Hallen-DM Jugend Sindelfingen: Mihota, Fehm und Walschburger vergolden weißblaue Winterbilanz
Ein Schlagwort, das spätestens nach der Strukturreform des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auch in der Leichtathletik Einzug gehalten hat, lautet "Zentralisierung" und meint die Konzentration von Talenten auf leistungsstarke Stützpunkte. Wenn man jedoch aus bayerischer Sicht eine Bilanz der Deutschen Jugendhallen- und Winterwurfmeisterschaften in Sindelfingen zieht, so tragen die Talentschmieden diesmal Namen wie Amberg, Rosenheim, Eckental, Kirchheim, Ingolstadt oder Hindelang. Orte mit klassisch aufgestellten Leichtathletikvereinen und rührigen Heimtrainern, die engagiert an ihren Nachwuchshoffnungen feilen. Als Ausnahme, die diese Regel bestätigt, mögen die beiden Medaillen für die LG Stadtwerke München durch den neuen Dreisprung-Meister Paul Walschburger sowie das Überraschungssilber durch U 18-Kugelstoßerin Selina Dantzler herhalten, während Bronze für Nancy Randig (SWC Regensburg) nicht unbedingt in das Raster der Läufer-Hochburg Regensburg passt. Aber echte Zentralisierung sieht womöglich anders aus . . .
Lucas Mihota (DJK SB Rosenheim) trainiert zumindest zu weiten Teilen in München mit BLV-Sprung-Teamleiter Sebastian Kneifel, seiner Mutter Antja Mihota und Hochsprung-Kollege Tobias Potye. Das Resultat durften die Zuschauer als krönenden Schlusspunkt im Sindelfinger Glaspalast bewundern, und es lohnte auf jeden Fall, bis zum letzten Sprung zu bleiben. Denn Lucas Mihota versuchte sich, als er mit im dritten Versuch übersprungenen 2,20 Metern als Sieger lange feststand, sogar an 2,25 Metern. Noch vergeblich, aber alles andere als aussichtslos. Die Bestmarke des Überfliegers steht seit diesem Winter bei sehr starken 2,23 Metern.
Der U 18-Europameister gewann in Sindelfingen also mit der gleichen Höhe, mit der der Titel bei der Hallen-DM in Leipzig an Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen) wegging. Der Grund, weshalb Lucas Mihota dort nicht am Start war: "Ich bin nicht der Typ, der zwei solche Wettkämpfe innerhalb so kurzer Zeit aushält, da spielt mein Rücken nicht mit und das hier heute war mir wichtiger." Seine Flug-Show konnte auch eine Autopanne auf dem Weg nach Sindelfingen und eine Erkältung unter der Woche nicht aufhalten. Durch hartes Training gepaart mit Spaß ging es in den vergangenen Monaten nochmal eine Etage höher. Sehr zufrieden sein kann auch Benedikt von Hardenburg (LG Landkreis Roth) mit Rang sechs und übersprungenen 2,00 Metern.
Bayern, das gelobte Land der Hochspringer
Bayern, das gelobte Land für Hochspringer: So könnte man es seit einiger Zeit durchaus formulieren. Denn die Talente, die in bemerkenswerten Höhen über die Latte floppen, werden scheinbar immer mehr. In der weiblichen U 20 stellt der Freistaat mit Laura Gröll (LG Eckental) die deutsche Jahresbeste (1,88 Meter) - auch nach dem Wochenende. Denn Gröll sprang in Sindelfingen 1,82 Meter; genauso hoch wie zwei andere Konkurrentinnen. Allerdings leistete sie sich bei dieser Höhe einen Fehlversuch und holte Silber. Auch ihre Versuche über 1,84 Meter sahen gut aus, wenngleich die Latte diesmal nicht liegen bleiben wollte. Mareike Max (SV Werder Bremen) wurde am Ende als Deutsche U 20-Meisterin gekürt, weil sie als Einzige die Höhe auf Anhieb geschafft hatte. „Ein unglaublicher Wettkampf, total spannend. Ich kann nicht glauben, dass ich gewonnen habe“, sagte die U 20-WM-Fünfte als strahlende Siegerin. „Lauras Leistung im Vorfeld hat mich schon beeindruckt." Nicht unerwähnt bleiben soll auch der achten Rang der Deutschen U 18-Meisterin Lavinja Jürgens (TV Kranzegg) mit 1,75 Meter.
Im Ziel noch ganz außer Atem, aber überglücklich über das, was sie gerade auf die Bahn gebracht hatte: Katrin Fehm (ESV Amberg) erreichte das Ziel schon nach 23,73 Sekunden und steigerte ihre Bestleistung um ein gutes Zehntel. "Das war das geilste Rennen, das ich je hatte", sagte die Deutsche U 20-Freiluft-Meisterin. "Das war das erste Mal, dass ich den Start annähernd zu 100 Prozent erwischt habe." Und das sah man: Schon auf der Gegengeraden lief die Sprinterin auf die Konkurrenz auf und rannte die Hallenrunde in einem starken Tempo.
