DM Nürnberg, Tag 2: Auf der Tartanbahn bleiben die Bayern eine Bank
Zwar konnten die LG Stadtwerke München, bedingt durch die Verletzungen ihrer Ausnahmeläufer David Gollnow und Tobias Giehl, ihren Titel über 4 x 400 Meter nicht verteidigen und wurden Zweite. Auch Kamghe Gaba musste sich in Nürnberg über 400 Meter mit der Vizemeisterschaft begnügen. Die übrigen Favoriten erfüllten jedoch weitgehend die in die gesetzten Erwartungen. Gab es 2014 in Ulm noch fünf Titel sowie vier dritte Plätze, waren es diesmal vier Mal Gold, drei Mal Silber und zwei Mal Bronze. Einige Wettbewerbe überstrahlten durch ihre "bayerische Dominanz" jedoch nahezu alles.
Über 800 Meter bei den Frauen war es perfekte Teamarbeit. Die neue Deutsche Meisterin Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) zog ihre Trainingskollegin Christina Hering (LG Stadtwerke München) im Finale zur WM-Norm für Peking. Beide blieben mit 1:59,28 und 1:59,54 Minuten unter der magischen Zwei-Minuten-Marke, Fabienne Kohlmann zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit, Christina Hering zum ersten Mal in ihrer Karriere. Kohlmann hatte wenige Tage zuvor in Belinzona (Schweiz) mit 1:58,37 Minuten schon einen neuen bayerischen Frauenrekord aufgestellt, jetzt zog ihre jüngere Kollegin mit einem neuen bayerischen U 23-Rekord nach.
Die ersten 400 Meter übernahm die Vize-Meisterin die Tempoarbeit, zu Beginn der letzten Runde setzte sich dann die spätere Siegerin an die Spitze. „Das war so abgesprochen“, sagte Fabienne Kohlmann. Auf der Zielgerade kämpfte Christina Hering und blieb dran.
„Das ist Wahnsinn“, sagte die Münchnerin nach dem Lauf. „Ich kann das noch gar nicht glauben.“ Viele hatten ihr so eine Zeit zugetraut, sie selbst konnte an ihrer Trainingskameradin sehen, dass es möglich ist in diese Sphäre zu laufen. „Das hat mir Selbstvertrauen gegeben.“ Gerade auf den für sie schwierigen 400 bis 600 Metern trug der Antritt von Fabienne Kohlmann zum Gelingen der Team-Taktik bei. Sehr zufrieden mit der Goldmedaille sagte sie über ihren Leistungssprung: „Es hat sich angedeutet, dass ich solche Zeiten drauf habe.“ Im Hinblick auf Olympia gibt das den beiden große Motivation.
Martin Grau frenetisch gefeiert
Den nächsten bayerischen Doppelsieg gab es über 3000 Meter Hindernis, wobei lediglich der Sieger keine Überraschung war. Der hieß nämlich Martin Grau (LSC Höchstadt/Aisch) und war bis Nürnberg auch der Jahresbeste in Deutschland, was ihn automatisch zum Favoriten erhebt. Dieser Rollte wurde Grau dann auch vollauf gerecht. Auf der Ehrenrunde gab es stehende Ovationen für einen würdigen Meister, der sein Vorjahres-Silber eindrucksvoll in Gold umwandelte. Vom Publikum, darunter zahlreiche Freunde, Verwandte und Bekannte, getragen, avancierte Martin Grau zum Local Hero, der aber wohl auch ohne den Heimvorteil lockeren Fußes vorne weg gerannt wäre. "Es hat sich wahnsinnig angefühlt bei der tollen Unterstützung", erklärte der 23-jährige Studenten-Weltmeister, nachdem er in 8:41,50 Minuten das Ziel erreicht hatte.
Nach verhaltenem Auftakt übernahm er drei Runden vor Schluss die Führung und setzte sich kontinuierlich von den Verfolgern ab. "Ich könnte sehr gut nachvollziehen, wenn ich nicht für die WM nominiert würde, denn Normen sind da, um eingehalten zu werden", sagte Martin Grau im Hinblick auf Peking. "Ich bin dennoch mit der Entwicklung vollauf zufrieden und konzentriere mich aufs nächste Jahr." Um Haaresbreite ein Medaille verpasste Stella Kubisch (LG Telis Finanz Regensburg) auf dem vierten Rang, die mit 2:04,54 Minuten ebenfalls eine exzellente Zeit aufbot. Auf den Plätzen neun und zehn landeten im Endlauf zwei weitere Trainingsgefährtinnen von Kohlmann und Hering, nämlich Christine Gess (2:06,70 Minuten) und Karolin Pilawa (beide LG Stadtwerke München; 2:07,21 Minuten).
