Junioren-Gala Mannheim: Katrin Fehm löscht Verena Sailer aus der bayerischen Rekordliste
Der Himmel in Mannheim hatte sich verdunkelt, dichte Regenwolken waren aufgezogen, die Temperaturen gefallen und die Bahn schon leicht nass. Doch all dies konnte Katrin Fehm nichts anhaben. Das Finale über 100 Meter der weinblichen U 20 wurde zum erwartet packenden Kopf-an-Kopf-Rennen um die beiden Einzelstarts bei der U20-WM in Bydgoszcz (Polen). Vier DLV-Sprinterinnen trommelten nahezu Schulter an Schulter die Zielgerade entlang. Im Ziel hatte Katrin Fehm (SG Siemens Amberg) dann aber doch deutlich den Oberkörper vorn.
Nach einer Tempoverschärfung ganz zum Schluss blieb die Uhr bei 11,43 Sekunden stehen - eine Steigerung der persönlichen Bestzeit um 14 Hundertstel, ein neuer bayerischer U 20-Rekord und der sichere Einzelstart bei der U 20-WM, den die Sprinterin, die erst 2014 mit der Leichtathletik begonnen hatte, mit spitzen Schreien im Ziel quittierte. "Dass es so schnell wird, hätte ich nicht gedacht. Der Start war gut, die Beschleunigung ebenfalls", analysierte die Athletin von Ulrike Glück. "Ich hatte mit einem viel engeren Ausgang gerechnet, aber wie es dann wirklich gelaufen ist, kann ich noch gar nicht richtig fassen", sagte die 18-Jährige, die die Deutsche Meisterin Tatjana Pinto als ihr Vorbild nennt.
Katrin Fehm wird in Bydgoszcz auch in der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel an den Start gehen. Am zweiten Tag der Junioren-Gala von Mannheim - diesmal bei wesentlich besseren Bedingungen - nährten die Hoffnung auf einen Staffelcoup bei der WM. Fehm, Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01), Eleni Frommann (LC Jena) und Chantal Butzek (LC Paderborn) demonstrierten Eintracht und zeigten Wechsel wie aus einem Guss. Die Siegerzeit von 44,48 Sekunden offenbart sogar noch Reserven.
"Am Anfang dachte ich: Hui, wo ist die Wechselmarke? Es war ein später, aber ein guter Wechsel, der optimal hingekommen ist. Er kam gut aus dem gestreckten Arm", analysierte Katrin Fehm. "Keshi ist gut weggekommen. Es war etwas Risiko im Spiel, weil sie am Anfang ziemlich weit weg war, aber Keshi ist mir gottseidank nicht davon gelaufen. Ich habe hintenheraus noch gut Kraft gehabt", sagte die Oberpfälzerin. "Ich gehe davon aus, dass die Besetzung für Bydgoszcz steht", waren sich Katrin Fehm und Schlussläuferin Chantal Butzek einig. Die wiederum fand ihren Lauf "noch etwas holprig. Der Übergang ging noch nicht fliegend." Für die U 20-WM ist das DLV-Quartett aber optimistisch, weit vorn zu laden.
Mareen Kalis Zweite in kontrolliertem 800-Meter-Rennen
Die Nominierung über 800 Meter für die U 20-Weltmeisterschaften ist bereits durch. Für Mareen Kalis (LG Stadtwerke München), mit einer Zeit von 2:04,77 Minuten die Nummer eins der Meldeliste, ging es in Mannheim daher vor allem darum, vor dem internationalen Auftritt noch einmal Wettkampf-Praxis gegen internationale Konkurrenz zu sammeln.
Die 19-Jährige, die in der Vorwoche Fünfte der Deutschen Aktiven-Meisterschaften geworden war, bestritt ein kontrolliertes Rennen. Eine Runde lang hielt sie sich hinter der Australierin Sarah Billings auf Rang zwei. Als sie kurzzeitig auf Rang drei verdrängt wurde, setzte sie auf der Gegengerade zu einem langgezogenen Spurt an, ging 150 Meter vor dem Ziel an die Spitze und bog als Führende auf die Zielgerade ein. Dort konnte Sarah Billings – mit einer 200-Meter-Bestzeit von 24,39 Sekunden auch eine exzellente Sprinterin – aber noch kontern: In 2:07,74 Minuten holte die Australierin den Sieg vor Mareen Kalis (2:08,31 Minuten).
"Ich bin hier als Schnellste gestartet, natürlich hätte ich gerne gewonnen", sagte die Wahl-Münchnerin, die am Vortag auch über 400 Meter am Start war (56,63 Sekunden). "Aber ich habe zuletzt richtig viele Wettkämpfe gehabt, da wurde es am Ende schwer, vielleicht bin ich auch zu früh angetreten." Nun wird sie sich drei Wochen ohne Wettkämpfe auf die U 20-WM vorbereiten. "Ich bin guter Dinge, dass die Form dann stimmt."
