DM Bochum-Wattenscheid, Teil 2: Vier Meister kommen 2012 aus Bayern
Das Wichtigste vorab: Nahezu alle Kandidaten für die Europameisterschaften in Helsinki sowie die Olympischen Spiele in London blieben im Soll und unterstrichen vor großer Kulisse ihre Anwartschaft für internationale Aufgaben. Allen voran die einmal mehr die souveräne Dominatorin der deutschen Mittelstrecke, Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg), die ihren 1500-Meter-Titel klarer, als es das Endergebnis ausdrückt, verteidigte.
„Wir wollen ein schnelles Rennen sehen!“ forderte der Stadionsprecher vor dem Finale, und die Läuferinnen taten ihm und den Zuschauern den Gefallen. Zwar kamen sie nicht wieder in den Bereich der EM-Norm von 4:08,00 Minuten, die in diesem Jahr neben Harrer schon zwei andere Athletinnen unterbieten konnten. Aber gleich ein Pulk von fünf Läuferinnen blieb unter einer Zeit von 4:12,00 Minuten – das hätte in den vergangenen sieben Jahren immer für den Titel gereicht. 2012 wurde DM-Gold für 4:11,04 Minuten vergeben, und diese Leistung ging auf das Konto der Jahresbesten aus Regensburg. Corinna Harrer nahm 600 Meter vor Schluss das Heft in die Hand. Von der Spitze weg führte sie das Feld auf die Zielgerade und ließ dort niemanden mehr vorbei ziehen. „Ich konnte hier befreit laufen“, erklärte sie, denn das größte Ziel habe sie mit der Erfüllung der Olympia-Norm bereits abgehakt. „Hier wollte ich mich der deutschen Konkurrenz stellen und um den Titel laufen.“ Die Reihenfolge auf den Plätzen zwei und drei entsprach auch den Vorleistungen: Denise Krebs (TV Wattenscheid 01; 4:11,38 Minuten) und Diana Sujew (SC Potsdam; 4:11,53 Minuten) bestätigten kurz vor der EM ihre gute Form. Auf dem siebten Rang landete mit Agata Strausa (LAC Quelle Fürth) eine weitere Läuferin aus Bayern (4:16,07 Minuten).
Meister Florian Orth hofft auf Helsinki
Harrers Vereinskollege Florian Orth scheint sich über die gleiche Strecke für Vize-Europameister Carsten Schlangen langsam zu einem Trauma zu entwickeln. Wie schon 2011 in der Halle rang er abermals den höher eingeschätzten Schlangen nieder – diesmal jedoch nicht, weil dieser die Rundezahl falsch eingeschätzt hatte. 600 Meter vor dem Ziel zog Schlangen zunächst das Tempo an, einzig Orth blieb an ihm dran. Und nicht nur das: 200 Meter vor dem Ziel ging er sogar am Vize-Europameister vorbei und ließ auf der Zielgeraden keinen Konter mehr zu. „Der Spurt hat heute entschieden“, sagte der Sieger. In 3:43,71 Minuten beendete er die Siegesserie von Carsten Schlangen (3:44,28 Minuten), der zuletzt dreimal gewonnen hatte. „Ich hoffe nun, dass ich mit zu EM darf“, strahlte der frischgebackene Deutsche Meister anschließend. Die Chancen stehen für ihn auch mit der B-Norm keinesfalls schlecht.
Natürlich profitierte Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth) im Finale der 800 Meter vom krankheitsbedingten Verzicht der Dortmunder Titelverteidigerin Jana Hartmann und dem Sturz von Monika Merl. Aber die Leistung der „amerikanischen Mittelfränkin“ mit ihrem starken Finish auf den letzten hundert Metern war an diesem Tag allererste Qualität. Mit einer Zeit von 2:04,60 Minuten setzte sich Kesselring in einem rein bayerischen Duell mit der Münchnerin Karoline Pilawa (2:04,92 Minuten), die lange Zeit die Führungsarbeit inne hatte, und mit Sonja Mosler (TV Herkenrath; 2:05,25 Minuten) im Schlepptau durch. Die 22-Jährige krönte damit ihre Saison, die sie wegen ihres US-Studiums bislang ausschließlich in Nordamerika bestritten hatte. „Ich wollte dort weitermachen, wo ich drüben aufgehört hatte und die Saison gut zu Ende bringen“, sagte Anne Kesselring. Das gelang ihr zweifellos. Tatsächlich ist in den kommenden Wochen nun nicht mehr viel geplant. Ein EM-Start in Helsinki (Finnland) fällt mangels Norm flach, so dass Anne Kesselring momentan nicht mehr viel mehr als einen DM-Staffelstart im Juli über 3 x 800 Meter im Terminkalender stehen hat. Auf einem ehrbaren achten Platz kam im Endlauf Stefanie Müller (TSV Bobingen) in 2:08,81 Minuten ins Ziel.
