„See you in Tokyo“ wird für Christina Hering Wirklichkeit
Vor fünf Jahren verpasste Hering mit einer Zeit von 2:01,04 Minuten im olympischen Vorlauf den Einzug in die nächste Runde. Während damals bereits die Teilnahme als Erfolg zählte, soll es diesmal definitiv mit dem Sprung ins Halbfinale klappen. Erfahrungsgemäß kann dafür ein Niveau von unter 2:00 Minuten erforderlich sein. Eine Zeit, die die Sportsoldatin bereits drei Mal auf die Bahn gebracht hat, zuletzt am 3. Juli dieses Jahres im belgischen Heusden-Zolder (1:59,95 Minuten). Die Bestleistung der Athletin, die seit jeher für die LG Stadtwerke München startet, steht bei 1:59,41 Minuten, gelaufen im August 2019 in Pfungstadt, womit sie auch die Zulassungsnorm für die um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele unterbot. Gegen ein Update hätte die Münchnerin nichts einzuwenden, im Gegenteil: „Eine neue Bestzeit ist das große Ziel. Ich bin mir sicher, dass sie in meinen Beinen steckt. Gerne darf es auch in Tokio passieren. Durch den Turniercharakter sind die Zeit dort allerdings eher nachrangig.“
Erfolgreichste 800-Meter-Läuferin seit der Wiedervereinigung
Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig Anfang Juni hat Christina Hering zum wiederholten Male gezeigt, dass sie die bestimmende 800-Meter-Läuferin der zurückliegenden Jahre hierzulande ist. Mehr als das. Sie holte in Braunschweig ihren siebten Freiluft-DM-Titel, gleichbedeutend mit dem sage und schreibe sechsten Titel in Folge. Lediglich 2015 verpasste sie die Goldmedaille, lief aber im Sog der Deutschen Meisterin Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) mit neuer Bestzeit zur Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Peking im selben Jahr. Sicher mehr als ein Trostpflaster für den zweiten Rang. „Es ist ein tolles Gefühl, dass ich seit meinem ersten Titel im Jahr 2014 konstant meine Leistung abrufen kann. 2015 war ja auch eine besondere Meisterschaft, weil ich dort das erste Mal die zwei Minuten unterboten hatte“, erinnert sich Hering.
Seriensieger sind in der bayerischen Landeshauptstadt nicht unbedingt eine Besonderheit. So holte der FC Bayern München doch in diesem Jahr das neunte Mal in Folge die Meisterschale der Fußball-Bundesliga. Bedenkt man allerdings, dass der Großteil des aktiven Personals des Clubs in dieser Zeit mehrfach ausgetauscht wurde, wird man sich erst bewusst, was Christina Hering in der Individualsportart Leichtathletik ohne Nachverpflichtung und Auswechselbank erreicht hat. Um die Bedeutung zu untermalen: Christina Hering ist die erste deutsche 800-Meter-Läuferin, die in der Geschichte dieses Wettbewerbs sechs Mal in Folge den 800-Meter-DM-Titel gewinnen konnte. Bei gesamtdeutschen Meisterschaften gab es vor ihr noch nie eine Läuferin, die insgesamt sieben Freilufttitel gewonnen hat. Dazu kommen außerdem noch fünf DM-Titel, die sie unterm Hallendach erlaufen konnte. Eine deutsche Mittelstreckenläuferin mit insgesamt zwölf Titeln sucht man seit 1991 vergeblich.
Beeindruckende Konstanz
Seit elf Jahren hat sie an jeder (!) deutschen Freiluft-Meisterschaft der Erwachsenenklasse erfolgreich teilgenommen. Ihren Anfang genommen hat diese beeindruckende Bilanz im Jahr 2011. Bei der DM in Kassel war sie im Rahmen des Wettbewerbs mit der U 20-Staffel der LG Stadtwerke München aktiv. Diese belegte, mit der damals 16-jährigen Christina Hering an Position zwei laufend, den achten Platz über 3 x 800-Meter. 2012 in Bochum-Wattenscheid schaffte sie es mit der Münchener 4 x 400-Meter-Jugendstaffel das erste Mal aufs Podest. Das Quartett gewann Bronze. Der Erfolg mit der Langsprintstaffel konnte im nächsten Jahr wiederholt werden und das sogar in der Frauenklasse.
Seit 2014 ist die 1,87 Meter große Mittelstreckenläuferin in jedem Jahr in ihrer Hauptdisziplin, den 800 Metern, an den Start gegangen. International hat sie, zuletzt mit der Hallen-EM in diesem März, an allen Meisterschaftsformaten teilgenommen, die die Leichtathletik zu bieten hat. Die Heim-EM 2022, für die sie als Botschafterin medial unterwegs ist, stellt ein weiteres attraktives Ziel für die Zukunft dar.
Auf die Frage, was hinter ihrer beeindruckenden Konstanz steckt, antwortet sie: „Das Wichtigste ist, gesund zu bleiben, wozu immer ein bisschen Glück gehört. Aber ich investiere natürlich auch viel Zeit neben dem Training in Regeneration und Physiotherapie, ernähre mich gesund, schlafe viel und habe meinen Alltag doch sehr dem Sport untergeordnet. Die Leichtathletik steht für mich seit mehreren Jahren an erster Stelle.“ Auch die Rolle ihrer Trainer und ihres sportlichen Umfeldes hebt sie hervor: „Meine Trainer sind super wichtig. Mit Andi (Andreas Knauer, seit Jahresbeginn DLV-Bundestrainer Mittelstrecke Frauen) arbeite ich schon sehr lange zusammen. Wir haben ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis und können über alles offen sprechen. Nach der tollen Zusammenarbeit mit Daniel (Entdecker und Trainer Daniel Stoll, seit 2018 als Lehrer in Israel) habe ich mit Jonas (Zimmermann) jemanden gefunden, der es schafft, mich sowohl im Training als auch im Wettkampf mental und körperlich perfekt vorzubereiten. Er hat natürlich ebenfalls einen großen Anteil an den Erfolgen. Auch das Umfeld in München ist perfekt.“
800-Meter-Startzeiten bei den Olympischen Spielen
Direkt am Auftakttag der Leichtathletik-Wettkämpfe am 30. Juli finden die sechs 800-Meter-Vorläufe der Frauen statt. Das erste Rennen der Mittelstrecklerinnen wird um 9.55 Uhr Ortszeit gestartet. Da die japanische Uhr der hiesigen (während der Sommerzeit) um sieben Stunden voraus ist, muss sich der Zuschauer hierzulande bereits um 2.55 Uhr vor dem TV-Gerät einfinden, um die Vorlaufrunde zu verfolgen. Bereits am Folgetag, 31. Juli, stehen im Olympiastadion von Tokio ab 20.50 Uhr Ortszeit drei Halbfinals auf dem Programm. Das 800-Meter-Finale der Frauen kommt dann am 3. August um 21.25 Uhr zur Austragung.