Deutsche Jugendmeisterschaften Jena, Teil 2: Fünf U 18-Medaillen, der Rest besorgniserregend
Die Mienen von BLV-Vizepräsident Sport Gerd Neubauer verfinsterten sich im Laufe des Freitag und Samstag auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena zusehends. „Viel zu wenige Teilnehmer, und demzufolge viel zu wenige Endkampfplatzierungen“, konstatierte Neubauer und suchte nach Gründen. Lag es an den Qualifikationshürden, die für die meisten D-Kader-Athleten im U 18-Bereich zu hoch waren? Oder an der fehlenden Motivation, die besondere Atmosphäre bei Deutschen Meisterschaften zu absorbieren. Sicherlich hätte die Teilnahme von Kugelstoßerin/Diskuswerferin Amelie Döbler (LG Stadtwerke München), die beim gleichzeitig stattfindenden Europäischen Olympischen Jugendfestival in Tiflis (Georgien) ihr Debüt im Nationaltrikot gab, die Bilanz ein wenig aufgehellt. Aber schon das Sprichwort sagt: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.
So blieb die ernüchternde Bilanz, dass trotz dreier Titel durch Corinna Schwab (TV 1861 Amberg), Jessyka Schneider (TV Hindelang) im Hammerwurf und völlig überraschend Niklas Buchholz (TV Hemhofen) über 2000 Meter Hindernis sowie des zweiten Platzes von Kugelstoßer Martin Knauer (LG Stadtwerke München) und Rang drei für 100-Meter-Sprinterin Katrin Fehm (SG Siemens Amberg) die Bayern auf den sechsten Rang in der Gesamtwertung ins deutsche Mittelmaß zurückfielen. „Wir müssen den Übergang von der U 16 zur U 18 intensiver gestalten“, stellte Neubauer in einem ersten Fazit fest. Dabei seien vor allem die Teamleiter des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) gefordert. Diese müssten den engeren Schulterschluss mit den Heimtrainern suchen, forderte der BLV-Vize.
U 18 männlich
Sensation: Obwohl man mit diesem etwas reißerischen Wort recht sparsam umgehen sollte, trifft es den Rennverlauf über 2000 Meter Hindernis bei der männlichen U 18 wahrscheinlich am allerbesten. Denn wer hatte zuvor allen Ernstes mit Niklas Buchholz als neuem Deutschen Meister gerechnet? Dabei kam dem jungen Mittelfranken das Missgeschick des großen Favoriten Yannik Dudda (LG Kurpfalz) zugute. Dieses letzte Hindernis, nach fast 2000 Metern. Da passierte es: Dudda, lange Zeit klar in Führung, stürzte. Und während er auf den Boden fiel, stürmte Niklas Buchholz vorbei und zum U 18-Gold in 6:05,31 Minuten. Dudda, über den zwischenzeitlich noch ein anderer Läufer gestolpert war, nämlich Malte Stockhausen (LAZ Rhede), rappelte sich auf und rettete Platz zwei ins Ziel (6:08,86 Minuten).
„Ich kann es noch nicht richtig glauben“, sagte der Sieger Niklas Buchholz. Dabei schien wirklich alles auf einen Sieg des mit der deutlich besten Vorleistung gemeldeten Yannik Dudda (6:02,64 Minuten) hinzulaufen. Etwa die Hälfte der Strecke war passiert, da setzte sich Dudda vorne ab, etwa auf Höhe des vorletzten Wassergrabens. Schnell waren einige Meter zwischen ihn und den Rest gebracht, und erst ab der letzten Kurve schob sich Buchholz wieder heran. Zehn Meter Vorsprung noch. Dann fünf Meter, Tendenz weiter schmelzend. „Ich habe das schon gemerkt, vielleicht kam daher die Unaufmerksamkeit beim letzten Hindernis“, analysierte Dudda. „Mein Knie war zu tief. Das ist schon ein bisschen ärgerlich“. Und Buchholz? „Ich musste da leider vorbeilaufen“. Die letzte Runde, das war seine Runde – „irgendwo holt man noch Reserven her“. Auf Platz elf: Theodor Schell (TSV Burghaslach; 6:17,51 Minuten).
Medaille Nummer zwei für die bayerischen U 18-Jungs ging auf das Konto von Martin Knauer (LG Stadtwerke München). Der Kugelstoßer, der seit weniger als einem Jahr bei Andreas Bücheler im Wurfteam München trainiert und dabei eine atemberaubende Entwicklung mit einer Steigerung von über drei Metern genommen hat, beweist vor allem, dass man gerade mit der leichteren Fünf-Kilo-Kugel mit Schnellkraft auf große weiten kommen kann. In Jena steigerte sich Knauer erneut auf grandiose 18,79 Meter, womit er seinen Kontrahenten Pascal Eichler (LAC Erdgas Chemnitz; 18,40 Meter) in die Schranken verwies. Nur Tobias Köhler (SC DHfK Leipzig), Trainingspartner von Weltmeister David Storl, erwies sich an diesem Tag als unschlagbar (20,21 Meter). Knauer durfte sich über seinen Deutsche Vizemeistertitel freuen.
