Junioren-Gala Mannheim: Bayern schaffen quasi auf den letzten Drücker drei weitere U 20-EM-Normen
Alica Schmidt hatte vor der Saison eigentlich niemand auf der Rechnung gehabt. Zwei vierte Plätze bei den zurückliegenden Deutschen Jugendmeisterschaften und Bronze bei den diesjährigen Hallentitelkämpfen über 400 Meter in Sindelfingen lenkten zwar die Aufmerksamkeit auf die langbeinige Blondine aus Ingolstadt. Bei der Diskussion um einen Platz bei der U 20-EM wurden aber andere gehandelt. Doch Schmidt steigerte sich von Rennen zu Rennen, schob sich zunächst in den Fokus für die deutschen 4 x 400-Meter-Staffel und erledigte nun in Mannheim auch noch die Einzelnorm über die Stadionrunde in 54,23 Sekunden, obwohl sie nicht einmal im Toplauf antreten durfte und die äußeren Bedingungen alles andere als optimal waren. Damit ließ die 18-Jährige alle nationalen Konkurrentinnen bis auf ihre bayerische "Landsfrau" Corinna Schwab hinter sich.
Diese kam in 54,05 Sekunden auf den zweiten Rang hinter der Britin Lauren Russel (53,89 Sekunden), Alica Schmidt wurde Gesamtdritte. In ihrem ersten U 20-Jahr Schwab nun bereits bei 53,55 Sekunden angekommen und auch über 200 Meter mit 23,89 Sekunden für die U 20-EM mit Norm ausgestattet. Mit ihrem Auftritt in Mannheim haderte sie dennoch: „Wir mussten sehr lange im Callroom warten, es war kalt und dann hatte ich das Gefühl, als ob ich stehen würde, so stark war der Gegenwind."
Tags darauf glänzte Corinna Schwab dann unter besseren Bedingungen als Schlussläuferin der deutschen 4 x 400 Meter-Staffel, bei der Alica Schmidt wegen ihres bevorstehenden Einsatzes bei den Deutschen Meisterschaften (ebenfalls in der 4 x 400-Meter-Staffel) geschont wurde. Doch auch ohne die liefen deutschen Langsprinterinnen eine klasse Zeit. Sie verbesserten in 3:36,20 Minuten nicht nur den Meetingrekord der Junioren-Gala um vier Sekunden, sondern zauberten auch eine Weltjahresbestleistung auf die Bahn. Die hatte zuvor Jamaika gehalten (3:37,56 Minuten). Nicht umsonst sprach Nachwuchsbundestrainer Thomas Kremer von einer "Riesenchance" für die deutsche Staffel. Eine solche Dichte an guten U 20-400-Meter-Läuferinnen habe es in Deutschland seit über zehn Jahren nicht mehr gegeben. Gut möglich, dass in Grosetto sogar zwei Läuferinnen aus Bayern in im DLV-Quartett stehen.
Einen fixen Platz in der nicht minder aussichtsreichen deutschen 4 x 100-Meter-Staffel besitzt Katrin Fehm (ESV Amberg). Obwohl sie bereits die EM-Normen über 100 und 200 Meter in der Tasche hat, musste sie lang um ihren EM-Einsatz bangen. Ein Muskelfaserriss, erlitten beim Ludwig-Jall-Sportfest in München, brachte die kühnen Pläne von Staffel-Gold in Grosetto plötzlich in Gefahr. In Mannheim meldete sich Fehm jedoch zurück - und wie!
Zunächst lief die Ambergerin mit dem deutschen 4 x 100-Meter-Quartett eine Zeit, die ihr zuvor niemand zugetraut hätte. Weil U 18-Europameisterin Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01) kurzfristig wegen einer Erkältung ausfile, musste Fehm vom Start auf die Position zwei rücken. Dennoch rannten die deutschen Mädchen die Konkurrenz um Großbritannien (44,74 Sekunden) und die Schweiz (46,00 Sekunden) in Grund und Boden: Sieg in pfeilschnellen 43,84 Sekunden – kein Quartett dieser Altersklasse war in diesem Jahr bisher schneller unterwegs.