Felix Hentschel (LG Bamberg) hatte vor dem Startschuss wahrscheinlich niemand auf der Rechnung. Doch der 27-Jährige erkämpfte mit einer furiosen Schlussrunde in 8:46,53 Minuten den Vize-Meistertitel. "Ich war 2010 in Braunschweig schon Vize-Meister, das ist fünf Jahre her. Endlich geht es nun wieder voran", so der Vorjahres-Sechste, der erst durch einen Strauchler richtig wach wurde und ins Rennen fand. "Ich bin an einem Hindernis mit dem Knie hängen geblieben und ein paar Schritte gehumpelt, habe dann aber gemerkt, dass ich näher an die Führenden herankomme", kommentierte Hentschel. Einen starken sechsten Rang gab es für Valentin Unterholzner (LG Telis Finanz Regensburg), der bei Zeitgleichheit von 8:53,51 Minuten vor Konstantin Wedel (LAC Quelle Fürth; Platz sieben) landete.
Maren Kock mit dem besten Spurt
Es war tatsächlich eine "blaue Stunde" im Nürnberger Grundigstadion, wie von ihrem Verein LG Telis Finanz Regensburg vorhergesagt. Zunächst holte sich Maren Kock den Titel über 1500 Meter, dann war ihr Lebengefährte Florian Orth dran, wenn auch wesentlich knapp. Insgesamt war es für die Regensburger Läufer-Hochburg der fünfte DM-Titel in Folge. 2011 bis 2013 war Corinna Harrer über 1500 Meter nicht zu schlagen. Vergangenes Jahr in Ulm lief Vereinskameradin Maren Kock ganz nach vorn. Die im Emsland lebende Läuferin war auch am Sonntagnachmittag die Nummer eins. Ihren starken Schlussspurt konnte keine Konkurrentin auf den finalen 200 Metern kontern. In 4:09,25 Minuten holte sie sich den Titel. „Es war ein schnelles Rennen. Und ich bin froh, dass ich es für mich entschieden habe“, sagte Maren Kock, die anschließend gespannt die Hundertstel-Entscheidung zugunsten ihres Freundes Florian Orth im 1500-Meter-Rennen der Männer verfolgte.
Für Tempo im Frauen-Rennen hatten die Sujew-Zwillinge gesorgt. Sie wollten die Titelverteidigerin müde laufen. Doch es gelang nicht. 64,96 Sekunden für 400 Meter und 2:13,22 Minuten für 800 Meter konnten Maren Kock nicht schocken. Auf der letzten Runde ging Maren Kock nach vorn, während die Frankfurter Twins zurückfielen. Auf Rang sieben kam mit Julia Kick eine weitere Telis-Läuferin (4:18,34 Minuten).
Eine Hundertstel entscheidet zugunsten von Florian Orth
Knapper hätten es Florian Orth und Sebastian Keiner wirklich nicht machen können. Da musste das Zielfoto über den Sieg beim Meisterschaftsrennen über 1500 Meter entscheiden. Schulter an Schulter überquerten die beiden die Ziellinie. Am Ende verbuchte Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) das glücklichere Ende für sich. „Ich habe es erst auf der Anzeigetafel gesehen, dass ich vorn bin. Es war so knapp. Dadurch wurde es auch so spannend“, sagte der neue Titelträger nach dem engen Rennen. Eine Hundertstel trennte ihn von Sebastian Keiner (Erfurter LAC), der in 3:44,62 Minuten Zweiter wurde.
Dass es einen neuen Titelträger geben wird, stand bereits vor dem Startschuss fest. Nach den verletzungsbedingten Ausfällen des Titelverteidigers Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald) sowie eines Aspiranten Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankurt) und dem Karriereende des Berliners Carsten Schlangen war der Weg frei für Florian Orth, der sich die Chance nicht nehmen ließ. Bis ungefähr zur Hälfte des Rennens lag das Feld, angeführt von Sebastian Keiner, noch gut beisammen. In Lauerstellung Florian Orth, der bei 650 Metern die Attacke setzte. Nur Sebastian Keiner konnte ihm folgen.
