Deutsche Mehrkampfmeisterschaften Kienbaum: Die Renaissance der vielseitigen Bayern
Was hätte das für ein Zehnkampf aus bayerischer Sicht bei den Männern werden können! Während parallel dazu bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Kai Kazmirek, Arthur Abele und Rico Freimuth die deutschen Fahnen hochhielten, traten einige tausend Kilometer weiter nördlich in Kienbaum einige mutige Athleten aus dem Freistaat an, um ein für allemal die Mär von der Zehnkampf-Diaspora Bayern zu begraben. Den Vogel schoss dabei Christoph Lange (TS Herzogenaurach) ab. Der Neu-Herzogenauracher fuhr zusammen mit Trainer Peter Müller als Ein-Mann-Team und als neuntbester in der Meldeliste sowie einer Bestleistung von unter 7000 Punkten nach Kienbaum und konnte am Schluss ein Glück kaum fassen. Der 25-Jährige steigerte sich nach einem grandiosen Zehnkampf auf 7253 Zähler, was Silber und die Deutsche Vizemeisterschaft bedeutete.
In jeder der zehn Disziplinen kam Lange nah an seine persönliche Bestleistung heran und hatte im Gegensatz zu seinen Konkurrenten keinen Durchhänger. Mit 11,35 Sekunden über 100 Meter startete er prima in den Wettkampf. Es folgten gute 6,72 Meter im Weitsprung und 12,70 Meter mit der 7,26 Kilo schweren Kugel. Nach übersprungenen 2,00 Metern in seiner Paradedisziplin Hochsprung haderte der Mittelfranke mit sich, da er etwas unglücklich an 2,03 Metern scheiterte. Dennoch rückte er vor auf Position drei.
Diesen Rang verteidigte er am späten Abend mit einem starken 400-Meter-Lauf, den er in 50,94 Sekunden beendete. Somit lag er nach dem ersten Tag hinter Matthias Brugger, der für Deutschland bei der EM in Amsterdam am Start war, und Felix Heppele völlig überraschend auf einem Medaillenrang. Da die Punktabstände auf die weiteren Platzierten aber sehr gering waren, hatte dies noch nicht viel zu bedeuten.
Hochmotiviert und konzentriert ging der Herzogenauracher auch in den zweiten Tag und sprintete in 15,34 Sekunden über die 110 Meter Hürden. Nach 37,17 Metern mit dem zwei Kilo schweren Diskus folgte der Stabhochsprung. Hier machte sich der Kraftverlust erstmals bemerkbar, und Lange musste richtig kämpfen. Seine Einstiegshöhe von 4,30 Metern meisterte er erst im zweiten Versuch, für 4,40 Meter brauchte er sogar drei Anläufe. Mit viel Kampfgeist überwand er aber auch noch die 4,50 Meter und stand plötzlich sogar auf Platz zwei, da Brugger beim Stabhochsprung drei Mal an seiner Einstiegshöhe scheiterte und damit die Goldmedaille verspielte.
Mit einer tollen Steigerung auf 53,95 Meter im Speerwurf hielt Lange seine Gegner auf Distanz. Somit lag der Herzogenauracher vor dem abschließenden 1500-Meter-Lauf tatsächlich auf Rang zwei und hatte die Medaille vor Augen. Die anvisierte Zielzeit sollte um die 4:45 Minuten liegen. Genau dieses Tempo lief Christoph Lange drei Runden lang konstant durch und hatte dann sogar noch die Energie für einen Endspurt, durch den er nach 4:40,97 Minuten ins Ziel kam. Der Titel ging mit 7441 Zählern an Felix Hepperle (LG Neckar-Enz).
Doch das war nicht der einzige bayerische Zehnkampf-Trumpf an diesem Wochenende. Florian Obst (TV Emmering) schaffte als glänzender Fünfter mit 7109 Punkten ebenfalls eine neue persönliche Bestleistung, wobei hier sein starker 100-Meter-Sprint (11,07 Sekunden), der Weitsprung mit 6,85 Meter, die 400 Meter mit 50,78 Sekunden und der Speerwurf mit 55,51 Meter hervorstachen.
Kaum auszudenken, was gewesen wäre, wenn mit dem Bayerischen Meister Stefan Matulla, Matthias Küsters (beide SWC Regensburg) und Simon Ziegler (LG Telis Finanz Regensburg) nicht drei weitere Trumpfasse unerwartete Ausfälle in Kauf hätten nehmen müssen. Matulla wurde im Hürdensprint disqualifiziert und hatte außerdem keinen gültigen Versuch im Speerwerfen, Küsters baute einen §Salto Nullo" im Stabhochsprung und Ziegler beendete die Titelkämpfe vorzeitig am ersten Tag, nachdem er seine Anfangshöhe im Hochsprung drei Mal gerissen hatte.
