Ludwig-Jall-Sportfest München: Starke Viertelmeiler und das Drama um Robert Dippl
Für den ersten Höhepunkt bei den als Topwettbewerben angekündigten Läufen sorgten die Hürdenspezialisten. Überraschend siegte der 20-jährige Felix Franz (LG Neckar-Enz), der deutsche Jugendmeister der vergangenen drei Jahre, in 50,46 Sekunden vor dem deutschen Meister und EM-Finalisten Georg Fleischhauer (Dresdner SC/50,71 Sekunden), der bis zur letzten Hürde deutlich geführt hatte, dann aber seinem scharfen Anfangstempo Tribut zollen musste. Franz erfüllte mit seiner Zeit, die DLV-Saisonbestleistung und eine persönliche Bestmarke bedeutete, die Norm (51,00 Sekunden) für die U 23-Europameisterschaften im finnischen Tampere.
Danach folgten die starken Auftritte der lokalen Asse von der LG Stadtwerke München. David Gollnow, der deutsche Meister 2011 über 400 Meter Hürden, hatte sich für einen Start über die Flachstrecke entschieden. Und nach langer Vorbereitungszeit (unter anderem drei Wochen Trainingslager in Südafrika) und einem gelungenen Auftakt vor einer Woche über die „krummen“ 300-Meter-Strecken in Pliezhausen feierte er nun in München einen Einstand über die volle Stadionrunde nach Maß. Der 24-Jährige gewann in persönlicher und DLV-Jahresbestzeit von 46,38 Sekunden vor seinem LG-Kollegen Jonas Plass (46,60 Sekunden). Der Staffelkamerad der beiden, Olympia-, WM- und EM-Teilnehmer Kamghe Gaba, hatte zwar auch gemeldet, war aber nur als Zuschauer im Stadion, weil er sich anfangs der Woche beim Training einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel zugezogen hatte.
Das dritte Glanzstück lieferte die erst 18-jährige Christina Hering (ebenfalls LG Stadtwerke München) ab. Eine Woche nach ihrer persönlichen Bestleistung über 800 Meter in Regensburg (2:07,18 Minuten) überzeugte die deutsche Hallen-Jugendvizemeisterin den leitenden Landestrainer Andreas Knauer und ihren Heimtrainer Daniel Stoll auch über 400 Meter. Sie startete in einem Lauf zusammen mit den besten Frauen und war auch hier die Schnellste. Ihre persönliche Bestmarke aus dem Vorjahr (55,48 Sekunden) verbesserte sie gleich um erstaunliche 1,21 auf 54,27 Sekunden, womit sie die Qualifikationsnorm für die U 20-EM (54,40 Sekunden) im italienischen Rieti schaffte. Christina Hering, die ihre inzwischen steil nach oben führende Sportkarriere beim Post-SV München begann, war nach ihrem Lauf überglücklich, wirkte aber auch ein bisschen ratlos: Auf welche Strecke soll sie sich nun wohl konzentrieren?
Ein kleines Drama hatte sich gleich im ersten Männerwettbewerb am Vormittag abgespielt. Robert Dippl (LAC Quelle Fürth), Bayerns Abonnementsmeister im Kugelstoßen, war bester Dinge angetreten. Zwei Wochen zuvor hatte er nach einer gut halbjährigen Wettkampfpause nach einer kleinen OP und dem erfolgreichen Abschluss seines Maschinenbaustudiums in Germering ein vielversprechendes Comeback mit persönlicher Bestleistung (19,27 Meter) im Wurfring gegeben. Im Dantestadion bestätigte er seine gute Verfassung prompt im ersten Versuch mit einer weiteren Verbesserung auf 19,39 Meter, was schon den Sieg mit Riesenabstand auf den Zweiten bedeutete. Im zweiten Durchgang wuchtete er das Wurfgerät noch einmal auf 19,38 Meter, doch in der Vorbereitung zum dritten Versuch verletzte sich der Athlet, der seit 2006 bei Deutschen Meisterschaften stets einen Platz unter den besten Sechs belegte, ernsthaft an der Wadenmuskulatur. Gerhard Neubauer, BLV-Vizepräsident Sport, konnte es kaum fassen: „Der Robert war so gut drauf, und dann muss so etwas passieren. Das bedeutet wahrscheinlich acht Wochen Pause – und dann sind die Meisterschaften schon vorbei.“
Ein anderer Werfer erreichte in München zumindest sein erstes Saisonziel: Till Wöschler (LAZ Zweibrücken), Junioren-Europameister 2011 im Speerwurf, wollte die Norm für die U 23-EM (76,00 Meter) übertreffen, und das gelang ihm mit einem Siegeswurf auf 76,85 Meter. Die Plätze belegten mit Abstand Lars Hamann (Dresdner SC/73,93 Meter) und als bester bayerischer Vertreter Kim-Dominik Seyfried (LG Augsburg/68,79 Meter). Dessen Vereinskameradin Susanne Rosenbauer, seit Jahren beständigste Speerwerferin, wurde bei den Frauen ihrer Favoritenrolle gerecht und siegte überlegen mit 53,15 Metern.