Zwei weitere Sportler aus dem Freistaat hatten die Hände an einer Medaille. Lucas Mihota (Sportbund DJK Rosenheim), der bei der U 18-WM in Cali (Kolumbien) noch Deutschland vertreten hatte, allerdings nicht über die Qualifikation hinausgekommen war, konnte diesmal sein Potenzial (Bestleistung: 2,08 Meter) nicht abrufen und wurde mit 1,94 Meter unter Wert geschlagener Vierter. Etwas weniger als ein halber Meter fehlte Zdravko Petrovic (LG Stadtwerke München) in einem vom Wind verwehten Dreisprung-Wettbewerb auf Bronze (13,39 Meter).
Weitere Endkampf- beziehungsweise Endlaufplatzierungen gab es aus bayerischer Sicht für Christoph Claudius Gleixner (LG Landkreis Aschaffenburg) im Hammerwerfen (Sechster mit 60,16 Meter), Yannick Voß (TSV Schleißheim) im Diskuswerfen (Siebter mit 46,57 Meter), der 4 x 100 Meter-Staffel der Startgemeinschaft Untere Isar, die mit 43,59 Sekunden ebenfalls Platz sieben erreichte, sowie Robin Adelwarth (TV Erkheim) über 1500 Meter (Achter in 4:15,56 Minuten).
U 18 weiblich
Das war eine sichere Angelegenheit. Corinna Schwab bog als erste auf die Zielgerade ein, überquerte als erste die vorletzte Hürde, als erste die letzte Hürde und als erste die Ziellinie. Kein Zweifel: Das war ein ganz souveräner Sieg über die 400 Meter Hürden der weiblichen U 18. Und dazu noch eine neue persönliche Bestzeit, die nach dem Aussetzer bei der U 18-WM in Cali (Kolumbien) einfach nur gut tat: 59,18 Sekunden. Schneller war in dieser Saison nur die Sechste von Cali, Lea Ahrens (LAV Bad Harzburg, 58,21 Sekunden) – die ließ allerdings in Jena die Hürden weg und wurde auf der Flachbahn Deutsche Meisterin.
„Erst mal hat natürlich der Titel gezählt“, sagte Corinna Schwab, „aber mit Blick auf eine neue Bestleistung“. Und, um den (überflüssigen) Beweis zu erbringen, „dass ich es wirklich kann“. In Cali, bei der U18-Weltmeisterschaft, hatte Corinna Schwab im Vorlauf eine Zeit unter 59 Sekunden angesteuert – um dann an der vorletzten Hürde zu stürzen. In Jena kam die 16-Jährige unbeschadet ins Ziel, darüber hinaus deutlich vor ihren Konkurrentinnen.
Etwas abseits der großen Zuschauerkulisse gingen die Hammerwerferinnen auf dem Nebenplatz auf Weitenjagd. Das störte Jessyka Schneider keineswegs: „Ich bin nicht gern im Stadion und werfe vor so vielen Zuschauern.“ Selbst bezeichnete die 17-Jährige die Bedingungen sogar als „perfekt“. Und das erlesene Publikum schien sie regelrecht zu beflügeln, denn im vierten Durchgang ließ sie ihren Drei-Kilo-Hammer auf 63,61 Meter fliegen.
„Ich bin mit meiner Leistung mehr als zufrieden. Die Weite war der erhoffte Ausreißer“, zeigte sie sich nach dem Wettkampf überglücklich über ihre Leistung und natürlich ihren ersten Titelgewinn. „Er bedeutet mir sehr viel, weil es auch mein letzter großer Wettkampf in der U 18 war. Im nächsten Jahr startete ich in der U 20. Er ist für mich zugleich auch Motivation, dass ich in dieser Saison vielleicht noch mal die 64-Meter-Marke übertreffen kann.“ So ist von ihr noch ein Start bei den Allgäuer und Schwäbischen Meisterschaften geplant. Mit dem Ausreißer über 63 Meter verdrängte sie die Führende, Lia Heise (Einbecker SV), auf den zweiten Platz.
Gerne wäre Katrin Fehm noch einmal unter zwölf Sekunden gelaufen. Bei der U 18-WM in Cali zwei Wochen zuvor hatte sich die 17-jährige Quereinsteigerin noch auf den Punkt topfit gezeigt und ihre persönliche 100-Meter-Bestzeit auf 11,79 Sekunden gedrückt. In Jena stand drei Mal eine 12 vor dem Komma, am Schluss aber eine hochverdiente Bronzemedaille in 12,04 Sekunden hinter ihrer Nationalmannschaftsteamgefährtin Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01; 11,79 Sekunden) und Sophia Junk (LG Rhein-Wied; 11,87 Sekunden). Über 200 Meter trat Katrin Fehm am Sonntag ebenfalls an, wobei ihr vierter Rang in 24,57 Sekunden keinesfalls eine Enttäuschung war.
