Der durch den Regen lief: Kamghe Gaba (rechts) konnten die sintflutartigen Regenfälle nichts anhaben. Er gewann die 400 Meter . . .

. . . und freute sich hinterher mächtig über die wiedergewonnene Lufthoheit über den bundesdeutschen 400-Meter-Raum.

"Gut gemacht!" Das Lob ihrer ärgsten bayerischen Konkurrentin Theo Heim (links) für die frischgebackene Deutsche 800-Meter-Meisterin Christina Hering kam von Herzen.

Zuvor hatte eine bayerische Troika (von links Thea Heim, Christina Hering und Anne Kesselring) im Finale energisch das Heft des Handelns an sich gerissen.

Die souveränste Siegerin aus Bayern hieß am Sonntag Maren Kock.

Die Regensburgerin (ganz links) kontrollierte den 1500-Meter-Endlauf nach Belieben.

Die fast schon erwartete Goldmedaille gab es für die 4 x 400-Meter-Staffel der LG Stadtwerke München, hier mit Schlussläufer Jonas Plass.

David Gollnow gehörte auch zum siegreichen Quartett. Im Einzelrennen gab es für ihn Bronze . . .

. . . ebenso wie für Tobias Giehl über 400 Meter Hürden.

Vier Mann für eine 3 x 1000-Meter-Staffel: Die Fürther Jungs holten in Ulm Silber. Alle Fotos: Theo Kiefner

29.07.2014 09:57 // Von: Reinhard Köchl

Deutsche Meisterschaften Ulm, Tag zwei: Bayern schlagen gleich vier Mal zu

Die Bayern leben noch! Allen Schwarzmalern zum Trotz, die für 2014 durch die Verletzung mehrer Leistungsträger eine bescheidene Bilanz bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm prophezeit hatten, lieferten die Leichtathleten aus dem Freistaat am zweiten Tag der Titelkämpfe in Ulm ein beeindruckendes Vitalitäts zeichen ab. Gleich vier Mal standen weißblaue Sportler ganz oben auf dem Treppchen: Christina Hering, Maren Kock, Kamghe Gaba und die Münchner 4 x 400-Meter-Staffel.

Dazu kamen vier Bronzemedaillen, und zwar von 5000-Meter-Läufer Philipp Pflieger, über 400 Meter Hürden durch Tobias Giehl, 400 Meter flach durch David Gollnow und 800 Meter durch Thea Heim. Im Endeffekt kamen die Bayern damit zumindest an das "Überjahr" 2011 heran, als es in Kassel gleich sieben Titel für Sportler aus BLV-Vereinen gab. Diesmal waren es immerhin deren fünf.

Es war nicht ganz richtig, was leichtathletik.de über den Endlauf der Frauen über 800 Meter schrieb. Christina Hering (LG Stadtwerke München) bekam zu Beginn des Rennens durchaus Unterstützung in Sachen Tempo, und das sogar von einer unmittelbaren Konkurrentin aus dem Freistaat: Die "amerikanische Fürtherin" Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth) sorgte am Anfang für die nötige Pace und kam am Schluss als gute Fünfte in 2:04,77 Minuten ins Ziel. Der Rest ist allerdings in erster Linie das Verdient von Christina Hering, die in starken 2:01,45 Minuten ihren ersten nationalen Titel bei den Erwachsenen und gleichzeitig eine neue persönliche Bestzeit aufstellte, mit der sie sogar noch hoffen kann, als Meisterin und "junge Perspektivathletin" mit zur EM nach Zürich genommen zu werden, auch wenn sie die vom Verband gesetzte Norm knapp verfehlte.

"Ich wollte ein schnelles Rennen, um mich auf nicht auf taktische Geplänkel einzulassen", begründete Hering ihre Renngestaltung an der Spitze des Feldes, die sie in 60,07 Sekunden an die 400-Meter und in 1:30,78 Minuten an die 600-Meter-Marke führte. "Dann hatte ich das Glück, dass ich immer wieder angegriffen wurde, da läuft man automatisch schneller. Jetzt ist alles perfekt. Mit dem Titel und der persönlichen Bestleistung habe ich alles erreicht, was ich wollte." Auf Platz zwei kam Carolin Walter vom TSV Bayer Leverkusen in 2:03,11 Minuten (ebenfalls persönliche Bestleistung) vor der überrachenden Thea Heim (LG Telis Finanz Regensburg), die 2:03,50 Minuten lief, ins Ziel.