Die U 20-WM-Dritte mit der 4x100-Meter-Staffel will im Sommer wieder bei der U 20-EM in Grosseto (Italien) starten. "Das ist mein absolut größtes Ziel dieses Jahr. Bei einer EM hat man auch größere Chancen das Finale zu erreichen", blickte Katrin Fehm voraus. Es stehen erstmal beide Sprintstrecken, 100 und 200 Meter, weiter im Fokus.
Tags zuvor war Katrin Fehm noch enttäuscht gewesen, obwohl sie über 60 Meter Dritte mit 7,52 Sekunden wurde. Gegen die letztlich überragende Kashia Kwadwo (TV Wattenscheid 01), gegen die sich die 18-Jährige zuvor noch eine kleine Chance ausgerechnet hatte, war diesmal absolut kein Kraut gewachsen (7,37 Sekunden). Als dann noch Jennifer Montag (TSV Bayer 04 Leverkusen) um einen Hundertstelsekunde im Ziel vor ihr lag (7,51 Sekunden), hatte Katrin Fehm die richtige Portion Wut angesammelt, um tags darauf richtig einen rauszulassen.
Paul Walschburgers Hop-Step-Jump nicht zu toppen
Bayern-Gold Nummer drei ging an einen, bei dem es in diesem Winter überhaupt noch nicht geklappt hatte. Und auch nach den beiden ersten Versuchen im Dreisprung sah es so aus, als sei schon die Luft heraus. Benjamin Gassioui (VfB Stuttgart 1893) kam auf 15,08 Meter, Paul Walschburger (LG Stadtwerke München) stand ihm mit 15,03 Metern kaum nach. Mehr als 20 Versuche der nur fünf Teilnehmer mit vielen Ungültigen folgten, bis erneut die 15 vor dem Komma aufleuchtete.
Aber es war nicht der Führende, sondern Paul Walschburger, der einen tollen 15,26-Meter-Satz in die Grube setzte. Benjamin Gassioui, der überhaupt nur zwei gültige Versuche hatte, konnte nicht mehr kontern, freute sich aber trotzdem über die Silbermedaille. Bronze ging ebenfalls in den Freistaat, und zwar an David Kirch (SpVgg Auerbach/Streitheim). Er legte eine konstante Serie mit 14,65 Metern als Spitzenwert hin.
Gleich zwei Mal Edelmetall für Bayern gab es in der 400-Meter-Entscheidung der weiblichen U 20, und zwar durch Corinna Schwab (TV 1861 Amberg), die Silber gewann, und Alica Schmidt (MTV 1881 Ingolstadt) mit Bronze. Vor den Titelkämpfen war Lea Ahrens (LAV 07 Bad Harzburg) mit 54,86 Sekunden als Einzige unter 55 Sekunden geblieben.
Im A-Finale von Sindelfingen lief für sie zunächst alles nach Plan. Als Führende fing Ahrens auf die zweite Runde und auf die Zielgerade. Dort aber kam Corinna Schwab, die tags zuvor mit einem reservierten Lauf fast die Enlaufteilnahme "verzockt" hatte, immer stärker auf und schob sich sogar kurzzeitig vorbei. Doch Lea Ahrens konterte im Stil einer Meisterin. Sie schraubte ihre eigene deutsche Jahresbestzeit um drei Hundertstelsekunden auf 54,83 Sekunden nach unten. Aber auch Corinna Schwab knackte als Lohn für ihren couragierten Lauf mit 54,92 Sekunden die 55-Sekunden-Marke. Alica Schmidt konnte dem Führungsduo noch bis eingangs der zweiten Runde folgen, musste dann aber den Angriff der jungen Marie Scheppan (LC Cottbus; Jahrgang 2001) abwehren, die ihr wie im Vorlauf bedrohlich nahe kam. Letztlich setzte sich die 18-jährige Ingolstädterin jedoch durch und sicherte sich in 55,56 Sekunden den dritten Platz.
Zwei Medaillen für Selina Dantzler
Mit dieser Medaille durfte man nicht unbedingt rechnen. Umso größer war die Freude bei Selina Dantzler (LG Stadtwerke München), die sich ihren ersten 15-Meter-Stoß mit der Vier-Kilo-Kugel ausgerechnet für die Titelkämpfe aufgehoben hatte. So musste Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim) musste die lange sicher geglaubte Silbermedaille noch an Dantzler abgeben, die sie im letzten Versuch mit 15,25 Meter um zwei Zentimeter übertrumpfte. Wie toll diese Leistung wirklich war, belegt die Tatsache, dass U 18-Vize-Europameisterin Jule Steuer (SC Magdeburg; 15,17 Meter), Zweite der Meldeliste, nur Rang vier belegte. Für Dantzlers Trainingspartnerin Amelie Döbler (LG Stadtwerke München) blieb mit 14,80 Meter der undankbare fünfte Rang.
