17.12.2018 10:33 // Von: Andreas Krämer

Gedanken zum Stand der Leichtathletik

Die traditionelle Leichtathletik sieht sich zunehmend mit den Einflüssen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen konfrontiert.

In der Vergangenheit dominierte die Leistungsorientierung. Heute gewinnen andere Sinngebungen und veränderte Trainingsinhalte und Wettkampfformen an Bedeutung.

Ursache sind u. a. veränderte Lehrpläne für das Unterrichtsfach Sport an den Schulen sowie an der Einführung neuer Wettkampfangebote.

Weitere Merkmale veränderter Rahmenbedingungen sind die deutlich gewachsene Konkurrenz durch andere Sportarten, die schulpolitische Entwicklung (Einführung von Ganztagsunterricht und G8-Ausbildung) sowie veränderte Ausbildungsziele in der Sportlehrerausbildung an Hochschulen.

Die Ausbildung von qualifizierten Trainern im Nachwuchsbereich ist durch die veränderten Rahmenbedingungen von immer größerer Bedeutung.

Neben den fachspezifischen Kenntnissen ist vor allem eine erhöhte pädagogische Handlungskompetenz und damit ein alters- und entwicklungsgemäßes sowie zeitgemäßes Sportangebot erforderlich, um Heranwachsende in der Leichtathletik oder im Sport nachhaltig positiv zu beeinflussen.

 

Positiv war für die Kinderleichtathletik die Einführung eigener alters- und entwicklungsgemäße Wettkampfangebote, die alle Disziplinen der Leichtathletik kindgemäß abbilden und damit die spätere Jugendleichtathletik grundlegend, vielseitig und langfristig motivierend vorbereiten.

Auch die seit 2013 eingeführten Teamwettbewerbe, in welche die „klassischen Disziplinen" wie 50-Meter-Sprint, Ballwurf, Hoch- und Weitsprung in der Altersklasse U12 (zehn- und elfjährige Kinder) fest integriert sind, fördern den Spaß bei Kindern mit Freunden in einer Gruppe.

Die Wettkämpfe sollen vorrangig als Mehrkampf angeboten werden. Für die gesamte Kinderleichtathletik gilt das Prinzip der Vielseitigkeit, mit dem Ziel, einer zu frühzeitigen Spezialisierung vorzubeugen.

Weitere Perspektiven in der Umsetzung sind vor allem die Aus- und Fortbildung von Trainern und Lehrern sowie die Unterstützung von Ausrichtern mit geeigneten Medien und Materialien als Hilfestellungen zur Wettkampforganisation.

 

Bereits in den 90er Jahren forderten führende Köpfe im Deutschen Leichtathletik Verband dringend notwendige Strukturreformen im Verband. Geschehen ist sehr lange so gut wie nichts. Der ehemalige Präsident des DLV, Helmut Digel, war immer ein engagierter Mitstreiter zur Rettung der olympischen Kernsportart Leichtathletik. Ein Zitat von Ihm aus dem Jahr 2015: „Als besonders kritisch sind das rückläufige Interesse der Jugendlichen an der Leichtathletik, die gefährliche Sportstättenentwicklung, der gravierende Trainermangel und die überbürokratische Verwaltung und Organisation. Für jedes dieser Probleme bedarf es spezifische Lösungswege.“

Ich selbst habe bereits vor 15 Jahren in vielen Gesprächen mit Verbandsfunktionären und Trainern auf die gesellschaftspolitischen Veränderungen in den kommenden Jahren und einer daraus resultierenden dringenden Gegenreaktion aufmerksam machen wollen. „Wir haben nicht nur ein Athletenproblem, weil immer weniger Jugendlich ab dem 16. Lebensjahr noch bereit und in der Lage sind, den Leistungssport konsequent auszuführen – wir haben auch ein Trainerproblem, da es engagierte und gut ausgebildete Trainer für den qualitativ hochwertigen Leistungssport immer weniger gibt, die sich ehrenamtlich 3-5x pro Woche für 2 Stunden täglich in die Halle oder auf den Sportplatz stellen.“ 

 

Damals wie auch heute wird konstruktive Kritik von den Verantwortlichen zur Kenntnis genommen, grundlegende und richtungsweisende Reaktionen gab und gibt es selten. Bedauerlicherweise hat das Desinteresse bei den Verantwortlichen dazu beigetragen, den seit langem dringend erforderlichen Strukturwandel konsequent und ohne Ausnahmen von Ansehen und Personen anzugehen.

Ein weiterer Aspekt ist die mangelnde körperliche Aktivität im heutigen Alltag.

Die Gründe für den zunehmenden Bewegungsmangel von Kindern und Jugendlichen liegen in erster Linie an gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen. Damit einher geht auch eine Veränderung der Freizeitgestaltung. Insbesondere die stark zunehmende Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen durch Fernseher, Computer, Spielekonsolen, Handys und immer neue technische Entwicklungen, haben einen negativen Einfluss auf das Bewegungsverhalten.

Weitere Gründe sind ein zunehmender Mangel an Spiel und Freizeitmöglichkeiten, ein fehlendes Bewegungs- und Gesundheitsbewusstsein, Zeitmangel sowie ein unzureichendes Sportangebot an den Schulen und im Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen.

Doch auch die Vorbildfunktion der Eltern spielt eine entscheidende Rolle. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Kinder von sportlich aktiven Eltern häufiger Sport treiben als Kinder von sportlich inaktiven Eltern.

 

Lt. Einer Studie treiben ca. ein Viertel der Kinder in Deutschland in ihrer Freizeit keinen Vereinssport. So erreicht in Deutschland nur etwa jeder vierte Junge und jedes sechste Mädchen das Bewegungspensum von einer Stunde täglich, welches von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Erhaltung der körperlichen, seelischen und sozialen Gesundheit und zur Vorbeugung vor Krankheiten empfohlen wird.

Umso wichtiger ist es, Kinder und Jugendliche immer wieder für den Sport zu motivieren. Wir müssen eine möglichst hohe Bandbreite an Sport- und Bewegungsangeboten schaffen und die Kinder langfristig an den Sport binden. Genau wie die Organisation von Trainingslagern, Sport- und Jugendreisen, zielt auch der Vereinssport darauf ab, durch Spaß, Freude und das gemeinsame Erlebnis mit anderen Kindern und Jugendlichen langfristig Begeisterung für Bewegung zu wecken.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich bin angetreten, um einen kleinen Beitrag zu den hohen Zielen und großen Anstrengungen für die Attraktivität der Leichtathletik im Ganzen zu leisten. Diese Aufgabe geht nur in Zusammenarbeit mit euch Allen und im Team.

Ich unterstütze euch so gut es geht, benötige aber ebenso eure Mitwirkung und den offenen Dialog.

 

Mit sportlichen Grüßen,

 

Andreas Krämer

2. Vorsitzender und Sport / Wettkampfwart im Bezirk Oberbayern