Julian Reus will bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg Geschichte schreiben
Julian Reus ist der schnellste Mann Deutschlands: 10,05 Sekunden ist seine Bestleistung auf 100 Meter. Lediglich die Hälfte eines Wimpernschlags fehlt, um die magische Grenze zu knacken, unter zehn Sekunden zu laufen und damit Geschichte zu schreiben. „Ab und zu ist diese Zahl natürlich präsent“, gibt der deutsche Rekordler zu, „aber ich weiß, was dafür alles passen muss. Es gibt so viele Faktoren, die da mit reinspielen: die Form, die Temperatur, der Wind, die Bahn und die Zuschauer. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber es ist machbar.“
Von Aufregung ist beim Wattenscheider noch keine Spur. Schwer vorstellbar, denn in Nürnberg werden ihn über 15 000 Fans nach vorne peitschen. „Ich hoffe, die Leute machen ordentlich Stimmung“, freut sich der Blondschopf auf die Atmosphäre im achteckigen Fußballstadion und erklärt mit leuchtenden Augen: „Ich finde es cool, vor so vielen Leuten zu laufen, insofern pusht mich das eher, als dass es mich schlechter macht.“
Die nötige Lockerheit
Diese Gelassenheit strahlte Julian Reus auch beim Pressetermin mit Medienpartner Hit Radio N1 aus. Morningshow-Moderator Florian Kerschner forderte den Sprinter vom TV Wattenscheid 01 zum Duell. Eine willkommene Abwechslung für den 27-Jährigen, der viel lachte, scherzte und den ein oder anderen kessen Spruch parat hatte. „Man muss im Sprint schon konzentriert und fokussiert sein, braucht aber auch die nötige Lockerheit, um schnell rennen zu können“, erklärt der sympathische Hanauer.
Dann fällt der Startschuss. Julian Reus katapultiert sich aus seinem Startblock heraus und zischt fast lautlos auf leisen Sohlen mit kurzen Schritten davon. Obwohl der Modellathlet nur Halbgas gibt, ist das Rennen bereits nach fünf Metern vorzeitig entschieden: Der schnellste Mann Deutschlands hat schon drei Meter Vorsprung und ist Sekunden später fast außer Sichtweite.
„Wie Trabbi gegen Ferrari“
„Es ist, wie wenn dich ein Schnellzug überholt. Wie Trabbi gegen Ferrari. Du fühlst dich, als würdest du stehen, das ist brutal“, staunte Florian Kerschner über die Explosivität seines Nebenmanns. „Im Fernsehen fällt das nicht so auf, weil alle ziemlich ähnlich laufen. Aber der Unterschied ist krass: er läuft, wie eine Gazelle.“
Auch Julian Reus nahm das ungleiche Duell mit viel Humor: „Flo hat sich gut geschlagen, ist Zweiter geworden, eine souveräne Leistung. Es war eine coole Aktion und hat viel Spaß gemacht.“ Danach war der Deutsche Meister auch noch für Schabernack zu haben und spielte seinem Bundestrainer Ronald Stein einen On-Air-Telefonstreich. „Er ist wirklich wahnsinnig entspannt und unglaublich nett. Ein sympathischer Kerl, ganz bodenständig. Mit ihm würde ich am Abend auch ein Bierchen trinken gehen“, sagte Kerschner mit einem Augenzwinkern.
Reus will das Triple
In sieben Wochen wird es dann aber ernst, wenn es im Grundig-Stadion in die Startblöcke geht. Julian Reus spricht von „Nervenkitzel und Adrenalin“, denn „man darf sich keinen Fehler erlauben“. Beim Sprint selbst herrscht dann aber „eine Gedankenlosigkeit. Wenn ich renne, denke ich an nichts“, erklärt der Athlet. Das Training bis zu den Deutschen Meisterschaften ist genau durchgeplant und kalkuliert.
„In den letzten zwei Wochen bereite ich mich dann auch mental auf die Meisterschaften vor“, plaudert Julian Reus, der seine Verletzung zu Saisonbeginn am linken Beuger auskuriert hat, aus dem Nähkästchen. „Ich bin auf einem guten Weg. Den Deutschen Meisterschaften steht nichts mehr im Wege!“
Nach den Goldmedaillen in Ulm in den Jahren 2013 und 2014 soll in Nürnberg dann der ganz große Coup folgen: „Mein Ziel ist, das Triple zu vollenden“, sagt Julian Reus. Und vielleicht auch Geschichte zu schreiben...?