Maren Kock beweist ihre Klasse

Unwiderstehlich. Anders lässt sich der Endspurt von Heims Vereinskameradin, der 5000-Meter-Spezialistin Maren Kock (LG Telis Finanz Regensburg) nicht beschreiben, mit dem sie den in diesem Jahr schnellsten 1500-Meter-Läuferinnen keine Chance auf den Titel ließ. In einem bis zur 1000-Meter-Marke verbummelten Rennen setzte sich die 24-Jährige in 4:20,85 Minuten gegen Diana Sujew (LT Haspa Marathon Hamburg; 4:22,38 Minuten) und Denise Krebs (TV Wattenscheid 01; 4:23,35 Minuten) durch.

Kurz vor der 1000-Meter-Marke hatten die Sujew-Twins Diana und Elina gemeinsam die Initiative ergriffen und sich ein Stück weit vom Feld abgesetzt, ohne sich entscheidend zu lösen. Knapp 300 Meter vor dem Ziel dann die beherzte Attacke von Maren Kock, der keine der Konkurrentinnen etwas entgegenzusetzen hatte. "Ich war anfangs der letzten Runde ein bisschen eingekesselt. Ich habe dann aber die Lücke gefunden und mir gesagt, jetzt machst du einen knallharten Antritt, damit du die Gegnerinnen ein wenig schockst", sagte Maren Kock.

Die 1500-Meter-Spezialistinnen ließen es unversucht, noch einmal die EM-Norm von 4:06,80 Minuten anzugreifen, so dass Diana Sujew die einzige ist, die in 4:05,72 Minuten die Anforderungen für einen 1.500-Meter-Start in Zürich erfüllt hat. Maren Kock wird bei der EM aller Voraussicht nach über 5000 Meter starten - nach dem geglückten Meisterschaftscoup erst recht! Auch in Zürich antreten darf Agata Strausa (LAC Quelle Fürth), und zwar in den Farben ihrer lettischen Heimat. Im 1500-Meter-Finale ging sie leider als Vierte (4:23,67 Minuten) knapp leer aus.

Kamghe Gaba geduscht zur dritten Gold-Medaille

Eigentlich fehlte nur noch das Duschgel. Über dem Ulmer Donaustadion schüttete es aus den viel zitierten Kübeln, aber Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München) stand auf der Bahn, reckte die Faust in die Luft und vermittelte den Eindruck, als wolle er an keinem Ort auf der Welt gerade lieber sein. Kein Wunder: Der Wahl-Münchener, der in Frankfurt lebt und bei Bundestrainer Volker Beck trainiert, hatte gerade den dritten deutschen Meistertitel seiner Karriere gewonnen. „Ich hatte heute zwei Ziele: Den Titel und eine Zeit unter 46 Sekunden“, sagte der Viertelmeiler.

Ziel erfüllt, denn mit 45,82 Sekunden blieb er erneut unter der EM-Norm und zeigte gar das achtbeste Rennen seiner Karriere. „Klar, bei dem Wetter war es nicht einfach. Aber jetzt kann es von mir aus auch in Zürich Schokolade regnen, mir macht das in diesem Saison nichts mehr aus.“ In seinem Sog verbesserte der Magdeburger Thomas Schneider seine Saisonbestzeit auf 46,08 Sekunden. Titelverteidiger David Gollnow (LG Stadtwerke München) blieb in 46,76 Sekunden der Bronzerang. Insgesamt hatten mit Jonas Plass und Benedikt Wiesend noch zwei weitere Mitglieder aus der bärenstarken Viertelmeiler-Riege der LG Stadtwerke München den Sprung ins Finale geschafft. Plass - immerhin auch schon mal Deutscher 400-Meter-Meister - wurde Fünfter in 46,97 Sekunden, während für Wiesend Rang sieben in 47,81 Sekunden blieb. Der Fünfte im Bunde, der amtierende Deutsche U 23-Meister Johannes Trefz, war überraschenderweise schon im Vorlauf hängengeblieben (47,11 Sekunden).

