Deutsche Jugendmeisterschaften Wattenscheid, Teil 1: 17 Mal Edelmetall in einem „schwierigen Jahr“
Das Resultat liest sich im ersten Augenblick ernüchternd: Von Platz zwei der Bundesländerwertung 2013 in Rostock, als die Athleten und Athletinnen aus dem Freistaat noch insgesamt 265 Punkte für ihre Endkampfteilnahmen kassierten, fiel der BLV jetzt in Wattenscheid mit nur mehr 214 Zählern auf Rang vier zurück. Die Punktzahlen dienen dem DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) als Grundlage für die Verteilung diverser Finanzmittel. „Das ist natürlich nicht erfreulich und kann keinesfalls unser Ziel sein“, stellte Neubauer klar. Als Grund für den Rückgang führte der BLV-Vize die Verletzungen einiger Hoffnungsträger an, nannte aber auch strukturelle Ursachen. Im Jahrgang U 20 zum Beispiel liege Bayern ebenfalls auf Rang vier hinter Nordrhein, Westfalen und Hessen, bei den U 18ern konnte man sich immerhin den dritten Platz hinter Hessen und Westfalen sichern.
Bei relativ gleichbleibender Teilnehmerzahl (2013: 130; 2014: 128) gab es allerdings für die Teilnehmer aus dem Freistaat diesmal deutlich weniger Endkampfteilnahmen (2013: 66; 2014: 53), was dem BLV letztlich die Punkte kostete. Nicht ins Gewicht fällt laut Gerd Neubauer der veröffentlichte Medaillenspiegel, der wie bei den Olympischen Spielen jene Teams nach vorne rückt, die die meisten Goldmedaillen aufweisen, und die Bayern gar nur auf Platz zehn ausweist. „Hier hatten wir in einigen Disziplinen einfach nur Pech. Mit zwei Titeln mehr hätten wir da schon einen großen Sprung nach vorne gemacht. Aber das ist ein Muster ohne Wert.“
Als Gewinner von Wattenscheid bezeichnete Gerhard Neubauer dagegen die Disziplinblöcke Sprung und Wurf, die sich im Vergleich zu Rostock zum Teil deutlich verbessern konnten. Dies liege vor allem an einem funktionierenden Stützpunktsystem mit aktiven „Nestern“. Im Wurf schafften von lediglich 14 qualifizierten Teilnehmern gleich zehn den Einzug in den Endkampf und sieben gingen am Schluss sogar mit Edelmetall nach Hause. Dies bedeutet den dritten Rang in Deutschland und bei der U 20 sogar Platz eins vor solchen Wurf-Hochburgen wie Mecklenburg-Vorpommern (in der U 18 Rang vier). „Der Wurf hat seine Hausaufgaben gemacht“, lobte Neubauer. Erklärtes Ziel sei es nun im nächsten Jahr, in allen Disziplinen bayerische Werfer in den Endkampf zu bringen. Auffällig sei diesmal gewesen, dass im Bereich der männlichen U 18 weder ein Teilnehmer im Diskuswurf wie im Kugelstoßen dabei war. Genauso verhält es sich bei der „bayerischen Domäne“ Hammerwurf bei der männlichen U 20.
Als „sehr erfreulich“ bezeichnete der BLV-Vizepräsident das Abschneiden der weißblauen Springer. Von 31 qualifizierten Teilnehmern hätten 20 den Weg unter die letzten Acht geschafft und fünf davon eine Medaille gewonnen. Bei der U 20 bedeutet dies sogar Rang eins in Deutschland, die U 18 steht mit Platz zwei kaum nach. „Hier beginnt das Netzwerk zu greifen“, zeigte sich Neubauer zufrieden.
Handlungsbedarf besteht nach Meinung des Funktionärs dagegen in den Blöcken Lauf und Sprint. Der Lauf, sonst immer das bayerische Vorzeigeteam, habe sich mit 35 Teilnehmern, 14 Finalteilnahmen und drei Medaillen (von Platz eins auf fünf in Deutschland) „unter Wert verkauft“. Noch kritischer sieht Neubauer die Situation im bayerischen Sprint. Von 47 Startern aus dem Freistaat (ohne Staffeln) hätten lediglich acht den jeweiligen Endlauf geschafft und zwei eine Medaille gewonnen. „Hier müssen wir zwingend nach Lösungen suchen“, gab der BLV-Vize die Stoßrichtung vor.
