Deutsche Meisterschaften Berlin 2: Die überwältige Münchner Frauen-Power über 800 Meter
Die im Rahmen der „Finals Berlin“ stattfindenden 119. Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften hatten es in sich. Mehr als 60 000 Zuschauer waren zu den vier Sessions ins Berliner Olympiastadion gekommen und sorgten für eine großartige Atmosphäre. Davon getragen erzielten auch die Athletinnen und Athleten aus Bayern einige wirklich herausragende Erfolge. Allen voran gelang Christina Hering, Katharina Trost und Mareen Kalis eine Woche nach dem überlegenen Gewinn der Deutschen Meisterschaft über 3 x 800-Meter ein sensationeller Dreifacherfolg über die zwei Stadionrunden.
Erhofft, aber nicht eingeplant, da äußerst selten, war der Gewinn des kompletten Medaillensatzes. Doch sowohl Hering als auch Trost hatten am Samstag schon als souveräne Vorlaufsiegerinnen geglänzt und wollten es im Finale am späten Sonntagnachmittag dann so richtig wissen. Trost machte von Beginn an die Pace, sodass sich beide früh vom Feld lösten. Die 400-Meter-Durchgangszeit von 58,67 Sekunden entsprach exakt der Vorgabe des Trainergespanns Andreas Knauer und Jonas Zimmermann. Hering übernahm zur Rennmitte die Führung und setzte die Jagd nach der WM-Norm von 2:00,60 Minuten fort, wenngleich auch mit minimal, aber entscheidend reduziertem Tempo zwischen 400 und 600 Metern, wie sie später selbst bemerkte.
Etwa 150 Meter vor dem Ziel kam der Schlussangriff von Trost, den Hering jedoch erfahren parierte und sich so den insgesamt fünften Titel im Freien sicherte, den vierten in Serie 2:01,37 Munuten und 2:01,68 Minuten lauteten die Zeiten für Hering und Trost, an die in diesem Jahr keine weiteren deutschen Mittelstrecklerinnen herankamen. Die WM-Norm verfehlten sie dieses Mal zwar erneut, beide haben nun jedoch einen Monat Zeit, um diese noch zu erbringen. Im Endspurt des Hauptfeldes hatte Mareen Kalis den besten Speed und sicherte sich mit Saisonbestzeit von 2:04,81 Minuten Bronze.
„Ich freue mich sehr, wieder ganz oben zu stehen. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich meine Stärke auf der Zielgeraden ausspielen kann und das hat geklappt. Das ist der zweitschnellste Titel für mich“, so die 24-jährige Hering. Die WM Norm nimmt die Münchnerin bereits am kommenden Wochenende bei der Team-EM im polnischen Bydgoszcz erneut in Angriff. Auch Trost, die sich gerade parallel auf ihr Staatsexamen für Grundschullehramt vorbereitet, zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden: „Ich freue mich auch über Silber, es ist meine erste DM-Medaille im Freien bei den Erwachsenen. Zudem bin ich jetzt noch ein bisschen zuversichtlicher, dass es mit der WM-Norm noch klappt. Ich habe mich richtig gut gefühlt und freue mich auf die nächsten Rennen.“
Dass es für den dreifachen Deutschen 800-Meter-Meister Benedikt Hubert (LG Telis Finanz Regensburg) hart werden würde, auch zum vierten Mal mit einem Titel das Stadion zu verlassen, schien bereits vorher klar. Aus einer ungünstigen Ausgangsposition heraus und meist auf der zweiten Bahn laufend musste sich Hubert in Berlin mit dem dritten Rang trösten. „Ihm fehlten am Ende sichtlich die Körner“, meinte sein Trainer Kurt Ring. Huber benötigte 1:48,01 Minuten, der „verdiente Sieger“ (Ring) Marc Reuther (LG Eintracht Frankfurt) überquerte nach 1:47,22 Minuten den Zielstrich.
Seine Medaillensammlung hätte Meter-Ass Patrick Schneider (LAC Quelle Fürth) gerne weiter vervollständigt, zumal unmittelbar vor den Vorläufen am Samstag bekannt wurde, dass sein großer bayerischer Konkurrent und gleichzeitig der amtierende Deutsche Meister Johannes Trefz (TSV Gräfelfing) verletzungsbedingt das Handtuch werfen musste. In einem hochklassigen Finale, in der sieben der acht Finalisten persönliche Hausrekorde oder Saisonbestzeiten liefen, sprang nach Silber im Vorjahr für Schneider Platz vier heraus. In 46,31 Sekunden war der Fürther so schnell wie noch nie dieses Jahr. Bereits in den nächsten Tagen geht es für Schneider nahtlos weiter. Die Team-EM in Bydgoszcz steht auf dem Programm.
Völlig unerwartet kam Hochspringer Manuel Marko (MTV 1881 Ingolstadt) urplötzlich in Medaillennähe. Dass er mit 2,10 Meter den vierten Platz belegte, freute den Polizeibeamten zunächst über alle Maßen. Dass jedoch auch die Bronzemedaille beim Sieg von Europameister Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen; 22,2 Meter) mit 2,10 Meter wegging und deren Gewinner Bastian Rudolph (Dresdner SC 1898) nur einen Fehlversuch weniger als der Ingolstädter hatte, ärgerte diesen dann doch ein wenig.
Über 200 Meter gab es in der Endabrechnung zwei starke fünfte Ränge für Alexandra Burghardt (SV Gendorf Wacker Burghausen; 23,55 Sekunden) und Maximilian Entholzner (1. FC Passau; 21,11 Sekunden), der tags zuvor Bronze im Weitsprung gewonnen hatte und immer mehr seine Liebe (und seine Neigung) für den langen Kurzsprint zu entdecken scheint. Über 1500 Meter überraschte Kerstin Hirscher (LAC Quelle Fürth) mit einem Husarenritt und einer deutlich verbesserten Bestzeit auf 4:18.52 Minuten. Damit findet sie sich als Fünfte nun in mitten der deutschen Elite wieder.