Dennoch durfte sich Trefz zusammen mit Gaba, Gollnow und Plass später noch über DM-Gold freuen, das angesichts der erdrückenden Dominanz beinahe logisch an die LG Stadtwerke München ging. "Der Sieg war Pflicht, daran hat kein Weg vorbeigeführt, zumal wir mit vier Läufern im Einzel-Finale vertreten waren", erklärte denn auch Einzelsieger Kamghe Gaba, nachdem er sein zweites DM-Gold binnen zwei Stunden eingeheimst hatte. Dem Münchner Quartett gelang quasi ein Start-Ziel-Sieg. David Gollnow lief scharf an. Gaba und Johannes Trefz bauten den Vorsprung kontinuierlich aus.

Jonas Plass "schaukelte" die Partie in gewohnt zuverlässiger Manier nach Hause. Die Zeit: 3:08,05 Minuten - standesgemäß. Die LG UnterlüßFaßbergOldendorf, deren Akteure sich kurz LG UFO nennen und in der Gegend um Hannover beheimatet sind, kamen auf 3:10,02 Minuten, die zweite Staffel der LG Stadtwerke München mit Endlauf-Teilnehmer Benedikt Wiesend und Tobias Giehl wurde Siebter (3:15,76 Minuten).

Für "Tobi" Giehl hattes zuvor bereits Bronze über seine Paradestrecke 400 Meter Hürden gegeben. Nach einer schwierigen Saison war der ehemalige U 20-Europameister trotz neuer Saisonbestleistung von 50,23 Sekunden mit dem Rennen nicht ganz zufrieden: „Ohne einen Stolperer an der neunten Hürde wäre vielleicht sogar noch etwas mehr drin gewesen.“ Es gewann Felix Franz (LG Neckar-Enz) in 49,34 Sekunden vor Varg Königsmark (SC Magdeburg), der 49,40 Sekunden brauchte.

Für Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) war es im 5000-Meter-Finale eine „Mission impossible", wie Telis-Teamchef Kurt Ring auf seiner eigenen Homepage schrieb. Laut Bundestrainer Wolfgang Heinig hatte Pflieger nach dem verpatzten Wochenende in Heusden noch eine klitzekleine Chance auf Zürich. „Er sollte sich zeigen, möglichst mit einer normähnlichen Leistung“. Wie das in einem Meisterschaftsfinale gehen sollte, konnte ihm aber so keiner recht sagen. Die Telis-Familie zeigte Teamgeist. Alle qualifizierten Telis-Youngster verzichteten auf ihre Einzelchancen und spannten sich als Dreier-Lokomotive vor Pflieger. Moritz Steininger den ersten Kilometer, Valentin Unterholzner den nächsten und Jonas Koller sollte den wieder nächsten nehmen. Eigentlich war’s gar nicht möglich, weil alle drei bis Kilometer drei gar nicht so schnell laufen können, wie es Philipp Pflieger brauchte. Sie gaben alles und stiegen dann aus.

Am Ende kam für Philipp Pflieger Bronze in viel zu langsamen 13:54,45 Minuten heraus. Auch die bei der EM als Medaillenkandidaten gehandelten Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen) und Arne Gabius (LAV Tübingen) liefen in einem vor allem von Taktik geprägten Rennen 13:43,54 beziehungsweise 13:44,21 Minuten.

Für Florian Orth bleibt nur die Blechmedaille

Großes Pech hatte auch noch ein anderer aus der Regensburger Lauf-Kaderschmiede. Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg), schon mit der relativ sicheren EM-Fahrkarte im Rücken, konnte es leider nicht seiner Lebensgefährtin Maren Kock nachmachen und musste sich am Schluss eines völlig unorthodoxen Rennverlaufes mit Platz vier und der Blechmedaille in 3:58,69 Minuten abfinden. "Das war ein Bummelrennen, das aus meiner Sicht hinten raus beschissen gelaufen ist" haderte Orth anschließend. "Ich habe alles auf Sieg gesetzt - und alles verloren. Auf der Gegengerade habe ich meine Körner gegen Timo Benitz (späterer Sieger in 3:57,53 Minuten; d. Red.) verschossen. Dann konnte ich Homiyu Tesfaye nicht halten. Und dann ist sogar Carsten Schlangen noch an mir vorbeigezogen, damit habe ich nicht mehr gerechnet. Dass ich der enttäuschte Vierte bin, ist sehr schade. In Zürich möchte ich besser laufen als heute. Meine Form ist gut. Ich bin letzte Woche Bestzeit über 800 Meter gelaufen. Jetzt werden wir unter anderem noch am Stehvermögen arbeiten. Bei der EM möchte ich ins Finale kommen. Dann ist alles drin."

