Das Strahlen wich Michelle Weitzel nach ihrem Siegessprung nicht mehr aus dem Gesicht.

Der lachende Dritte war Florian Orth im 1500-Meter-Finale.

"Geschafft!": David Gollnow darf mit nach Paris.

Anmutig, elegant und weit: Michelle Weitzel.

Nadja Käther (links) und Annika Leipold (rechts) erkannten die Überlegenheit von Michelle Weitzel neidlos an.

Die Ruhe vor dem Sturm: David Gollnow wartet auf den Start.

Im Finish schob sich der Erdinger auf Platz zwei.

Während Christoph Lose (links) und Meister Florian Orth lächeln, schaut Carsten Schlangen (rechts) noch ein wenig bedröppelt drein.

Freute sich über ihre Bronzemedaille: Caroline Pilawa (links). Alle Fotos: Theo Kiefner

27.02.2011 23:35 // Von: Reinhard Köchl

Hallen-DM Leipzig, zweiter Tag: Weitzel und Gollnow fahren nach Paris

Für die eine war es der Sprung ihrer Karriere, für die anderen beiden der Lauf ihres Lebens. Keine Frage: Für drei bayerische Leichtathleten dürfte der zweite Tag der Deutschen Hallenmeisterschaften 2011 in Leipzig als unvergessliches Erlebnis in Erinnerung bleiben. Michelle Weitzel und Florian Orth gewannen die Titel im Weitsprung und über 1500 Meter, David Gollnow holte Silber über 400 Meter. Als Krönung dürfen Weitzel und Gollnow mit zur Hallen-EM nach Paris am Wochenende fahren.

Damit gibt es zum jetzigen Zeitpunkt bereits vier bayerische Fix-Starter in der französischen Metropole. Neben den Stabhochspringern Malte Mohr und Fabian Schulze (beide LG Stadtwerke München) lösten am Sonntag auch Michelle Weitzel (LG Telis Finanz Regensburg) mit einem phänomenalen Sprung auf 6,61 Meter sowie David Gollnow (TSV 1862 Erding) mit einer Superzeit von 46,89 Sekunden das Ticket. Ebenso wie Stabhoch-Vizemeister Tim Lobinger (LG Stadtwerke München) macht sich auch noch Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg), der Überraschungsmeister über 1500 Meter, nach seinem Sieg gegen weitaus höher gewettete Konkurrenz berechtigte Hoffnungen. Sprinter Tobias Unger (LG Stadtwerke München) hat zwar die Norm über 60 Meter in der Tasche, seine Verletzung könnte ihn jedoch zu einer Absage zwingen. Im positivsten Fall könnten also gleich sieben Leichtathleten aus dem Freistaat bei den Hallen-Europameisterschaften an den Start gehen. So etwas hat es seit vielen Jahren nicht mehr gegeben!

Michelle Weitzel wollte das Lächeln nach der Weitsprungkonkurrenz der Frauen nicht mehr aus dem Gesicht weichen. Im fünften Versuch des Weitsprungwettbewerbs hob sie ab – und landete erst nach 6,61 Metern in der Grube. Mit der Verbesserung der persönlichen Hallenbestleistung um elf Zentimeter sicherte sich die Regensburgerin Gold und erfüllte zudem als zweite Springerin nach der Hamburgerin Nadja Käther die Norm für Paris. Dabei war die 23-jährige Lehramtsstudentin ganz entspannt nach Leipzig gereist. Auch dass sie die Norm zuvor nur um die Winzigkeit von fünf Zentimetern verpasst hatte, hatte sie nicht geärgert. „Ich hatte so früh gar nicht mit so einem guten Ergebnis gerechnet“, sagte Weitzel.

Spaß wollte sie haben in Leipzig. Und zeigen, was sie drauf hat. Das gelang ihr eindrucksvoll. „Ich bin niemand, der sich Stress macht. Ich habe mich auf das Springen und auf die anderen gefreut“, erklärte sie ihr Erfolgsrezept. Mit der Normerfüllung für die Hallen-EM könnte sie sich einen großen Wunsch erfüllen: Noch nie trug sie das Nationaltrikot. Nun ist es zum Greifen nah. Die Zielstellung für Paris ist der für Leipzig dabei ganz ähnlich: Wieder um 6,50 Meter springen und Spaß haben. Was dabei herauskommen kann, hat man bei den Deutschen Meisterschaften in Leipzig erlebt.