Pflieger und Gabius dominieren 5000 Meter
Einen eindrucksvollen Beweis seiner Klasse lieferte Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) über die 5000 Meter gegen den „Überläufer“ Arne Gabius (LAV Stadtwerke Tübingen) ab, obwohl es die Finalteilnehmer zunächst gemütlich angehen ließen. Bei Rundenzeiten von rund 1:09 Minuten wechselte die Führung immer wieder. Gabius und Pflieger hielten sich aber stets in Lauerstellung. Nach genau 4000 Metern machte Arne Gabius Schluss mit lustig und zog das Tempo merklich an, nur Philipp Pflieger konnte ihm folgen. Mit fünf Metern Vorsprung auf den Regensburger und knapp 50 auf die weiteren Verfolger ging Gabius in die letzte Runde und ließ dann nichts mehr anbrennen. In 13:51,78 Minuten holte er sich seinen fünften Titel in Folge vor Pflieger (13:55,31 Minuten). Zusammen gingen sie nicht nur auf die Ehrenrunde, sondern treten auch die Reise zur EM an. Arne Gabius hat zudem auch die Olympia-Norm erfüllt. Knapp an den Medaillen vorbei lief der für die LG Hof startende Äthiopier Tufa Alemu Tirfesa als Vierter in 14:02,63 Minuten, während Tobias Gröbl (LG Zusam) auf dem achten Platz landete (14:17,34 Minuten).
Zittern heißt es für die beiden 400-Meter-Hürdenasse aus Bayern, Tobias Giehl (LG Würm Athletik) und David Gollnow (LG Stadtwerke München), was die Teilnahme an der EM in Helsinki angeht. Beide erfüllten zwar ihre Aufgabe in Wattenscheid, indem sie Silber (Giehl) beziehungsweise Bronze mit nach Hause brachten. Mit dem neuen Deutschen Meister Georg Fleischhauer (Dresdner SC 1898) haben neben Giehl und Gollnow noch zwei weitere Läufer die Norm erfüllt. Einer, nämlich Varg Königsmark (LG Nike Berlin), dürfte nach seinem vierten Platz trotz neuer Saisonbestleistung von 49,88 Sekunden bereits aus dem Rennen sein und der bei der Regensburger Gala stark auftrumpfende Silvio Schirrmeister meldete sich diesmal krank. So war der Weg frei für Fleischhauer, der mit seiner Zeit von 49,74 Sekunden in letzter Sekunde auf den Zug zu den Europameisterschaften in Helsinki aufsprang. Spannend wird es danach. Tobias Giehl kam in 49,82 Sekunden auf den Silberrang vor David Gollnow (49,87 Sekunden), verfügt aber über die etwas schlechtere Zeit im Vergleich zu seinem Münchner Kontrahenten. Gut möglich, dass einer der beiden schnellen Bayern die EM nur im Fernsehen anschauen darf.
LG Stadtwerke auf den letzten Metern
In den vergangenen neun Jahren hatten die Frankfurter 400-Meter-Staffelläufer sieben Mal bei den Deutschen Meisterschaften auf dem Podest gestanden. Sechs Mal davon holten sie Gold. Und auch dieses Mal mischten sie im Kampf um den Sieg munter mit. Benjamin Jonas brachte die Frankfurter Staffel nach dem ersten Wechsel in Führung, Niklas Zender verteidigte diese und schickte Clemens Höfer als Führenden auf die letzte Runde. Doch eingangs der Zielgeraden zog Hürdenläufer David Gollnow (LG Stadtwerke München), der bis dahin an Position zwei gelauert hatte, an Clemens Höfer vorbei und sicherte seinem Team in 3:07,91 Minuten den Sieg. Mit ihm freuen sich Kamghe Gaba, 3000-Meter-Hindernis-Vizemeister Michael Willms, der seine enorme Vielseitigkeit unter Beweis stellte, und Benedikt Wiesend. Für Gollnow ist es quasi sogar eine Titelverteidigung: Im Vorjahr hatte er mit seinem alten Verein TSV Erding in einer Startgemeinschaft mit dem asics Team Wendelstein und Jonas Plass schon Gold in Kassel gewonnen. Fünfter wurde hier die LG Würm Athletik in 3:15,15 Minuten.
Erfolgserlebnisse, allerdings unter völlig verschiedenen Ausgangspunkten, gab es für die bayerischen Viertelmeiler in den Einzelendläufen. Während Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München) nach seinem dritten Rang in 46,46 Sekunden hofft, wenigstens für die 4 x 400-Meter-Staffel mit nach Helsinki genommen zu werden, endete für Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) mit Bronze in 53,84 Sekunden eine lange Zeit der Leiden und damit auch der Erfolglosigkeit. Kohlmann platzierte sich hinter der neuen Meisterin Esther Cremer (TV Wattenscheid 01; 52,21 Sekunden) sowie Janin Lindenberg (SC Magdeburg; 52,81 Sekunden) und gehört nun wieder zum engeren Kreis der 4 x 400-Meter-Staffelläuferinnen. Bei den Männern schafften noch Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke München; Siebter in 47,39 Sekunden) und Johannes Trefz (LG Würm Athletik; Achter in 47,56 Sekunden) den Sprung ins Finale.