U 20 männlich
Natürlich Jonas Bonewit! Wenn es eine bayerische Goldhoffnung gab, dann trug sie den Namen des frischgebackenen Vierten der U 20-WM von Eugene im Speerwerfen. Dass der Athlet der LG Stadtwerke München dann auch noch seiner haushohen Favoritenrolle gerecht wurde, darf keinesfalls als selbstverständlich angesehen werden. Bonewit war mit ein wenig Frust im Bauch nach Bochum-Wattenscheid angereist, denn in Eugene war er im letzten Durchgang vom Medaillenplatz auf den vierten Rang verdrängt worden. Dementsprechend galt es nun, einen guten Saisonabschluss zu absolvieren.
Doch der Kampf um die Medaillen war bis zum Schluss eng. Sascha Menn (LG Kindelsberg Kreuztal) legte im ersten Versuch 60,65 Meter vor und steigerte sich im letzten Durchgang noch auf 64,00 Meter. Sascha Graf (SR Yburg Steinbach) lag mit 66,15 Metern jedoch noch ein Stück weiter entfernt auf dem Bronzerang. Patrick Held (TV Wanne 1885) war als Führender mit 68,05 Metern aus dem ersten Versuch ins Finale eingezogen. In den letzten Versuch aber legte Jonas Bonewit alles rein und rettete Gold mit 69,55 Metern. Zum Vergleich: 2013 war der Titel noch für 65,75 Meter weggegangen.
„Ich hatte heute etwas Probleme mit den Adduktoren und konnte deshalb nicht so schnell anlaufen“ meinte der Münchner. „Außerdem waren die anderen Jungs, vor allem Patrick, echt stark. Das war eine lange Saison für mich und ich bin froh, dass ich sie mit dem Meistertitel abschließen konnte, das war das Ziel.“
Gleiches hatte auch Tobias Potye (FC Aschheim), im vergangenen Jahr immerhin U 20-Europameister in Rieti, im Sinn. Doch schnell begriffen die zahlreich angereisten bayerischen Fans und der lange Schlacks aus dem Münchner Westen, dass die erhoffte Doppel-Flugshow diesmal zu einer reinen Solonummer seines Dauerrivalen Falk Wendrich (TV Wattenscheid 01) in dessen heimischem Stadion werden sollte. Schon bei 2,09 Meter wackelte die Latte, bei 2,11 Meter war dann Endstation, obwohl er die Höhe eigentlich locker im Griff hatte. Dass es für Tobias Potye dann letztlich sogar noch Silber hinter dem überragenden Falk Wendrich (2,20 Meter) wurde, versöhnte dann doch noch irgendwie nach einem keinesfalls zufriedenstellenden Wettkampf. Positiv zu Buche schlägt der sechste Platz von Stefan Krumm (TSV Marktoberdorf) mit 1,99 Meter.
Silberne Medaillen gab es auch für die restlichen drei WM-Fahrer aus Bayern. Laurin Walter (LG Stadtwerke München) war freilich ebenso wenig wie Tobias Potye mit seinem Abschneiden über 400 Meter zufrieden. Nach einem verpatzten Start hatte er gegen seinen Staffelkollegen aus Nationalmannschaft, Constantin Schmidt (TG Obertshausen) keine Chance, kam ebenso wie im Vorjahr hinter diesem als Zweiter nach 47,93 Sekunden ins Ziel und riss sich dort frustriert sein Trikot vom Leib.
