Merlin Hummel: „Seit ich zum ersten Mal einen Hammer fliegen sah, wollte ich 80 Meter werfen“
Merlin Hummel, herzlichen Glückwunsch zur neuen Bestleistung, zur EM-Norm und zum bayerischen Rekord! Das war ja wirklich der Hammer! Hast Du eigentlich damit gerechnet, schon im ersten Wettkampf des Jahres so weit zu werfen?
Merlin Hummel: Ich wusste, dass ich was draufhabe! Das hat sich schon in meinen Trainingswürfen abgezeichnet. Die Weite selbst hat mich allerdings schon ein wenig überrascht. Mit 77,65 Meter hätte ich nicht unbedingt gerechnet, aber gefreut hat es mich natürlich riesig.
Die Norm für die Europameisterschaften in Rom ist abgehakt. Aber in diesem Jahr finden ja auch noch die Olympischen Spiele in Paris statt. Für die direkte Qualifikation müsstest Du 78,20 Meter werfen. Da fehlen noch 55 Zentimeter…
Merlin Hummel: Das war immer schon das Ziel, das mein Trainer Martin Ständner und ich formuliert haben: Die EM und dann Olympia. Im Ranking von World Athletics bin ich momentan auf Platz neun, wobei auch noch zwei Russen vor mir liegen, die bekanntlich nicht in Paris dabei sein werden. Es geht vor allem darum, dieses Leistungsniveau zu halten und natürlich noch eine Schippe draufzulegen, wobei ich sagen muss, dass wir das Training noch nicht einmal ganz ausgereizt haben. Das große Ziel Olympia wird aus meiner Sicht jedenfalls immer realistischer!
Im vergangenen August musstest Du bei Deinen ersten Weltmeisterschaften in Budapest noch drei ungültige Versuche im Vorkampf in Kauf nehmen. Ist der Merlin Hummel des Jahres 2024 ein anderer als vor einem Jahr?
Merlin Hummel: Ja, vielleicht. In Budapest war es nicht unbedingt eine Frage der Nervosität, warum es nicht hingehauen hat, denn ich kannte ja die ganzen Weltklassewerfer schon von den WA-Wurfcup-Veranstaltungen her. Der limitierende Faktor bestand für mich vielmehr in der Vorbereitung, die nicht so ganz rund lief. Ich hatte nämlich eine Bandscheiben-Vorwölbung, die mich beeinträchtigt hat. Dennoch habe ich die WM in vielen Bereichen als großen Gewinn empfunden, aus der ich auch meine Lehren ziehen konnte.
Seit vergangenen Sonntag bist Du im Besitz sämtlicher bayerischer Hammerwurfrekorde von der M 14 bis zu den Aktiven. So etwas hat es bislang in der bayerischen Leichtathletik noch nicht gegeben.
Merlin Hummel: Zunächst war mir das gar nicht klar, bis es mir Martin (Ständner) gesagt hat. Natürlich macht es mich superstolz! Und vielleicht kann ich mich ja irgendwann auf deutscher Ebene auch in die Liste bei den Männern eintragen. Die Rekorde in der U 16, der U 18 und der U 20 habe ich da ja schon.
Tatsächlich liegt die Bestmarke seit 1988 bei Ralf Haber, damals noch DDR, der 83,40 Meter warf. Sind die 80 Meter tatsächlich ein Ziel für Dich oder redet Ihr, Du und Dein Trainer, da lieber nicht darüber?
Merlin Hummel: Seit ich zum ersten Mal einen Hammer fliegen gesehen und ihn in die Hand genommen habe, wollte ich 80 Meter werfen! Das war immer mein Ziel. In der U 18 und in der U 20 ist mir das ja schon geglückt. Nun muss es halt bei den Männern irgendwann funktionieren. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es klappt, wenn wir so weiterarbeiten können. Der Martin wäre wahrscheinlich überglücklich, wenn das schon heuer der Fall wäre. (Im Hintergrund ruft Martin Ständner: „Ich habe ihn mit zwölf Jahren gefragt, was er später mal erreichen will. Und sein erster Satz lautete: ´80 Meter werfen!`“)
Was braucht es, damit der Sprung von 77 auf 80 Meter gelingt?
Merlin Hummel: Natürlich muss man erst mal gesund bleiben. Aber die genetischen Voraussetzungen sind schon ganz entscheidend. Der kanadische Weltmeister Ethan Katzberg ist noch ein bisschen größer als ich und besitzt auch eine andere Rückenmuskulatur. Das sind schon ein paar wenige Prozent, die es ausmachen. Ansonsten geht es darum, ordentlich Schnellkraft zu trainieren und vor allem die Technik zu verfeinern. Das macht dann tatsächlich den Unterschied von 70 auf 75 und dann auf 80 Meter aus.
Das Hammerwerfen ist im Haus Hummel ja nicht nur für Dich allein reserviert. Dein Bruder Matti wirft ja auch schon ziemlich weit, in Langenbrand waren es als Sieger der U 18 64,46 Meter. Wie geht Ihr mit dieser Situation innerhalb der Familie um? Gibt es da eine Rivalität oder unterstützt Ihr Euch gegenseitig?
Merlin Hummel: Keine Rivalität, ganz und gar nicht! Matti ist extrem ehrgeizig und verfügt über den großen Vorteil, dass ich ihm all meine Erfahrungen, die ich in seinem Alter mitnehmen durfte, weitergeben kann. Er wird seinen Weg gehen und sich super entwickeln, da bin ich mir sicher. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn er den einen oder anderen Rekord von mir knacken würde. Von den genetischen Anlagen her besitzt er jedenfalls sogar die besseren Faktoren. Er muss nur einfach am Ball bleiben und weiter an sich arbeiten, dann wird das schon werden.