Normen und Norm-Kratzer: Bayern klopfen in Regensburg an internationale Türen
Die Form von Corinna Harrer beeindruckt derzeit nicht nur ihren Trainer Kurt Ring, der als Meetingdirektor für eines der hochklassigesten Leichtathletik-Events in Bayern seit vielen Jahren sorgte. Mit ihren jugendlichen Selbstverständlichkeit dringt das Regensburger Eigengewächs derzeit in die erweiterte Weltspitze der Mittelstrecklerinnen vor. Nach ihrem fünften Platz am Donnerstagabend in der Diamond League in Rom mit abermaliger Bestzeit und Olympianorm über 1500 Meter (4:04,30 Minuten) erwartete natürlich jeder nur zwei Tage später eine erneute Gala-Vorstellung beim „Finale dahoam“ der Regensburger Leichtathleten. Nicht zuletzt aufgrund der vorzüglichen Unterstützung von „Tempohäsin“ Karoline Pilawa (LG Stadtwerke München) gelang ihr dies auch. Nachdem tags zuvor Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth) beim Diamond League Meeting in Eugene (USA) als Siebte 2:02,72 Minuten erzielte, führen nun zwei bayerische Läuferinnen die aktuelle deutsche Bestenliste an.
Im Schlepptau der bayerischen Vorzeige-Läuferin beinahe unbemerkt steigerte sich die 17-jährige Katharina Trost (LG Festina Rupertiwinkel) auf 2:05,07 Minuten, was ihr die Türe zur U 20-WM in Barcelona sperrangelweit öffnete. Gleichzeitig gelang ihr damit auch ein neuer Bayerischer U 18-Rekord.
Auch zwei andere junge Oberbayerinnen können sich schon mal ein Spanisch-Wörterbuch kaufen. Bei Hürdensprinterin Alexandra Burghardt (LAZ Inn) schien dies allerdings nur eine Frage der Zeit, die schließlich in Regensburg bei optimalem Schiebewind und prächtigen Bedingungen gekommen war. Über 100 Meter Hürden verbesserte sich die hoch aufgeschossene 18-Jährige zunächst auf 13,58 Sekunden. Im anschließenden Finale gelang ihr sogar noch eine weitere Verbesserung auf 13,48 Sekunden, die jedoch wegen des dann doch zu starken Rückenwindes (+ 2,6) nicht in den Bestenlisten auftauchen wird. Überraschende Zweite wurde hier Laura Weiß (TV Bad Kötzting), die der vorjährigen U 18-WM-Teilnehmerin Sandra Gottschalk (LC Jena) in 13,94 zu 14,04 Sekunden das Nachsehen gab. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Magdalena dominierte sie später auch die 100 Meter-Konkurrenz. Laura gewann in 12,14 Sekunden das Finale, nur zwei Hundertstelsekunden dahinter landete Magdalena in 12,16 Sekunden.
Die dritte bayerische U 20-Norm an diesem Tag ging auf das Konto von 3000-Meter-Hindernisläuferin Cornelia Griesche (DJK Ingolstadt). Sie schaffte die Barcelona-Vorgabe mit 10:22,13 Minuten klar und wurde obendrein auch Bayerische U 23-Meisterin vor ihrer Freundin Jannika John (LAC Quelle Fürth; 10:33,05 Minuten). Den Titel bei den Frauen fochten zwei altbekannte Athletinnen untereinander aus: Susi Lutz, die Deutsche Hindernismeisterin von 2010, jetzt für die LG Bamberg startend, blieb an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte in 10:22,23 Minuten vor Julia Hiller (LAC Quelle Fürth; 10:43,34 Minuten).
Olympianorm für Gollnow muss warten
Einige Bayern haben die Norm für internationale Aufgabe bereits erfüllt und nutzten die Gala in Regensburg, um diese zu untermauern beziehungsweise noch in höhere Regionen zu schrauben. Diese Rechnung ging zumindest für die beiden 400-Meter-Hürden-Läufer David Gollnow (LG Stadtwerke München) und Tobias Giehl (LG Würm Athletik) noch nicht auf. Nachdem beide in der Vorwoche beim Münchner Pfingstsportfest die EM-Norm unter Dach und Fach gebracht hatten, liefen ihre Rennen in der Oberpfalz nicht ganz nach ihrem Geschmack. Giehl wurde im Schatten des großartigen Silvio Schirrmacher (LAC Erdgas Chemnitz; mit 49,21 Sekunden zur Olympianorm) in 50,25 Sekunden Dritter und Gollnow, der vermutlich seinem zu hohen Anfangstempo Tribut zollen musste, in 50,72 Sekunden gar nur Sechster.
Dagegen brachte sich mit Jonas Plass (asics Team Wendelstein) eine feste Größe für die deutsche 4 x 400 Meter-Staffel über die Stadionrunde mit 46,55 Sekunden in Stellung. Besser war an diesem Tag nur Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München), der sich erneut auf 46,29 Sekunden steigern konnte und kurz vor der EM-Norm steht. Rang sieben ging an Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke München) in 47,06 Sekunden. Warten muss dagegen noch die amtierende Deutsche Weitsprungmeisterin Michelle Weitzel (LG Telis Finanz Regensburg). Beim „Heimspiel“ sprang lediglich Rang zwei in für sie in wenig zufriedenstellenden 6,36 Meter hinter der Chinesin Wupin Wang (6,49 Meter) heraus.
