Bayern fahren hoffnungsfroher als 2009 zur DM nach Braunschweig
Nur neun Tage später beginnen die Europameisterschaften in Barcelona (27. Juli bis 1. August). In Braunschweig geht es also nicht nur um Meistertitel, sondern für viele Athleten und Athletinnen der deutschen Spitzenklasse auch noch um die Erfüllung der EM-Norm. Bei den Deutschen Meisterschaften 2009 in Ulm - damals vor den Weltmeisterschaften in Berlin - musste sich das bayerische Aufgebot mit fünf Medaillen begnügen, und es war keine goldene dabei. Zwei BLV-Vertreter wurden Vizemeister, dreimal gab es Bronze. Viel spricht dafür, dass die Bilanz in diesem Jahr wesentlich erfreulicher aussehen wird.
Bei den Männern kommen in zwei Disziplinen, die immer wieder zu den spektakulärsten Wettbewerben zählen, die Favoriten aus Bayern - im 100-Meter-Lauf mit Tobias Unger und im Stabhochsprung mit Malte Mohr, beide seit Jahresbeginn im Trikot der LG Stadtwerke München.
Favorit Tobias Unger
Tobias Unger, der erfolgreichste deutsche Sprinter der vergangenen Jahre, bestätigte kürzlich in Mannheim mit dem neuen bayerischen Rekord von 10,14 Sekunden seine derzeit glänzende Form. Es wäre also keine Überraschung, würde er seinen Meistertitel erneut verteidigen. Neben ihm erfüllten vier weitere DLV-Sprinter bisher einmal die für Barcelona zweimal geforderte Norm (10,30 Sekunden), unter ihnen Ungers Trainingspartner Marius Broening (LG Stadtwerke München/10,26) und der jetzt für Chemnitz startende, aber noch in München lebende Ex-Sechziger Christian Blum (10,27). Auch diese beiden können sich also noch Chancen auf eine EM-Teilnahme ausrechnen. Sollte der auch für die 200 Meter gemeldete Tobias Unger auf dieser Strecke ebenfalls starten, darf man ihm eine weitere Medaille zutrauen; allerdings werden hier Sebastian Ernst (TV Wattenscheid) die besten Aussichten eingeräumt. In der deutschen Jahresbestenliste über 4 x 100 Meter nimmt die LG Stadtwerke München unter den Vereinsstaffeln zwar mit 40,43 Sekunden die Spitzenposition ein, etwas höher im Kurs steht bei den Experten jedoch der oftmalige Meister TV Wattenscheid. Für die übrigen Teilnehmer aus Bayern (LG Karlstadt-Gambach-Lohr, LG Region Landshut und asics Team Wendelstein) wäre die Qualifikation für den Endlauf ein Erfolg.
Nach den bisher in dieser Saison erzielten Zeiten sind der Vorjahres-Vizemeister Jonas Plass (asics Team Wendelstein) und David Gollnow (TSV Erding) durchaus Anwärter auf die Teilnahme am 400-Meter-Endlauf. Sollten sie dieses Ziel erreichen, würden sie auch um einen Platz in der deutschen 4 x 400-Meter-Staffel bei der EM kämpfen. Martin Conrad (LAC Quelle Fürth/Nummer fünf der DLV-Jahresbestenliste), Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) und der noch zur A-Jugend zählende Marco Kürzdörfer (TSV Höchstadt/Aisch) sind Bayerns Vertreter im 800-Meter-Lauf. Orth ist neben seinem Vereinskollegen Philipp Pflieger für die 1500 Meter gemeldet, ferner Falko Zauber und René Bauschinger (beide LAC Quelle Fürth) und Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München). Man darf erwarten, dass Philipp Pflieger eher seine Chancen über 5000 Meter wahrnehmen wird, verbesserte er sich doch auf dieser Strecke erst vor wenigen Tagen bei einem Start in Belgien auf hervorragende 13:46,02 Minuten und gilt deshalb als Medaillenkandidat. Auch Sebastian Hallmann wird sich kaum einen Doppelstart zumuten und voraussichtlich nicht über1500 Meter, sondern über 5000 Meter mit Aussichten auf eine gute Platzierung antreten. Mit einem Rang im Vorderfeld kann ferner Richard Friedrich (LG Passau) rechnen.
Gollnow Kandidat für den Endlauf
Sollte David Gollnow nicht die 400 Meter flach, sondern die 400 Meter Hürden bestreiten, wäre er aller Voraussicht nach ein sicherer Endlaufanwärter, wenn nicht sogar ein Kandidat für einen Podestplatz. Junioren-Europameister Tobias Giehl (LG Würm Athletik) kann in Braunschweig wegen seines Starts bei der U 20-Weltmeisterschaft im kanadischen Moncton nicht dabei sein. Im 3000-Meter-Hindernislauf sind zwar von Daniel Götz (LAC Quelle Fürth) und Felix Hentschel zwar keine Medaillen zu erwarten, dennoch könnten sie eine gute Rolle spielen.
Seit „Altmeister“ Tim Lobinger nach München wechselte und in seinem Gefolge zwei Jahre danach auch andere (jüngere) Stabartisten sich der LG Stadtwerke anschlossen, ist die bayerische Landeshauptstadt zu einer Stabhochsprung-Hochburg geworden. Hallen-Vizemeltmeister Malte Mohr erfüllte bereits vier Mal die EM-Qualifikationsnorm (5,70 Meter) und steht mit seiner Saisonbestleistung von 5,80 Metern (gemeinsam mit Ralph Holzdeppe vom LAZ Zweibrücken) an der Spitze der DLV-Bestenliste. Fabian Schulze (LG Stadtwerke München) bewältigte am Dienstag in Lüttich zum zweiten Mal in dieser Saison die 5,70 Meter und gilt ebenfalls als Medaillenanwärter. Lobinger, der Mann der den Stabhochsprung in Deutschland über ein Jahrzehnt lang beherrschte, überquert zwar seit Wochen mit erstaunlicher Konstanz immer wieder die 5,50 Meter, aber es müssten schon einmal wenigstens zehn Zentimeter mehr drin sein, wenn es bei der Leistungsdichte in dieser Sportart zu mehr als nur zur Endkampfteilnahme reichen sollte.