„Ich habe mich von Anfang an gut gefühlt“, plauderte die frischgebackene Deutsche Weitsprungmeisterin ebenso munter wie charmant in die Mikrofone. „Es hat am Anfang nicht zu gut geklappt, das Brett zu treffen. Dann habe ich aber einen Sprung richtig gut erwischt. Ich bin aus der Grube raus und es hat schon jemand gerufen: ´Der war weit`. Ich konnte es gar nicht glauben. Alle Sprünge haben sich gut angefühlt. Wir haben gut gearbeitet, ich bin verletzungsfrei durchgekommen. Dass es jetzt mit Paris klappt, ist Wahnsinn. Ich habe vorher schon ein bisschen davon geträumt.“

Florian Orth: Wenn zwei sich streiten . . .

Für die Zuschauer war es ein hoch spannendes und unterhaltsames Rennen mit einem überraschenden und für die Anhängerschar der LG Telis Finanz Regensburg hoch erfreulichen Ausgang. Für die beiden Protagonisten glich dieses 1500-Meter-Finale eher einem Alptraum. Sechseinhalb Runden lang bekämpften sich die favorisierten Hallen-EM-Starter Christoph Lohse (TV Wattenscheid 01) und Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) mit Zwischenspurts und Führungswechseln. Dabei verloren beide so den Überblick, dass sie nicht bemerkten, in die letzte Runde eingebogen zu sein. Und Florian Orth komplett übersahen.

Als es auf die Zielgerade ging, wusste nur einer aus dem Führungstrio, dass keine weitere Runde mehr folgen würde. Orth überspurtete Schlangen und Lohse und holte sich in 3:51,13 Minuten die Goldmedaille. Carsten Schlangen war danach stinkwütend und wetterte, die Rundenanzeige habe nicht gestimmt und er habe keine Glocke gehört. Beobachter wie Lauf-Bundestrainer Tono Kirschbaum konnten dies indes nicht bestätigen. Es war wohl eher so, dass die beiden Top-Läufer bei ihrem Duell die Streckenlänge aus den Augen verloren hatten. Der Nutznießer des seltsamen Taktik-Kleinkrieges präsentierte sich hinterher strahlend. „Es war super“, sagte Florian Orth. „Zwischendurch ging die Post ab. Ich war etwas eingeklemmt. Dann konnte ich aber wieder ran laufen. Dann ging wieder die Post ab. Ich wollte dran bleiben und mich hinten raus vorbei kämpfen. Das hat geklappt. Im Ziel habe ich mitbekommen, dass irgendetwas mit den Runden nicht stimmte. Im Rennen habe ich das gar nicht mitbekommen. Aber die Zeit hat ja gestimmt. Nicht so wie in Karlsruhe, da sind wir Weltrekord gelaufen.“ Im allgemeinen Trubel erkämpfte sich Orths Mannschaftskamerad Felix Plinke (LG Telis Finanz Regensburg) in 3:53,94 Minuten einen achtbaren fünften Rang.

Auch David Gollnow fährt mit nach Paris

Wer vor den Titelkämpfen in der sächsischen Metropole Wetten auf eine Teilnahme von David Gollnow (TSV 1862 Erding) bei den Hallen-Europameisterschaften in Paris über 400 Meter abgegeben hätte, der wäre vermutlich mit einem Riesengewinn belohnt worden. Denn eigentlich hatte niemand den schnellen Oberbayern, der ja eigentlich als 400-Meter-Hürdenspezialist gilt, auf der Rechnung. Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

Thomas Schneider (SC Potsdam), der die Hallen-EM-Norm bereits in der Tasche hatte, lief in 46,19 Sekunden in einer starken Zeit zu DM-Gold und David Gollnow unterbot als Zweiter in 46,89 Sekunden die Vorgabe für die kontinentalen Meisterschaften in Paris um eine Hundertstel. Zusammen treten sie die Reise nach Frankreich an. „Ich hatte gestern schon gesagt, dass es wunderbar wäre, wenn noch einer mit nach Paris kommen würde“, sagte Schneider nach dem Finale. Und Gollnow erhörte seinen Wunsch. Schulter an Schulter liefen Thomas Schneider und Miguel Rigau aus Köln in die zweite Runde, in ihrem Windschatten David Gollnow. Thomas Schneider setzte sich in der Kurve an die Spitze. „Ich wusste, wenn ich da vorne bin, wird es schwer für die anderen“, sagte Thomas Schneider.