Auf einem äußerst achtbaren sechsten Rang einsortiert hat sich unter 31 Männerstaffeln die 4×100-Meter-Jugendstaffel der LG Stadtwerke München. Dabei gelang es Yannick Wolf, Fabian Olbert, Florian Knerlein und Vincente Graiani im schnellsten von vier Zeitfinals, den seit der Vorwoche selbst gehaltenen Deutschen U 20-Rekord von 40,50 nochmals auf 40,33 Sekunden zu verbessern. Lediglich Weitspringer Wolf rückt nächstes Jahr in die U 23-Altersklasse auf, die drei übrigen Nachwuchssprinter verbleiben mindestens noch für ein weiteres Jahr in der U 20.
Ein weiteres Staffel-Topresultat gelang kurz darauf auch dem Münchner Frauenquartett. Mit der Vorleistung von 47,80 Sekunden waren sie als 39. unter 40 startenden Staffeln in Berlin registriert. Davon gänzlich unbeeindruckt gewannen Viola John (U 18), Lisa-Marie Petkov, Louise Wieland und Tina Benzinger (beide U 20) das erste von fünf Zeitfinals mit einer Zeit von 45,63 Sekunden, einer erheblichen Steigerung. Erst im vorletzten Zeitfinale überbot eine Frauenstaffel die Leistung der Münchnerinnen, woran deutlich wird, was die vier zuvor auf die blaue Bahn gezaubert hatten. Sichtlich erfreut zeigte sich Staffelkoordinatorin Caroline Harder als ihre jungen Damen schließlich im Gesamtergebnis auf Rang sieben gelistet wurden.
Etwa drei Stunden nach dem Staffelerfolg wurde Lisa-Marie Petkov erneut in den Callroom gebeten. Sie hatte sich am Vortag als Vorlaufzweite (58,87 Sekunden) für das Finale über 400-Meter-Hürden qualifiziert. Dort steigerte sie ihre Saisonbestzeit erneut auf nun 58,72 Sekunden und kam als Sechste ins Ziel. Für die 22-jährige, die seit 2015, ihrem bislang erfolgreichsten Jahr, immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen hatte, ist dieser Erfolg Lohn jahrelanger Beharrlichkeit. Dass sie ohne Beschwerden zu den besten Deutschlands gehört, gibt ihr nun ordentlich Rückenwind für die nächste Saisonvorbereitung im Herbst.
Stolz auf seinen fünften Platz in der Endabrechnung des Dreisprungs darf auch Gabriel Wiertz (TuS 1860 Pfarrkirchen) sein, zumal er mit 15,14 Meter eine neue persönliche Bestleistung erzielte und sich nach einer jahrelange Durststrecke zumindest in Berlin als bester Bayer fühlen durfte. Das Maximale herausgeholt hat auch Dreispringer Paul Walschburger. Der 21-jährige war zwar mit der zweitbesten Vorleistung angereist, musste nach einer Trainingsverletzung vom vergangenen Montag jedoch um einen Start bangen. Ausgerechnet das Außenband am Knöchel des linken Sprungbeins war angerissen. Doch der diesjährige Deutsche U 23-Meister steckte nicht zurück. Kurzerhand zog er dafür sogar bei der Physiotherapeutin der LG Stadtwerke München ein, die eine 24-stündige Rundumversorgung sicherstellte. Auch Trainer Richard Kick zeigte sich beeindruckt. Sowohl von der Willenskraft seines Schützlings als auch von der Weite, die ihm trotz der Verletzung gelang. 14,83 Meter gelangen Walschburger im dritten Durchgang, was ihm am Ende Rang sieben einbrachte.
Jeweils siebte Plätze sicherten sich in den Speerwurf-Wettbewerben auch Elisabeth Hafenrichter und Jonas Bonewit (beide LG Stadtwerke München). Für Hafenrichter war es nach den Bayerischen Meisterschaften, der U 20-EM und den Deutschen Jugendmeisterschaften bereits das vierte Wettkampfwochenende hintereinander. Dennoch behauptete sich die 19-jährige in der Frauenkonkurrenz und warf mit 51,52 Metern abermals im Bereich ihrer Bestleistung. Bonewit trat bei seinem Wettkampf im Olympiastadion gegen einige der derzeit besten Speerwerfer der Welt an. Seine 71,73 Meter sind zwar nicht das, was sich der Münchner für diesen Sommer vorgenommen hatte, angesichts einer hinderlichen Fußverletzung jedoch ein versöhnlicher Abschluss.
Im Rahmen der Erwartungen blieben Florian Orth und Simon Boch (beide LG Telis Finanz Regensburg) mit den Rängen sechs und sieben über 5000 Meter. In dem brutalen Spurtrennen konnte Orth, der sich auf seine Tätigkeit als Zahnarzt konzentriert, mit 14:06,69 Minuten nicht mehr in die Entscheidung eingreifen. Boch, der kein Spezialist auf dieser Strecke ist, benötigte 14:07,75 Minuten. Ein Wettkampf zum Genießen waren für Hammerwerferin Nancy Randig (SWC Regensburg) die Deutschen Meisterschaften im Berliner Olympiastadion, nachdem sie in der Vorwoche noch Silber bei der U 20-DM in Ulm erkämpfen konnte. Und entsprechend stark einzuschätzen war auch der achte Platz von Randig mit einer Weite von 56,68 Metern.