Zur Einordnung der Zeit von 43,84 Sekunden: Der deutsche U 20-Rekord für die 4x100 Meter steht bei 43,42 Sekunden. Schon für 44,18 Sekunden gab’s im Vorjahr Bronze bei der U 20-WM, Gold ging damals für 43,69 Sekunden an die USA. Zwei Stunden später trat Katrin Fehm auch noch über 200 Meter an und bestätigte hier als Zweite hinter Sophie Junk (LG Rhein-Wied; 23,42 Sekunden) in 23,67 Sekunden, dass sie ihre Verletzung endgültig überwunden und der Beuger gehalten hat.
Bei Diskuswerferin Amelie Döbler, der vorjährigen U 18-EM-Zweiten, platzte im fünften Versuch der Konkurrenz der Knoten. Der Diskus schlug erst nach 50,33 Metern auf, was ihr nicht nur die Normerfüllung (50,00 Meter), sondern auch die zwischenzeitliche Führung einbrachte. Die wurde Döbler zwar noch von der Wattenscheiderin Julia Ritter (52,75 Meter) entrissen, doch am Ende war der Jubel bei der 1,90 Meter großen Münchnerin, die im Frühjahr noch durch eine Fußverletzung ausgebremst wurde, riesig.
Paul Walschburger legte im Dreisprung eine Punktlandung hin. Der Schützling des ehemaligen deutschen Dreisprungmeisters Richard Kick landete im Hop-Step-Jump exakt bei jenen 15,60 Metern, die der DLV für ein Grosseto-Ticket verlangt. Eine Weite, die bei dieser Veranstaltung den Tagessieg bedeutete. 15,56 Meter hatte zuvor die Bestmarke des 19-Jährigen betragen, der in Mannheim nach 15,39 Meter zum Auftakt drei ungültige Versuche produzierte. „Ich freue mich total“, erklärte Walschburger, der als Erfolgsrezept ausgegeben hatte, sich gedanklich nicht mit der Norm zu befassen. „Ich habe das total ausgeblendet. Ich wollte einfach nur einen guten Wettkampf machen und gewinnen.“
Die Norm bereits in der Tasche hat Luca Mihota (SB DJK Rosenheim). In Mannheim floppte er im ersten Versuch über 2,08 Meter. „Bis dahin hat sich eigentlich alles super angefühlt“, sagte Mihota. „Aber vielleicht habe ich jetzt auch einfach ein bisschen Schiss vor den nächsten Höhen.“ Hinzu kommen nach vermehrtem Krafttraining ein höheres Gewicht, eine Umstellung des Anlaufs und insgesamt der Wechsel des Trainingsumfelds von Rosenheim nach München. „Die ganze Saison verlief schon nicht so toll“, sagt der 18-Jährige, der in der Hallensaison mit 2,23 Metern für Furore gesorgt hatte. Nun hofft er, dass er aufgrund der früh erfüllten Norm von 2,15 Metern trotz der zuletzt durchwachsenen Leistungen für Grosseto nominiert wird.
Im Hammerwerfen gab es für Jessyka Schneider (TV Hindelang) einen guten dritten Platz mit 50,71 Meter. Kugelstoßer Martin Knauer (LG Stadtwerke München) wurde im B-Wettbewerb ebenfalls Dritter (17,09 Meter), während Arne Lepplsack (MTV Pfaffenhofen) über 400 Meter Gesamtrang 15 (49,06 Sekunden) belegte. Zwei undankbare vierte Plätze nahm David Kirch (SpVgg Auerbach-Streitheim) mit nach Hause, und zwar im Dreisprung mit 14,47 Meter und im Weitsprung mit 7,12 Meter.