Bayerische Meisterschaften Augsburg, Teil 1: Drama um deutschen Staffelrekord
Als die 4×100-Meter-Staffel der LG Stadtwerke München mit Startläufer Yannick Wolf, Fabian Olbert, Florian Knerlein und Schlussmann Vincente Graiani im Rosenaustadion am Samstagnachmittag eine Zehntelsekunde unter dem deutschen U 20-Rekord der Startgemeinschaft LAC Erfurt aus dem vergangenen Jahr blieb und in 40,50 Sekunden ins Ziel kam, herrschte großer Jubel. Doch tags darauf hielt Katerstimmung Einzug. Am Sonntag wurde bekannt, dass die Leistung keinen Eingang in die Rekordlisten finden kann, da die Reaktionszeiten der Startläufer mittels eines sogenannten Startablauf-Informationssystem nicht erfasst wurden. Insbesondere für die vier jungen Sprinter, die ihren Erfolg noch an der Tartanbahn mit dem gemeinsamen Verzehr einer übergroßen Wassermelone begingen, ist diese Nachricht ernüchternd.
Die Deutsche Leichtathletik-Ordnung (DLO) verweist in Bezug auf die Anerkennung von Rekorden auf die Regel 260 der Internationalen Wettkampfregeln (IWR). Über sieben Seiten ist dort rund um deren Akzeptanz alles genauestens geregelt. Angepasst durch etliche nationale Bestimmungen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gelten für deutsche Rekorde nahezu dieselben Voraussetzungen für eine Gültigkeit wie für Weltrekorde. Unter anderem muss bei Disziplinen mit Starts aus dem Startblock ein vom Weltverband IAAF anerkanntes Startablauf-Informationssystem angeschlossen sein. Dieses misst die Reaktionszeiten der Startläufer und weist diese dann in der Ergebnisliste des Wettbewerbs aus.
Da die Kosten für die Anmietung eines solchen Systems mehrere tausend Euro betragen, kommt es bei einem Großteil der Leichtathletik-Veranstaltungen hierzulande nicht zum Einsatz. So auch in Österreich. Darauf hat der Österreichische Leichtathletik-Verband reagiert und per nationaler Zusatzbestimmung zur IWR geregelt, dass geeignete Leistungen auch ohne Verwendung eines Startablauf-Informationssystems als österreichischer Rekord anerkannt werden. In Deutschland werden vor allem die nationalen Meisterschaften ab der U 18-Altersklasse sowie einige wenige Meetings, beispielsweise die Junioren-Gala in Mannheim, damit ausgestattet. Ein Einsatz auf Ebene der Landesmeisterschaften ist nach Auskunft des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) unüblich.
Bei der renommierten Regensburger Gala in der Vorwoche stellte das Quartett ohne Fabian Olbert, den aktuell schnellsten Münchner, in 40,80 Sekunden einen neuen bayerischen Rekord auf – im Übrigen ebenfalls ohne Startablauf-Informationssystem. Im Rosenaustadion meldete sich das Quartett in Bestbesetzung an, weshalb das Ergebnis nicht überraschte. Im Gegenteil wird der talentierten Staffel sogar noch eine deutliche Steigerung zugetraut, wenn denn die Wechsel noch besser funktionieren. Da der BLV den Rekord anerkennen will, liegt nun – womöglich erstmalig – ein Landesrekord über dem nationalen Bestwert. Gleichzeitig bleibt Bayern somit weiterhin ohne deutschen Rekord in den olympischen Disziplinen der Erwachsenen- und U 20-Altersklasse.
Den jungen Staffelläufern um Koordinator Richard Kick kann indes kein Vorwurf gemacht werden. Ihnen bleibt nach dieser Enttäuschung nur der Blick nach vorne. Bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Ulm stehen am letzten Tag Halbfinale und hoffentlich dann auch das Finale der 4 × 100-Meter-Staffel auf dem Programm. Anders als in Augsburg, wo Olbert und Knerlein ohne Einzelrennen an den Start gingen, werden in Ulm alle Staffeläufer zum Ende der drei Wettkampftage bereits mehrere Läufe in den Knochen haben. Kick motiviert die Nachwuchssprinter, positiv auf die nächsten Wettbewerbe zu blicken. Das nächste Staffeltraining soll bereits am Dienstag stattfinden. Fehlen wird dabei allerdings Fabian Olbert. Der reist am Montag mit der DLV-Staffel zu den U20-Europameisterschaften ins schwedische Boras.