Die B-Norm für die Europameisterschaften in Helsinki hat Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) nach seinem spannenden 1500-Meter-Finale, das er als Erster mit einer Zeit von 3:38,54 Minuten abschloss, schon sicher, während sein Vereinskamerad Philipp Pflieger nach geschaffter A-Norm über 5000 Meter zu Aufbauzwecken in der „Sprintdistanz" Rang sechs in 3;43,37 Minuten belegte. Achter wurde Tufa Alemu Tirfesa (LG Hof) in 3:43,97 Minuten. Wie ihr Vereinskamerad testete auch Maren Kock mit dem EM-Ticket in der Tasche die kürzeren 1500 Meter. Mit Erfolg: Sie wurde Dritte in 4:16,19 Minuten vor Christiane Danner (ebenfalls LG Telis Finanz Regensburg) in 4:19,47 Minuten. U 18-Läuferin Maria Dietz (LAC Quelle Fürth) gelang nach Brixen ein erneuter Sprung auf 4:32,12 Minuten.
Die 5000 Meter blieben derweil anderen aus der großen Regensburger Läuferfamilie vorbehalten. Bei den Männern setzte sich Julian Flügel in 14:17,76 Minuten vor Tobias Schreindl (LG Passau; Vierter in 14:28,15 Minuten), Maximilian Meingast (LG Zusam; Siebter in 14:38,10 Minuten) und Heiko Middelhoff (MTV 1881 Ingolstadt; Achter in 14:39,58 Minuten) durch. Bei den Frauen wurde Telis-Neugang Jana Soethout in 16:34,08 Minuten Dritte vor Steffi Volke (Fünfte in 17:02,58 Minuten).
Mit Konstantin Wedel (TSV Höchstadt-Aisch) entdeckt ein weiteres Lauftalent die „Böcke“, sprich die 3000 Meter-Hindernisstrecke mit all ihren Vorzügen und Verlockungen. In Regensburg hätte der 18-Jährige auf Anhieb beinahe die Norm zur Teilnahme an der U 20-WM geschafft. Mit 9:03,53 Minuten blieb er nur knapp eineinhalb Sekunden über dem geforderten Richtwert und bekommt nun bei den Deutschen Meisterschaften in Bochum-Wattenscheid eine erneute Chance. Wedel errang damit auch den bayerischen Vizemeistertitel hinter seinem Vereinskollegen Martin Grau, der sich in 9:02,02 Minuten durchsetzte.
Pamela Spindler kommt der EM-Norm nahe
Groß war der Abstand keineswegs, der über 100 Meter Hürden zwischen der überragenden Cindy Rohleder (LAZ Leipzig) und der Zweitplatzierten Pamela Spindler (LG Telis Finanz Regensburg) lag. Die eine lief die Olympianorm in 12,94 Sekunden, die andere bestätigte mit 30 Jahren einmal mehr die Weisheit vom Wein, der mit zunehmender Reife immer mehr an Qualität gewinnt. In 13,16 Sekunden landete Spindler nicht nur einen neuen Hausrekord, sondern reihte sich obendrein zur Überraschung vieler auch noch in den Kreis jener Hürdensprinterinnen ein, die sich noch Hoffnung auf die Erfüllung der B-Norm für die EM machen können. Vierte wurde im Endlauf Jennifer Reinelt (1. FC Passau) in 13,68 Sekunden. Ebenfalls ein Lebenszeichen gab es von der Staffel-Vizeeuropameisterin Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr). Sie wurde über 400 Meter Zweite in guten 53,51 Sekunden.
Ansonsten waren es vor allem die bayerischen Jugendlichen, die in Regensburg ihren bekannt hohen Standard unter Beweis stellten. Zurück von einem Auslandssemester in den USA, meldete Hürdensprinter Sebastian Barth (LG Würm Athletik) mit seinen 13,87 Sekunden sein gesteigertes Interesse an der U 20-WM in Barcelona an. Im Weitsprung der Klasse U 20 überraschte Maximilian Entholzner (1. FC Passau) mit einem fulminanten Sprung im sechsten und letzten Versuch über die Sieben-Meter-Marke (7,22 Meter).
Über 400 Meter der Klasse U 18 unterstrich Laurin Walter (LG Stadtwerke München) mit einer erneuten Steigerung auf 48,61 Sekunden über 400 Meter sein Ausnahmetalent, während der ebenfalls 16-jährige Michael Adolf (DJK Ingolstadt) seine Qualitäten mit jeweils neuen Bestzeiten über 100 Meter (11,25 Sekunden) und 200 Meter (22,50 Sekunden; jeweils Zweiter) herausstellte. Der Hochsprung der männlichen U 18 ging schließlich an Tobias Potye (FC Aschheim), der diesmal 1,99 Meter bewältige. Bei den Frauen belegte Katharina Winkler (LAC Quelle Fürth) mit übersprungen 1,71 Meter den zehnten Rang.