Im Gleichschritt liefen beide dem Ziel entgegen. Sebastian Keiner demonstrierte einmal mehr seine seine Qualitäten im Schlussspurt und zog sich auf der Zielgeraden an den Führenden heran. Am Ende wurde der Erfurter für diese starke Leistung nicht belohnt. Es fehlte lediglich eine Hundertstel zum Titelgewinn. Rang elf blieb für Marco Kürzdörfer (LSC Höchstadt-Aisch; 3:52,16 Minuten).
Kamghe Gaba muss Eric Krüger passieren lassen
Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München hatten viele auf der Rechnung, als es um die Vergabe des Titels über 400 Meter ging. Aber schon während der Saison war klar, dass die Dominanz, die der 400-Meter-Meister von 2014 noch im Vorjahr ausstrahlte, heuer nicht vorhanden war. Und so entwickelte sich auch das Rennen, in dem von acht Bahnen vier mit bayerischen Läufern besetzt waren. Gaba blieb bis etwa 300 Meter mit Eric Krüger (SC Magedburg) gleichauf, dann begann das, was Krüger später im Interview "eine Knautscherei" nannte. Der lang gewachsene Münchner wollte sich nach vorne schieben, doch Krüger bot ihm Paroli und siegte schließlich in 46,06 Sekunden gegenüber 46,32 Sekunden von Gaba. Der konnte sich noch gegen den wiedererstarkten Jonas Plass (asics Team Wendelstein) wehren, der mächtig aufkam und in 46,34 Sekunden mit Platz drei belohnt wurde. Knapp dahinter: Johannes Trefz (LG Stadtwerke München) auf Rang vier (46,44 Sekunden). Auf Platz sieben landete Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke München) in 47,62 Sekunden.
Clemens Bleistein holt sich Silber
Über 5000 Meter war es die One-Man-Show von Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen). Doch dahinter tat sich abermals Erfreuliches aus bayerischer Sicht: Auf den letzten Metern fing Hallen-EM-Teilnehmer Clemens Bleistein (LG Stadtwerke München) in 14:06,48 Minuten den tapfer kämpfenden Amanal Petros (TSVE Bielefeld; 14:06,88 Minuten) noch ab und gewann Silber. Quasi auf der Ziellinie belohnte sich Bleistein für ein kluges und couragiertes Rennen. Der Deutsche 10 000-Meter-Meister Mitku Seboka (LAC Quelle Fürth) hatte sich nach dem Rennverlauf sicher mehr als den sechsten Rang (14:14,95 Minuten) erhofft. Neunter wurde Tobias Schreindl (LG Passau; 14:27,15 Minuten) und Zehnter Tobias Gröbl (LG Zusam; 14:28,30 Minuten).
SC Magdeburg entthront die LG Stadtwerke München
Mit ausgestreckten Armen lief Eric Krüger über die Ziellinie. Der Schlussläufer der 4 x 400-Meter-Staffel des SC Magdeburg brachte das Quartett zu Meisterschaftsgold und entthronte den Seriensieger LG Stadtwerke München, der den zweiten Rang belegte. Es war zugleich die letzte Entscheidung eines aufregenden Meisterschafts-Wochenendes in Nürnberg.
Und reichlich Spannung wurde abschließend auch noch mal geboten. Nach dem ersten Wechsel führte das Magdeburger Quartett. Oliver Vogel übergab den Stab an Till Helbig, der den spurtstarken Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München) auf der Zielgeraden passieren lassen musste. Die Antwort der Magdeburger folgte prompt, denn mit Julius Lawnik bewies ein Mittelstreckler seine Qualitäten auch über die 400 Meter und übergab den Stab an Eric Krüger als Führender. Dicht gefolgt von Johannes Trefz (LG Stadtwerke München). Der neue Deutsche 400-Meter-Meister Eric Krüger hatte noch gehörig Körner, um der Konkurrenz die Hacken zu zeigen und jubelnd in starken 3:09,65 Minuten über die Ziellinie zu laufen. Dicht gefolgt vom Münchner Quartett, das in 3:10,38 Minuten als Zweiter die Linie passierte. Auf dem achten Rang landete die LAC Quelle Fürth (3:17,59 Minuten).