In den übrigen Sprungwettbewerben zählt der mehrfache deutsche Jugend- und Juniorenmeister im Dreisprung, Manuel Ziegler (LG Telis Finanz Regensburg), inzwischen auch bei den Männern zur deutschen Spitzenklasse, das will er nun auch in Braunschweig wieder beweisen. Im Kugelstoßen wird Robert Dippl (LAC Quelle Fürth), der kürzlich seine persönliche Bestweite auf 19,20 Meter steigerte, wohl im Endkampf vertreten sein, im Hammerwurf könnte Jerrit Lipske (LG Stadtwerke) seine Teilnahme am Endkampf schon als Erfolg verbuchen.
Für welche Disziplinen entscheidet sich Fabienne Kohlmann?
Bei den Frauen hat Verena Sailer ein klares Ziel vor Augen - ihren fünften deutschen Meistertitel in Folge über 100 Meter. Die in Bayern aufgewachsene und hier zur Klassesprinterin ausgebildete Athletin startet bekanntlich seit dem Vorjahr für die MTG Mannheim. Die Trumpfkarte des BLV ist deshalb in Braunschweig nun die mehrfache deutsche Jugend- und Juniorenmeisterin Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr), die derzeit auf zwei Strecken (800 Meter und 400 Meter Hürden) die DLV-Bestenliste anführt, einmal Rang drei (400 Meter flach) einnimmt und gleich dreimal gemeldet ist. Starts auf allen drei Strecken lassen sich an zwei Tagen natürlich nicht bewältigen, vermutlich wird die 20-Jährige versuchen, über die Hürden ihren ersten deutschen Meistertitel bei den Frauen zu holen. Denkbar wäre eventuell auch ein Start über 400 Meter.
Corinna Harrer, das Multitalent der LG Telis Finanz Regensburg), war im Vorjahr als A-Jugendliche deutsche Vizemeisterin der Frauen über 1500 Meter und Silbermedaillengewinnerin bei der U 20-EM über 800 Meter. In Braunschweig kann die auch heuer noch zur A-Jugend zählende Athletin nicht erneut glänzen, weil sie bereits zu den U 20-Weltmeisterschaften in Kanada geflogen ist. Für die 800 und 1500 Meter ist bei den Deutschen Meisterschaften die vom Studienaufenthalt in den USA zurückgekehrte Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth) gemeldet, die - je nachdem für welche Strecke sie sich entscheidet - ganz vorn mit dabei sein sollte. Auch Christiane Danner (LG Telis Finanz Regensburg) kann sich zwischen den beiden Mittelstrecken entscheiden und sollte - ebenso wie Sandra Keil (LAC Quelle Fürth) über 800 Meter - einen guten Eindruck hinterlassen.
Susi Lutz in Lauerstellung
In der Bestenliste über 5000 Meter liegt Ingalena Heuck (LG Stadtwerke München) derzeit zwar lediglich auf Rang neun, doch die deutsche Halbmarathonmeisterin hat in den letzten Monaten mit starken Leistungen so imponiert, dass ihr Insider einen Medaillengewinn zutrauen. Die Titelverteidigerin im 3000-Meter-Hindernislauf, Antje Möldner (SC Potsdam), fehlt verletzungsbedingt, außerdem sucht die Jahresbeste Verena Dreuer (LG Sieg) nach einer Verletzung erst wieder die rechte Form - das könnte eine Titelchance für Susi Lutz (LG Telis Finanz Regensburg) und Julia Hiller (LAC Quelle Fürth) bedeuten. Die Fürtherin, die schon 2007 einmal deutsche Meisterin war und im Vorjahr den dritten Platz über die Hindernisse belegte, hat jedoch den Trainingsrückstand wegen ihres Studiums noch nicht ganz aufgeholt. Im Hürdensprint über100 Meter will Jennifer Reinelt (1. FC Passau) versuchen, den Endlauf zu erreichen, Pamela Spindler (LG Telis Finanz Regensburg) musste dagegen ihren Start wegen einer Verletzung absagen. Bei den Staffeln liebäugeln der 1. FC Passau (4 x 100 Meter) und das LAC Quelle Fürth (4 x 400 Meter) mit der Qualifikation für den Endlauf.
Im Weitsprung wäre Michelle Weitzel (LG Telis Finanz Regensburg) im Endkampf sicherlich aussichtsreich dabei gewesen, doch auch sie muss verletzungsbedingt auf die Teilnahme verzichten. Wie Katharina Schreck (TS Herzogenaurach), die Überraschungs-Vizemeisterin 2008 im Dreisprung, abschneiden wird, nachdem sie in dieser Saison nur einen Wettkampf in ihrer Paradedisziplin bestritten hat? In den Wurfwettbewerben der Frauen ist aus bayerischer Sicht vor allem der Speerwurf interessant. Susanne Rosenbauer (TSV Schwaben Augsburg) wirft beständig genug, um sich für den Endkampf zu qualifizieren, die ehemalige Junioren-Weltmeisterin Sandra Schaffarzik (ESV Nürnberg Rangierbahnhof) hat in diesem Jahr noch kein Ergebnis aufzuweisen, das in der Bestenliste zu finden ist.