Dennoch gab es für die "Könige der Athleten" aus dem Freistaat noch eine weitere Medaille, und zwar in der Mannschaftswertung. Das Team der LG Stadtwerke München mit Jakob Siebler (Siebter in der männlichen U 23 mit 6856), Thomas Rieger (14. bei den Männern mit 6063) und Benjamin Thomsen (15. bei den Männern mit 6012) holte sich die Bronzemedaille mit 18 931 Punkten hinter dem Deutschen Meister Bayer 04 Leverkusen (21 978) und der LG Region Karlsruhe (20 184). Noah Kollhuber (LG Sempt) kam in der U 23 noch auf einen guten elften Rang (6474).
Anna-Lena Obermaier erkämpft sich Rang drei
Für Anna-Lena Obermaier (LG Sempt) war es der perfekte Abschluss einer aufregenden ersten Saison in der Aktivenklasse. Die 20-Jährige steigerte nur 14 Tage nach ihrem ersten Auftritt im Nationaltrikot beim Thorpe-Cup in Arkansas (USA) ihre persönliche Bestleistung im Siebenkampf auf 5504 Punkte. Dies reichte in Kienbaum in der U 23-Wertung zu Bronze. Im Hürdensprint gelang Obermaier mit 14,45 Sekunden eine neue Jahresbestleistung, während das Kugelstoßen mit 12,28 Meter sogar mit einem neuen Hausrekord zuende ging. 1,72 Meter in ihrer Spezialdisziplin Hochsprung und 26,56 Sekunden im 200m-Lauf beeendeten einen ausgezeichneten ersten Tag. Der Start in den zweiten gelang mit einer ansprechenden Weitsprungweite von 5,57 Metern und wurde durch einen erneut tollen Speerwurf (45,63 Meter) bestätigt. Damit war der Bronzeplatz schon fast sicher, den die derzeit beste bayerische Siebenkämpferin in 2:22,95 min über 800 Meter sicher nach Hause lief. Auf Rang zehn bei den U 23-Damen landete Julia Schneider (LG Stadtwerke München; 4513). In der Frauenwertung landete Isabel Mayer (SWC Regensburg) mit 4864 Zählern auf dem neunten Platz.
Wasserburger U 20-Mädchen holten Mannschaftsgold
Für die fast makellose bayerische Bilanz des U 20-Jahrgangs war vor allem ein Verein zuständig: Der TSV 1880 Wasserburg gewann bei den Mädchen überraschend den Mannschaftstitel, während die Jungs mit Silber im Gepäck die Heimreise vom Osten Berlins an den Inn antreten konnten. Mit 13 354 Punkten schnappten sich Johanna Windmaier, Alisa Böhm, Isabel Röttger und Ersatzfrau Laura Kurzbuch zu großen Freude ihrer Anhängerschar die Goldmedaille. Dabei hatten die vier jungen Damen aus Oberbayern diesmal das Glück, dass keine weiteren Teams ihnen den Sieg streitig machten.
In der Siebenkampf-Einzelwertung präsentierte sich Johanna Windmaier einmal mehr in hervorragender Verfassung: Mit 4685 Zählern sicherte sie sich die Hürden- und Weitsprungspezialistin den sechsten Rang in der Gesamtwertung. Zu Bronze fehlten ihr diesmal 295 Punkten. Dabei glänzte Windmaier am ersten Tag unter anderem über 100 Meter Hürden mit 14,14 Sekunden. Am zweiten Tag standen unter anderem 5,45 Metern im Weitsprung bei ihr zu Buche. Auf Platz landete mit Alisa Böhm (4432) die zweite Wasserburgerin, während Isabel Röttger mit 4237 Punkten auf dem zwölften Rang einkam. Mit Jacqueline Sterk (SWC Regensburg) schob sich auf Platz elf noch eine weitere Bayerin zwischen die beiden (4312).
Aber auch die Wasserburger Zehnkämpfer boten in der männlichen U 20 eine starke Performance, die am Schluss mit Mannschaftssilber belohnt wurde. Das Team mit Manuel Riemer, Maximilian Kurzbuch, Nils-Alexander Focke und Leonard Neuhoff holte sich den Vizetitel mit 17 871 Punkten, nur geschlagen vom Wellingdorfer TV (18 801). Bester mit einer Einzelplatzierung auf Rang acht war Manuel Riemer mit 6545 Punkten.14, wurde Maximilian Kurzbuch (6127) und 20. Nils-Alexander Focke (5199). Zwei weitere Bayern schafften ebenfalls noch Top Ten-Platzierungen in der männlichen U 20. Marius Laib (LG Eckental) wurde Neunter (6515) und Maximilian Holzmüller (TSV Schwabmünchen) Zehnter (6507).