Münchner Frauen holen Bronze
Das bis auf Martina Riedl mit Mittelstrecklerinnen besetzte Quartett der LG Stadtwerke München folgte auf dem Bronzerang. Christina Hering, Christine Gess, Riedl und Karoline Pilawa liefen 3:39,36 Minuten. Bayer 04 Leverkusen gewann in 3:35,99 Minuten. Auf den siebten Platz kämpfte sich die Staffel der LG Karlstadt-Gambach-Lohr mit 800-Meter-Siegerin Fabienne Kohlmann (3:45,39 Minuten).
U 20-Staffel läuft bayerischen Rekord
Erfreuliches gibt es von der 4 x 400-Meter-Staffel der LG Stadtwerke München in der Weiblichen Jugend U 20 zu vermelden. Sina Heubel, Lisa-Marie Jacoby, Louisa Rieger und Lisa-Marie Petkov holten nach 3:41,05 Minuten die Deutsche Meisterschaft und stellten noch dazu einen neuen bayerischen Rekord auf. Nach den ersten beiden Starterinnen bahnte sich ein Dreikampf zwischen München, Düsseldorf und Berlin an, den die LG Stadtwerke München in einer starken Zeit für sich entscheiden konnte. „Die Gesamtzeit ist super, wir wollten auf jeden Fall schneller als im Vorlauf laufen und hatten schon mit dem Rekord geliebäugelt. Klasse, dass es so funktioniert hatte“, sagte U 20-EM-Teilnehmerin Lisa-Marie Jacoby.
Darüber hinaus gab es eine Reihe von Endkampf- beziehungsweise Endlaufplatzierungen, die sich überaus positiv auf die weißblaue Bilanz niederschlagen. Ein wenig handerte Hammerwerfer Johannes Bichler (LG Stadtwerke München) mit seinem vierten Platz im Endklassement: "So dicht an einer Medaille vorbei!" Mit einem 70-Meter-Wurf wäre Edelmetall klar gewesen. Dennoch war der Münchner mit 68,94 Meter bester Bayer vor seinem Vereinskollegen Simon Lang (66,96 Meter) auf Rang fünf und Tristan Schwandke (TV Hindelang), der mit 66,10 Meter Siebter wurde.
Benedikt Huber (LG Telis Finanz Regensburg) kam in einem typischen Meisterschafts-Finale über 800 Meter auf einen ausgezeichneten fünften Rang (1:50,03 Minuten). Mario Saur (MTV 1881 Ingolstadt) belegte Platz sieben über 400 Meter Hürden (52,86 Sekunden) und konnte mit seiner dritten DM-Endlaufteilnahme nach 2012 und 2013 über zufrieden sein. Christian Zimmermann (Kirchheimer SC) wurde im Kugelstoßen Neunter (17,32 Meter). Die 3 x 1000-Meter-Staffel der männluchen U 20 der LG Telis Finanz Regensburg belegte im Endklassement einen guten fünften Platz (7:38,74 Minuten).
Sarah Leidl mit Bestleistung, Katharina Struß über 13 Meter
Die bayerischen Highlights im "Nicht-Medaillen-Bereich" setzten bei den Frauen zwei routinierte Damen. Sarah Leidl (1. FC Passau) lieferte in einem hochklassigen Speerwurffinale den Wettkampf ihres Lebens und blieb gleich drei Mal über ihrer bisherigen Bestleistung. Mit 56,89 Meter belegte sie hinter vier 60-Meter-Werferinnen einen grandiosen fünften Platz. Im Dreisprung zeigte Katharina Struß (TS Herzogenaurach) den Jüngeren noch einmal, was Kampfgeist ist. Bei 1,9 Meter Gegenwind (!) sprang sie mit 13,10 Meter so weit wie seit Jahren nicht mehr und belegte damit Rang sechs.
Insgeheim hatte Cornelia Griesche (DJK Ingolstadt) über 3000 Meter Hindernis wieder mit einer Zeit unter zehn Minuten gehofft. So wurden es 10:02,66 Minuten und der fünfte Rang. Gleich dahinter kam Julia Hiller (LAC Quelle Fürth) auf Platz sechs (10:35,06 Minuten).
Einen respektablen achten Gesamtrang gab es für die 4 x 100-Meter-Frauenstaffel des LAC Quelle Fürth, die in 46,75 Sekunden ins Ziel kam.