Bichler überrascht mit Bronze im Hammerwurf
Die Hammerwurf-Hackordnung in Deutschland durcheinander bringen konnte in Wattenscheid Johannes Bichler (LG Stadtwerke München). Wenn ein junger Athlet wie der 21-jährigen Achenmühler ausgerechnet im DM-Finale neue persönliche Bestleistung wirft (70,19 Meter), dann muss dies im Prinzip auch mit Bronze hinter dem alten und neuen Meister Markus Esser (75,38 Meter) und Andreas Sahner (70,72 Meter) belohnt werden. Dazu gehört das Glück des Tüchtigen, denn der Vierte Benjamin Boruschweski (TSV Bayer 04 Leverkusen) kam auf exakt die gleiche Weite wie Bichler, besaß jedoch den schlechteren zweiten Versuch. Sein Trainingspartner Jerrit Lipske (LG Stadtwerke München), der in diesem Jahr ebenfalls schon die 70-Meter-Marke übertraf, hätte gerne auch in den Kampf um die Medaillen eingegriffen, kam jedoch „nur“ mit 67,57 Meter auf den achten Rang.
33 Zentimeter fehlten derweil Kugelstoßer Robert Dippl (LAC Quelle Fürth) zur Wiederholung seines Bronze-Coups vom Vorjahr. So musste der blonde Hüne trotz persönlicher Bestleistung von 19,23 Meter mit dem undankbaren vierten Platz hinter Tobias Dahm (VfL Sindelfingen; 19,56 Meter), dessen Vereinskollegen Marco Schmidt (20,14 Meter) und Weltmeister David Storl (LAC Erdgas Chemnitz; 20,96 Meter) vorlieb nehmen.
Conrad spurtet mit
Für einen anderen Fürther langte es trotz bravourösen Kampfes über 800 Meter ebenfalls nur zu einem Platz neben dem Treppchen. Martin Conrad mischte zwar beim Schlussspurt um die Medaillen kräftig mit, attackierte auch die Führenden um den späteren Meister Sören Ludolph (LG Braunschweig; 1:49,04 Minuten), kam aber in der Endabrechnung erst als Vierter in 1:49,60 Minuten über den Zielstrich. Obwohl sie mit der Vergabe der Medaillen eigentlich nichts zu tun hatten, dürfen die Ränge fünf von Susi Lutz (LG Bamberg) und sechs von Julia Hiller (LAC Quelle Fürth) über 3000 Meter Hindernis durchaus positiv bewertet werden. Lutz, die Deutsche Meisterin von 2010, brauchte 10:22,40 Meter, und Hiller, die U 20-Vize-Europameisterin von 2009, 10:30,05 Meter.
Bemerkenswert ebenfalls die sechsten Plätze von Speerwerferin Susanne Rosenbauer (LG Augsburg) mit guten 55,50 Meter und Dreispringerin Katharina Schreck (TS Herzogenaurach) mit 12,83 Metern. Nach oben zeigt die Formkurve auch für Sprinterin Martina Riedl (LG Stadtwerke München). Nach Saisonbestleistung von 24,14 Sekunden im Vorlauf, die ihr den Einzug ins Finale sicherten, wurde sie dort mit 24,42 Sekunden bei leichtem Gegenwind (-0,3) Achte. In der 4 x 100-Meter-Staffel der LG Stadtwerke München kam Martina Riedl zusammen mit Anja Wurm, Nele Baade und Christina Muckenthaler sogar auf den fünften Rang (46,51 Sekunden).
Traditionell suchen bei den Aktiven-Titelkämpfen die Jugend-Langstaffeln ihre Meister. Ein schöner Erfolg gelang dabei dem 4 x 400-Meter-Quartett der LG Stadtwerke München mit Lea Rieger, Nicole Klasna, Enya Burger und Christina Hering, das sich in 3:54,13 Minuten Bronze sichern konnte. Ihren männlichen Kollegen von der TG 48 Würzburg blieb ein ähnlicher Erfolg mit Rang vier in 3:20,79 Minuten knapp verwehrt. Zu Platz fünf beziehungsweise acht langte es über 4 x 400 Meter bei den Frauen für die LG Karlstadt-Gambach-Lohr (3:45,09 Minuten) und die LAC Quelle Fürth (3:46,69 Minuten). Über 3 x 800 Meter bei der weiblichen U 20 verpasste der TV Bad Kötzting (6:48,46 Minuten) um Haaresbreite Bronze. Die LAC Quelle Fürth wurde hier in 6:57,08 Minuten Achter. Als Fünfte trugen schließlich die Fürther Jungs in der männlichen U 20 über 3 x 800 Meter den Staffelstab ins Ziel (7:32,69 Minuten).