Die gleiche Platzierung gab es über die doppelt so lange 400-Meter-Strecke für Alica Schmidt (MTV 1881 Ingolstadt) – wobei sie vor Jena damit nie und nimmer gerechnet hatte. Nach dem Finale allerdings, in dem die langbeinige Ingolstädterin ihren Hausrekord um über eine Sekunde auf 56,46 Sekunden gesteigert hatte, musste sie feststellen, dass ihr zu Bronze nur zwölf Hundertstelsekunden gefehlt hatten. Dennoch eine bärenstarke Leistung! Ebenfalls neben dem Treppchen Platz nehmen musste über 1500 Meter Hindernis als Vierte Renee Havanga (LAC Quelle Fürth). Wenn sie über eine bessere Technik über den Balken und vor allem am Wassergraben verfügt hätte, wäre weitaus mehr drin gewesen. Dennoch verbesserte auch sie ihre Bestzeit auf 5:04,32 Minuten, ebenso wie die Achte Luca-Anna Liersch (LG Würm Athletik; 5:11,84 Minuten).
Zufrieden sein durften auch einige andere U 18-Läuferinnen aus dem Freistaat, wie etwa Sophia Rommel (TV Sontheim) mit Rang fünf über 3000 Meter in durchaus beachtlichen 10:06,72 Minuten, sowie die beiden 800-Meter-Läuferinnen Barbara Plötz (TV Bad Kötzting) und Julia Schraml (DJK Weiden), die knapp hintereinander als Sechste (2:13,71 Minuten; Plötz) und als Siebte (2:13,79 Minuten; Schraml) einkamen. Im Speerwerfen brachte Sabrina Reusch (LG Stadtwerke München) ihre beste Leistung exakt zum Saisonhöhepunkt: Mit neuem Hausrekord von 45,57 Meter wurde sie Sechste. Platz sieben im Weitsprung ging an Sandra Spinnler (LG Landkreis Aschaffenburg) mit 5,60 Metern.
Staffelgold für die LG Stadtwerke München, Silber für LG Telis Finanz Regensburg
Auf der Anzeigetafel leuchteten 6:19,20 Minuten auf. Eine starke Zeit für das Trio der LG Stadtwerke München, die sich am Abschlusstag der Deutschen Jugend- und Staffelmeisterschaften in Jena den Titel über 3 x 800 Meter bei den Frauen sicherten. Angeführt wurde die Meisterstaffel von Startläuferin Christine Gess, die als Erste den Stab an Karoline Pilawa übergab. Letztere musste auf ihrer Schlussrunde eingangs der Zielgeraden Lena Klaassen (TSV Bayer 04 Leverkusen) passieren lassen. Die Leverkusenerin übergab als Führende an Carolin Walter. Doch München bot auf der Schlussposition mit Christina Hering die Vize-Meisterin sowie Teilnehmerin für die Weltmeisterschaften in Peking (China; 22. bis 30. August) über 800 Meter auf.
In der ersten Runde hielt sie sich noch zurück über überließ Carolin Walter die Führungsarbeit. In der zweiten Runde eingangs der Gegengerade setzte Hering dann zum Überholmanöver an, spurtete mit langen Schritten an der Führenden vorbei und ließ einmal mehr ihre Klasse aufblitzen. Die 20-Jährige führte das Trio zu Gold.
Marco Kürzdörfer wechselte nach 2:24 Minuten als Erster im entscheidenden Lauf über 3 x 1000 Meter der Männer. Am Ende belegte das durch Bastian und Martin Grau komplettierte Trio der LSC Höchstadt/Aisch in 7:11,29 Minuten nur den undankbaren vierten Platz. Besser lief es da schon für die LG Telis Finanz Regensburg: Florian Orth übergab nach einem 2:19er-Abschnitt beim zweiten Wechsel als Erster auf Benedikt Huber. 850 Meter lang belauerten sich die Schlussläufer der LG Braunschweig. der LG Telis Finanz Regensburg und des TSV Bayer 04 Leverkusen.
Andreas Lange trat schließlich auf Höhe des Wassergrabens an und weckte damit den Ehrgeiz von Benedikt Huber und Robin Schembera (Bayer 04 Leverkusen), die postwendend gegenhielten und voll aufdrehten. Am Ende brachte das durch Startläufer Daniel Gruber komplettierte Trio aus Leverkusen den Stab in 7:08,77 Minuten zuerst ins Ziel – mit zwei Zehnteln Vorsprung auf die Regensburger (7:08,97 Minuten), für die Felix Plinke den Start übernommen hatte.