Und er sollte Recht behalten. Während er in 46,19 Sekunden einen ungefährdeten Sieg einfuhr, kämpfte sich David Gollnow immer mehr an Miguel Rigau heran und überholte ihn noch auf den letzten Metern. „Es war genau meine Zielsetzung, 46,89 Sekunden zu laufen und die Norm zu unterbieten“, sagte David Gollnow strahlend nach dem Lauf. „Es ist so geil, dass das geklappt hat.“

In Paris geht das Duo nun mit unterschiedlichen Zielstellungen an den Start. „Mit 46,19 Sekunden kann man den Endlauf schon im Hinterkopf haben“, sagte Schneider. Zunächst aber bleibe abzuwarten, wie er Vorlauf und Halbfinale an einem Tag verkrafte. „Das hatte ich noch nie“, gab er zu bedenken. Ganz unvoreingenommen geht hingegen Gollnow in die Blöcke. „Es ist mein erster Start in der A-Nationalmannschaft. Ich will einfach sehen, was geht.“ Die ersten 100 Meter, so erzählte der Erdinger, seien super gelaufen. „Ich habe einfach versucht mitzugehen. Und dann konnte ich mich an Miguel ransaugen. Das war gut, dass er so lange vor mir war. Am Ende hatte ich dann noch die Kraft, um diese starke Zeit zu laufen.“

Überraschungs-Bronze für Karoline Pilawa

Sie lief immer in der Spitzengruppe mit, couragiert und taktisch klug eingestellt. Dass es am Ende für Karoline Pilawa (LG Stadtwerke München) zum dritten Platz in 2:10,10 Minuten reichte, war der verdiente Lohn ihrer Mühen. Dabei kam ihr natürlich entgegen, dass das Rennen nicht besonders schnell war. Nach 2:09,40 Minuten hatte die Dortmunderin Jana Hartmann den Titel verteidigt.

Mit einer Top-Leistung überzeugte Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg) auch am zweiten Tag der Meisterschaften von Leipzig. Nach ihrer Silbermedaille über 3000 Meter blieb ihr über 1500 Meter allerdings nur Platz sechs in sehr guten 4:21,55 Minuten, einen Platz vor ihrer Trainingsgefährtin Christiane Danner, die in 4:22,98 Minuten Siebte wurde. Auch die junge Anja Schneider (LAC Quelle Fürth) hinterließ mit Rang zehn (4:33,46 Minuten) erneut einen positiven Eindruck.

Zwei Mal den siebten Platz gab es für zwei bayerische Hürdensprinter. Jennifer Reinelt (1. FC Passau) lief im Finale bei Carolin Nytras „One-Woman-Show“ 8,44 Sekunden, wobei sie als Siegerin des vierten Vorlaufes mit 8,36 Sekunden eine neue persönliche Bestzeit erreichte. Maximilian Bayer (LG Donau-Ilm) schaffte dagegen keinen erneuten Sprung unter die Acht-Sekunden-Grenze (8,05 Sekunden). Knapp Platz drei verpasste die 4 x 200 Meter-Frauenstaffel der LG Stadtwerke München mit Anja Wurm, Nele Baade, Vera Seitz und Karoline Pilawa als Vierte in 1:39,78 Minuten. Über einen fünften Rang durfte sich das Quartett der DJK Friedberg in der Besetzung Fabian Boeck, Andreas Gorol, Konstantin Bauer und Stefan Gorol über 4 x 400 Meter mit einer Zeit von 3:20,07 Minuten freuen. Allerdings war dies in der Ergebnisliste nur für Vereinsvertreter auf Anhieb zu erkennen. Statt der weißblauen bayerischen Raute hatten die Veranstalter in der Eile das Wappen von Westfalen neben den Vereinsnamen "DJK Friedberg" gestellt.

Und Tobias Unger verlor obendrein auch noch in Abwesenheit seinen Deutschen Hallenrekord über 200 Meter an Sebastian Ernst (TV Wattenscheid 01). In 20,42 Sekunden verbesserte der 26-Jährige Ungers alte Bestmarke gleich um elf Hundertstel. Der Münchner war bei der letzten Austragung der 200 Meter bei einer Hallen-EM vor sechs Jahren in 20,53 Sekunden zum Titel gestürmt.