grenzen komme. Aber wir wurden da wahnsinnig nett von unserem Gastgeber Johannes Eisinger umsorgt und hatten eine super Unterkunft. Nach dem Trainingscamp haben wir das Pensum dann zurückgefahren. Letztlich hat mich wahrscheinlich genau das – dass ich an meine Grenzen gekommen bin und die anschließende Pause – dahin gebracht, um eine solche Zeit laufen zu können. Es hat bei mir eben ein bisschen gedauert, aber als dann die Wettkämpfe angefangen haben, lief es richtig gut.
Wie gestaltest du die nächsten Tage bis zu deinem ersten Rennen am 30. Juli?
Wir fahren am Dienstag mit dem Zug nach Frankfurt und fliegen von dort mit einem Zwischenstopp ins Vorbereitungscamp. Ich freue mich sehr darauf, noch einmal ein bisschen abschalten und runterkommen zu können bzw. nur den Sport im Fokus zu haben. Hier steht noch etwas Training an, aber der Schwerpunkt liegt vor allem auf Regeneration. Erst wenige Tage vor dem Rennen geht es dann nach Tokio.
Wie gehst du deinen Wettbewerb an?
Ich werde in jedem Rennen 100 Prozent geben. Die Olympischen Spiele sind für mich nicht der Wettkampf, um taktisch zu laufen. Im Gegensatz zu Weltmeisterschaften geht bei Olympia in der Regel jeder Vorlauf schnell weg. Für mich ist jedes Rennen mein Endlauf. Ich muss ab der ersten Runde alles geben, um mich für die nächste zu qualifizieren. Und hoffe, dass ich mit dieser Taktik weit komme. Ich möchte auf jeden Fall mutig laufen und ins Halbfinale. Ich wäre schon enttäuscht, wenn ich das nicht schaffe.
Konkret habe ich mir vorgenommen, das erste Rennen so zu gestalten wie bei der WM 2019 in Doha. Da war ich sehr zufrieden, habe mich taktisch klug verhalten und es hat super gut funktioniert. Im Halbfinale möchte ich dann idealerweise noch eine Schippe drauflegen. Ich glaube, da brauch‘ ich mich auch nicht zu verstecken. Klar ist es auch tagesformabhängig. Aber mit der Zeit, die ich gelaufen bin, müsste das möglich sein. Man benötigt auch das Quäntchen Glück – in welchen Vorlauf man gelost wird und wie sich die Konkurrentinnen verhalten. Schließlich steht man nicht alleine auf der Bahn.
Du arbeitest an der Grundschule am Gerner Platz in Puchheim. Musstest du dir Urlaub für die Olympischen Spiele nehmen?
Mir wurde eine Dienstbefreiung bewilligt. Für spezielle Anlässe ist das möglich. Ich habe wahnsinniges Glück mit meiner Schule, meiner Direktorin und dem Schulrat. Sie haben sehr viel Verständnis für den Leistungssport und unterstützen mich wahnsinnig.
Welchen Anteil hat deine Mutter Eva Trost an deinem Erfolg, die mit 2:12,49 Minuten den W 50-Weltrekord über 800 Meter hält?
Meine beiden Eltern haben mich zum Sport gebracht. Ich habe mit sechs oder sieben Jahren mit der Leichtathletik angefangen. Mein Papa (Anm. d. Red.: Werner Trost) war auch lange mein Trainer. Beide kennen mich wie niemand sonst und können meine Leistungen gut einschätzen. Sie unterstützen mich und helfen mir, wenn ich mal mit jemand anderem sprechen möchte als mit meinen Trainern.
Apropos Trainer: Dein Coach Andreas Knauer, der seit Jahresbeginn Mittelstrecken-Bundestrainer ist, wird mit vor Ort sein…
Ja, ich finde es cool, dass Andi mit dabei ist. So hat man ein bisschen das Gefühl vom Training daheim. Zwar komme ich an sich auch gut klar, wenn ich bei internationalen Wettkämpfen auf mich allein gestellt bin, aber gerade bei Olympischen Spielen ist es cool, wenn der Heimtrainer dabei sein kann.
In Tokio gilt bis zum 22. August der Notstand und die Olympischen Spiele finden aufgrund der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen statt. Hast du das Playbook der Organisatoren schon gelesen? Weißt du, wie die Unterbringung sein wird?
Es ist krass, wie viele Infos wir zugeschickt bekommen, gefühlt sind es zehn E-Mails pro Tag. Ich habe Verständnis dafür, dass man in der aktuellen Situation strenge Hygienevorschriften aufstellt und es ist wichtig, dass man sich daran hält.
Ich weiß noch nicht, mit wem ich ins Zimmer komme. Ich schätze aber, dass es Christina sein wird. Wir kommen aus derselben Stadt, aus demselben Verein und wir trainieren gemeinsam. Das wäre unter Corona-Gesichtspunkten eine nachvollziehbare Sache. Zudem wäre es sicher sinnvoll Disziplinen zusammen zu stecken, weil An- und Abreise ja dann ähnlich sein werden.
Wie sehr freust du dich auf die Spiele?
Die Vorfreude ist wahnsinnig groß. Es ist in letzter Zeit viel passiert bei mir in der Schule, im Training und ich bin gleichzeitig auch noch mitten in einem Umzug. Das alles hat mich ein bisschen vom Olympia-Trubel abgelenkt. Ich werde ja schon zehn Tage vor dem ersten Lauf in Japan sein. Dementsprechend habe ich dann noch genug Zeit, um mich aktiv auf den Start vorzubereiten. Das Olympia-Feeling kommt mit Sicherheit vor Ort im Pre-Camp, wenn man mit der gesamten deutschen Mannschaft zusammen ist.
Und wann geht es wieder zurück?
Zwei Tage nach seinem letzten Einsatz muss man heim. Das heißt, die Rückreise richtet sich danach, wann man ausscheidet. Das ist die Bedingung, damit nur eine gewisse Zahl an Menschen im Olympischen Dorf ist.