Bei strahlendem Sonnenschein hatten eigentlich nur die Sprinter Grund, ein bisschen unzufrieden zu sein. Zumeist kräftiger Gegenwind (zum Beispiel 1,6 m/sek. beim 100-Meter-Finale der Männer) verhinderte die angestrebten Zeiten. Der Thüringer Martin Brieger (LG Ohra-Energie) gewann die 100 Meter in 10,87 Sekunden vor Benjamin Brömme (LG Eintracht Frankfurt/10,94 Sekunden), über 200 Meter drehte Brömme den Spieß um und siegte in 21,18 Sekunden vor Brieger (21,57 Sekunden). Den dritten Platz belegte jeweils Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke), Mitglied der deutschen Meisterstaffeln über 4 x 400 Meter 2012 im Freien und 2013 in der Halle, der sich diesmal auf die kurzen Distanzen festgelegt hatte, mit 11,13 beziehungsweise 21,57 Sekunden.
Bei den Frauen kam eine Sprinterin, auf die man besonders gespannt war, in „Zivil“ in Stadion. Alexandra Burghardt (LG Stadtwerke München), die deutsche Doppel-Jugendmeisterin über 100 Meter und 100 Meter Hürden, war erst am Tag zuvor müde mit einem Muskelkater vom zehntägigen Trainingslager auf Teneriffa zurückgekehrt. Um vor den kommenden wichtigen Wettkämpfen kein Verletzungsrisiko einzugehen, verzichtete sie in Absprache mit ihrem Trainer auf einen Start. So war der Weg frei für einen Gast aus Slowenien: Kristina Zumer, auch erst 20 Jahre alt, feierte einen Doppelsieg über 100 Meter (11,99 Sekunden bei 3,6 m/Sek. Gegenwind) und 200 Meter (23,96 Sekunden). Beste bayerische Sprinterinnen waren an diesem Tag die Zwillinge Martina und Julia Riedl (LG Stadtwerke München): Martina wurde im 100-Meter-Lauf in 12,22 Sekunden (Vorlauf 12,08 Sekunden) Zweite, Julia über 200 Meter in 24,35 Sekunden Dritte; beide hatten jeweils noch einen vierten Platz aufzuweisen. Als Siegerin des 100-Meter-Hürdenlaufs durchbrach Christina Muckenthaler /LG Stadtwerke München) mit 13,97 zum ersten Mal die 14-Sekunden-Grenze.
Von vielen hoffnungsvollen bayerischen Nachwuchsathleten und -athletinnen, die beim Pfingstmeeting mit ansprechenden Leistungen aufwarteten, verdient einer besonders hervorgehoben zu werden: Laurin Walter (LG Stadtwerke München), der deutsche U 18-Jugendmeister 2012 im 400-Meter-Lauf, der in der Woche zuvor in Regensburg bereits wieder mit einer Zeit von 48,67 Sekunden auf sich aufmerksam gemacht hatte, trat diesmal auf den kurzen Sprintdistanzen an. Aber auch da glänzte er mit persönlichen Bestzeiten: mit 11,04 Sekunden über 100 Meter (als Fünftbester in den Zeitvorläufen der Männer) und über 200 Meter mit 21,92 Sekunden (als Sieger bei der U 20). Außerdem gehörte Laurin Walter – zusammen mit Daniel Trossmann, Dimitrios Salassidis und Florian Bauer – einer Jugendstaffel der LG Stadtwerke München an, die über 4 x 100 Meter vor drei Männer-Staffeln ins Ziel kam. Mit 41,53 Sekunden sprinteten die Münchner Youngster eine Zeit, die praktisch dem 29 Jahre alten, handgestoppten bayerischen A.-Jugend-Rekord (41,3 Sekunden) des MTV 1881 Ingolstadt entspricht.