Dafür wollte Döbler tags zuvor unbedingt eine Medaille mit dem Diskus bei den Winterwurfwettbewerben im angrenzenden Floschenstadion mit nach Hause nehmen. Als eine sicheren Medaillenkandidaten geltend, misslangen ihr die beiden ersten Würfe völlig. Ihr dritter landete schließlich bei 36,19 Meter was Rang zwölf und das Aus im Vorkampf bedeutete. Auch hier machte es Selina Dantzler besser. Gleich im ersten Durchgang schleuderte die 16-Jährige die Ein-Kilo-Scheibe auf neue persönliche Bestleistung von 46,94 Meter und wurde erst im letzten Versuch von Sandy Uhlig (LG Mittweida; 46,98 Meter) hauchdünn vom Silber- auf den Bronzerang verdrängt.
Konstanz war die Trumpfkarte von Jessyka Schneider (TV Hindelang) beim Hammerwurfwettbewerb der weiblichen U 20. Mit sechs erstaunlichen Versuchen, die alle über 50 Meter lagen und der weiteste bei 52,92 Meter sicherte sich die frühere Deutsche U 18-Meisterin diesmal hochverdient Silber. Im Gegensatz dazu hatte Nancy Randig (SWC Regensburg) nur einen einzigen gültigen Versuch aufzuweisen. Der landete in einem spannenden U 18-Wettbewerb allerdings bei 56,54 Meter. Auch hier wurde die 16-jährige Oberpfälzerin im letzten Versuch durch Johanna Giersch (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen; 56,70 Meter) noch auf den Bronzerang geschoben.
Nicht gerade leicht hatten es die Läufer. Durch die plötzlich Frühlingssonne mussten sie im Glaspalast mit unangenehmen Temperaturen und im wahrsten Sinn des Wortes "dicker Luft" kämpfen. Nicht nur deshalb sollen der vierte Rang von Niklas Buchholz (TSV Hemhofen; 8:46,55 Minuten) und der achte Platz von Theodor Schell (LSC Höchstadt/Aisch; 9:07,20 Minuten) nicht unerwähnt bleiben.
Gute Leistungen auch abseits der Medaillenränge
Gerne eine Medaille um den Hals gehängt hätte auch Yannick Wolf (LG Stadtwerke München). Der 16-Jährige steigerte seine Bestleistung auf 7,08 Meter und führt damit auch die deutsche U 18-Bestenliste an. Bei der U 20 brachte ihm das einen respektablen fünften Rang ein. Sein Vereinskamerad Martin Knauer (LG Stadtwerke München) musste im Kugelstoßen in einem starken Feld mit Platz sechs (17,38 Meter) zufrieden sein. Ebenfalls gerne ein Quäntchen mehr gehabt hätte Yannick Voß (TSV Schleißheim) im Diskuswettbewerb der U 20. Sein einziger gültiger Versuch landete bei 45,65 Meter und schob ihn auf Rang vier.
Eine gute Rolle spielte das weibliche Staffel-Quartett der LG Stadtwerke München im B-Finale über 4 x 200 Meter. Die vier jungen Damen wurde Zweiter in 1:40,92 Minuten. Erneut über zwölf Meter kam Yasmin Maxbauer (LG Eckental) im Dreisprung. Mit 12,02 Meter wurde sie Siebte.
Die Speerwerferinnen und -werfer aus dem Freistaat kamen durchwegs auf gute Ergebnisse. Mit der vorjährigen Deutschen U 16-Meisterin Maxime Kirschner (LG Kreis Dachau) verpasste erneut ein bayerisches Talent in der U 18-Konkurrenz als Vierte eine Medaille, wobei ihr bester Wurf mit 47,79 Meter durchaus belohnenswert gewesen wäre. Sabrina Reusch (LG Stadtwerke München) belegte in der U 20 mit 46,19 Meter Platz sechs, ebenso wie Laurenz Waldbauer (TSV Vilsbiburg; 52,24 Meter) in der männlichen U 18. Der siebte Rang blieb in der U 20 für Yannick Limmer (LG Stadtwerke München; 56,35 Meter).
U 18-Diskuswerfer Fabian Frühholz (LG Stadtwerke München) durfte mit dem Erreichen des Endkampfes (Achter) und 44.07 Meter zufrieden sein.
Bei den Staffelwettbewerben der Männer und Frauen sprangen noch einmal zweo Podestplätze für die bayerischen Läuferinnen und Läufer heraus. Über 3 x 800 Meter war gegen den neuen Deutschen Rekord des TSV Bayer 04 Leverkusen (6:16,25 Minuten) für die LG Stadtwerke München kein Kraut gewachsen. Katharina Trost, Christine Gess und Mareen Kalis holten in 6:28,67 Minuten DM-Silber. Der LSC Höchstadt/Aisch mit Schlussläufer Martin Grau machte es am Schluss der 3 x 1000-Meter-Staffel noch einmal spannend. Die LG Region Karlsruhe, zwischenzeitlich schon auf Rang fünf abgerutscht, mischte ebenso im Kampf um Edelmetall mit Höchstadt/Aisch und das LAZ Puma Rhein-Sieg. Am Ende waren die Verhältnisse klar. Mit Abstand sicherte sich Karlsruhe in 7:22,38 Minuten Silber vor Höchstadt/Aisch (7:25,63 Minuten).