Ebenfalls nur Rang vier blieb im Speerwerfen für Susanne Rosenbauer (LG Augsburg). Die bald 30-Jährige war darüber aber bei weitem nicht so unglücklich, schließlich galten die neue Meisterin Linda Stahl (63,55 Meter), die Zweite Katarina Molitor (beide Bayer 04 Leverkusen; 63,40 Meter) und die Bronzemedaillengewinnerin Christin Hussong (LAZ Zweibrücken; 60,45 Meter) als gesetzt. Rosenbauer brachte mit 57,88 Meter erneut eine starke Leistung. In der Woche zuvor war sie in Luzern mit einer neuen Bestleistung von 59,42 Meter der 60-Meter-Marke schon erfreulich nahe gekommen. Auch die Nummer zwei im bayerischen Frauen-Speerwurf Sarah Leidl (1. FC Passau) verkaufte ihre Haut in Ulm so teuer wie möglich. 54,06 Meter bedeuten ihr zweitbestes Wettkampfergebnis und in der Endabrechnung einen starken sechsten Rang.

Im Hammerwerfen der Männer war Vorjahreszweite Johannes Bichler (LG Stadtwerke München) in einem starken Feld mit seinem sechsten Rang nicht ganz zufrieden. Vier Werfer kamen diesmal über 70 Meter, Bichler schaffte 67,64 Meter. In den Endkampf vordringen konnte außerdem noch Tristan Schwandke (TV Hindelang) mit 66,93 Meter und Platz acht.

Durchaus Chancen, um in die Medaillenvergabe einzugreifen, hätte Michelle Weitzel (SWC Regensburg) im Weitsprung-Finale gehabt. Nach dem großen Regen musste sie sich als Fünfte mit 6,43 Meter noch vor der EM-Normerfüllerin Lena Malkus (SC Preußen Münster; 6,40 Meter) einreihen. Im Windschatten des packenden Zweikampfes von Antje Möldner-Schmidt (LC Cottbus; 9:39,09 Minuten) und Gesa Felicitas Krause (LG Eintracht Frankfurt; 9:39,16 Minuten) über 3000 Meter Hindernis schaffte es Cornelia Griesche (DJK Ingolstadt) noch auf einen guten sechsten Rang in 10:14,88 Minuten.

Achtungserfolge gab es reihum für Bayern in den abschließenden Staffelwettbewerben. Neben den siegreichen Münchner Männern über 4 x 400 Meter belegte die junge 4 x 100 Meter-Staffel der LG Stadtwerke München in 41,25 Sekunden eine respektablen achten Rang. Über 4 x 400 Meter bei den Frauen schrammte das Quartett des LAC Quelle Fürth auf Rang vier (3:48,78 Minuten) knapp an den Medaillenrängen vorbei. Die vierter Fürther Sprinterinnen konnten obendrein als Erste des zweiten Zeitendlaufes über 4 x 100 Meter einen schönen sechsten Platz in 46,62 Sekunden verbuchen.

Fürther U 20-Jungs mit Silber über 3 x 1000 Meter

Edelmetall gab es gleich zu Beginn des zweiten Tages noch für die männliche U 20-Auswahl des LAC Quelle Fürth über 3 x 1000 Meter. In einem packenden Rennen mussten sich Bernhard und Martin Weinländer sowie Jamie Williamson in 7:29,65 Minuten nur dem LV Rehlingen (7:29,19 Minuten) geschlagen geben. Mit der LG Telis Finanz Regensburg (7:42,35 Minuten) auf Rang sieben und der Startgemeinschaft Isar-Loisach (7:43,25 Minuten) kamen noch zwei weitere bayerische Staffel unter die Top Ten.