Ärgern konnte sich auch Patrick Karl (TV Ochsenfurt) über den Verlauf des 2000-Meter-Hindernisrennens – und zwar über sich selbst. Durch eine kleine – man muss es so formulieren – Dummheit beraubte er sich selbst einer sicheren Goldmedaille. Nach erbittertem Kampf, der praktisch erst auf dem letzten Meter entschieden wurde, riss Patrick Karl im Gefühl des sicheren Sieges zu früh die Arme hoch. Diese Jubelpose hätte er sich ersparen sollen, denn er bemerkte dabei nicht, dass Karl Bebendorf (Dresdner SC) noch im letzten Augenblick an ihm vorbeihuschte und ihm in 5:46,53 Minuten zu 5:46,60 Minuten den sicher geglaubten Titel wegschnappte. Der Ochsenfurter, der in den beiden Jahren zuvor zweimal den U 18-Titel über 1500 Meter Hindernis gewann, zeigte sich nach seinem Missgeschick sportlich fair: „Natürlich habe ich einen Fehler gemacht. Aber ich gönne Karl den Meistertitel. Da wir beide noch 2015 in der U 20 startberechtigt sind, werden wir im nächsten Jahr sicherlich wieder aufeinander treffen. Dann werde ich mich revanchieren können.“ Auf den Rängen sieben und acht landeten mit Sebastian Viehbeck (LG Telis Finanz Regensburg; 5:56,29 Minuten) und Bernhard Weinländer (LAC Quelle Fürth; 5:56,70 Minuten) zwei weiteren Bayern.
Nach einem Seuchenjahr, bedingt durch einen Zehenbruch im Frühjahr bei der Eignungsprüfung für die Aufnahme zur bayerischen Landespolizei, bedeutete der dritte Rang von Dreispringer Dimitri Antonov junior (LAC Quelle Fürth) mit 14,81 Meter so etwas wie einen versöhnlichen Abschluss. Gegen den neuen Überflieger Max Hess (LAC Erdgas Chemnitz; 15,98 Meter) hatte er an diesem Tag keine Chance. Auch Tobias Hell (Schweriner SC; 15,24 Meter) landete an diesem Tag vor dem 18-Jährigen. Am heutigen Dienstag ließ er sich in Neutraubling eine Schraube aus dem operierten Zeh entfernen. Im nächsten Jahr liegt das ganze Bestreben des vorjährigen U 18-WM-Dritten, die Lufthoheit im deutschen Nachwuchs-Dreisprung zurückzuerobern. Eine richtig gute Vorstellung gab im Schatten der großen Drei Jakob Conrad (FC Aschheim). In Wattenscheid konnte er sich über seine ersten Versuche über 14 Meter freuen, sein bester wurde mit 14,23 Meter vermessen, was Rang sechs bedeutete.
Vor Glück völlig außer sich war Valentin Döbler (LG Stadtwerke München). Im Kugelstoßen hatte keiner den Münchner Drehstoßer auf der Rechnung. Im Windschatten der überragenden WM-Teilnehmer Patrick Müller (SC Neubrandenburg; 19,94 Meter) und Henning Prüfer (SC Potsdam; 19,31 Meter) gelang dem 18-Jährigen mit 18,66 Meter der Stoß seines Lebens, und das, obwohl er sich in den Wochen zuvor mit einer Muskelverletzung geplagt hatte.
Eine Paradevorstellung bot sein Mannschaftskollege Daniel Troßmann (LG Stadtwerke München) im Weitsprung. Mit neuer persönlicher Bestleistung von 7,26 Meter kratzte er zwar nicht unmittelbar an den Medaillenrängen, schob sich aber auf einen exzellenten vierten Rang. Aller Ehren wert war auch der fünfte Rang von Lukas Koller (TSV 1880 Wasserburg) im Diskuswerfen mit sehr guten 53,20 Meter. Ihre Haut so teuer wie möglich verkauften Hiob Gebisso (LG Augsburg) über 3000 Meter (Sechster in 8:34,50 Minuten) und Martin Weinländer (LAC Quelle Fürth) über 1500 Meter; Achter in 3:58,45 Minuten).
„Nur“ auf Rang sieben im Endlauf über 100 Meter kam der amtierende Deutschen 60-Meter-Hallenmeister Lucien Aubry (LG Erlangen) in 10,84 Sekunden ins Ziel. Nach der Enttäuschung über die Nichtnominierung für die U 20-WM in Eugene hatte Aubry mit Motivationsproblemen zu kämpfen. In den B-Finals belegte Lars Ott (LG Allgäu/Kempten) über 200 Meter die Plätze fünf (22,26 Sekunden) und die 4 x 100-Meter-Staffel der SpVgg Auerbach/Streitheim und vier (44,10 Sekunden).
U 20 weiblich
Gut siebeneinhalb Meter Rückstand auf eine überragende Claudine Vita (SC Neubrandenburg; 56,46 Meter) reichten U 20-WM-Fahrerin Evi Weber (TSV 1862 Erding) zum standesgemäßen Silber im Diskuswerfen. Ihre beste Weite von 48,90 Meter verrät, dass die 19-Jährige in diesem Jahr eine Menge an Konstanz gewonnen hat. Die Gunst der Stunde nutzten zwei andere talentierte Bayerinnen, um sich überraschend die Vizemeisterschaft zu schnappen. Siebenkämpferin Anna-Lena Obermaier (LG Sempt) kam in einer von wechselnden Winden bestimmten Hochsprung-Konkurrenz auf einen kaum für möglich gehaltenen zweiten Rang hinter Anne Peters (TV Norden). Im zweiten Versuch tütete sie 1,70 Meter ein und durfte sich hinterher ebenso freuen, wie Speerwerferin Eva Herrmann (LG Reischenau-Zusamtal). Dass ihre 44,55 Meter zu Silber reichen würden, hatte zuvor wirklich niemand erwartet. Ganze zehn Zentimeter lagen zwischen ihr und der Dritten Nicole Götz (TV Reisen 1911; 44,45 Meter), während zur neuen Meisterin Christine Winkler (LAZ Leipzig; 51,61 Meter) über sechs Meter Abstand bestanden. Macht nix! Herrmann hatte an diesem Tag einfach das Glück der Tüchtigen, zumal sie auch in der Wattenscheider Windlotterie ihren besten Versuch in eine sturmlose Phase setzen konnte.
Als Achte war sie gerade noch in den Endkampf der Weitsprung-Konkurrenz gekommen, bis zum letzten Durchgang rangierte Tina Pröger (LAC Quelle Fürth) als Siebte mit 5,79 Meter im Schatten der Großen wie Maryse Luzolo (LG Eintracht Frankfurt; 6,24 Meter) und Celina Leffler (SSC Koblenz-Karthause; 6,15 Meter). Dann jedoch packte die 19-jährige Mittelfränkin richtig einen aus, sprang mit 5,93 Meter persönliche Bestleistung und holte eine genauso unerwartete Bronzemedaille.
Im vergangenen Jahr landete ihre Mannschaftskameradin Katharina Winkler (LAC Quelle Fürth) bei der U 18-DM noch überraschend auf dem dritten Rang über 100 Meter Hürden. Dieses Kunststück gelang ihr 2014 in Wattenscheid nicht ganz. Mit nur zwei Hundertstelsekunden Rückstand auf Bronze kam die 18-jährige Fürtherin bei der weiblichen U 20 diesmal als Vierte ein (14,32 Sekunden). Mit neuer persönlicher Bestleistung von 12,26 Meter und Rang fünf konnte Dreispringerin Laura Keilhofer (TV Zwiesel) ihren vierten DM-Platz vom Vorjahr bestätigen. Mit der Weitsprung-Dritten Tina Pröger kam noch eine weitere bayerische Springerin auf Rang sieben (12,03 Meter).
Ein neuer Hausrekord mit 2:12,01 Minuten und Rang sechs im Finale über 800 Meter: Damit kann Elisabeth Plötz (TV Bad Kötzting) ganz gut leben. Etwas mehr erwartet hatten sich dagegen die beiden Franziskas, nämlich Franziska Reng (LG Telis Finanz Regensburg) über 3000 Meter und Franziska Heiß (TSV Gräfelfing) im Stabhochsprung. Für Reng blieb am Ende blieb nur der siebte Rang, der aber mit einer neuen Jahresbestleistung von 10:00,18 Minuten. Heiß schaffte die gleich Platzierung mit 3,70 Meter.
Über das Abschneiden der bayerischen Teilnehmer der männlichen und weiblichen U 18 sowie der Langstaffeln der Männer und Frauen folgt morgen ein weiterer Bericht.