Eine weitere positive Überraschungen aus bayerischer Sicht gab es im Dreisprung der männlichen U 20. Bester Deutscher - mit dieser Bezeichnung hätten an diesem Tag womöglich die beiden bereits festehenden WM-Fahrer Benjamin Bauer und Christoph Garritsen gehofft. In der Woche zuvor hatten sie bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel noch 15,90 Meter beziehungsweise 16,22 Meter erzielt, nun blieben sie unerklärlicherweise bei 15,06 und 14,78 Meter hänge. Nun wurde tatsächlich mit Paul Walschburger (LAZ Kreis Günzburg) einer "bester Deutscher", den zuvor niemand auf der Rechnung hatte.
Walschburger feierte an diesem Tag einen ganz besonderen Erfolg. Er verbesserte sich nicht nur um 40 Zentimeter, sondern bewies sich auch selber, dass der Wechsel vom Weit- zum Dreisprung goldrichtig war. „Ich bin erst seit den Osterferien Dreispringer“, verriet er. „Nachdem es im Weitsprung nicht mit dem Anschluss an die deutsche Spitze geklappt hat, dachte ich, ich versuche es mal im Dreisprung.“ Eine Entscheidung, die sich schon jetzt auszuzahlen scheint. Seit den Osterferien bekommt er nun seine Trainingspläne vom ehemalige Top-Dreispringer Richard Kick aus München per E-Mail geschickt. Kick war 1974 bei den Hallen-Europameisterschaften Sechster. „So ein Ferntraining ist nicht immer einfach, weil der Dreisprung ja eine ganz neue Disziplin für mich ist, aber so weiß ich auch, dass noch viel Potential in mir steckt“, sagte Paul Walschburger.
Für eine andere bayerische Dreisprung-Hoffnung verlief der Trip nach Mannheim nicht ganz wie erhofft. Stefanie Aeschlimann (MTV 1881 Ingolstadt) hatte sich nach einer brillanten Hallensaison, in der sie Deutsche Vizemeisterin wurde und den U 20-Länderkampf in Italien gewann, berechtigte Hoffnungen auf einen Start bei der U 20-WM gemacht, denn immerhin lag die Norm für Bydgoszcz (13.15 Meter) nicht weit von ihrer Bestleistung (12,96 Meter) entfernt. Doch eine Reihe von kleineren Verletzungen ließ nur eine begrenzte Anzahl von Trainingssprüngen zu, so dass die Ingolstädterin auch in Mannheim mit technischen Problemen zu kämpfen hatten. Mit 12,31 Meter wurde Aeschlimann Fünfte.
Tragik um Hochspringerin Laura Gröll
Besonders tragisch endete die Juniorengala für Hochspringerin Laura Gröll (LG Eckental). Die Norm für die U 20-WM (1,83 Meter) hatte die Mittelfränkin schon zwei Mal erfüllt. Neben ihr waren mit Mareike Max (SV Werder Bremen) und Leonie Reuter (TV Rheinzabern) noch zwei weitere Mädchen über 1,83 Meter gekommen. In Mannheim zogen Meike Reimer (ABC Ludwigshafen) und Mona Gottschämmer (LG Eintracht Frankfurt) nach.
Der Sieg war bei 1,83 Meter aber noch nicht vergeben. Mit einem blitzsauberen ersten Versuch über 1,85 Meter schob sich Mareike Max in die Pole Position für die WM-Nominierung. Im dritten Versuch zog Mona Gottschämmer nach – und bewahrte die Verantwortlichen um Nachwuchs-Bundestrainer Jan-Gerrit Keil vor Kopfzerbrechen vor der Vergabe des zweiten WM-Tickets. Für Laura Gröll blieb mit 1,77 Meter nur der achte Rang und die bittere Erkenntnis, dass die U 20-WM ohne sie stattfinden wird.
Fraglich ist auch der Einsatz von Sprinter Felix Straub (LAC Quelle Fürth) in der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel. Er verletzte sich in Mannheimin der Zielkurve.
Vielleicht Christopher Löffelmann (1. FC 05 Schweinfurt) bei einer anderen Konstellation auch ein Start in Bydgoszcz drin gewesen. In Mannheim setzt sich der Unterfranke im durchweg mit deutschen Langhürdlern besetzten zweiten Zeitlauf durch. Der Gymnasiast, über die Flachdistanz im Winter nur um eine Hundertstel geschlagen Zweiter der Deutschen U 20-Hallenmeisterschaften und mit einer Bestzeit von 48,70 Sekunden ausgestattet ist, verbesserte sich um 34 Hundertstel auf 53,32 Sekunden.
"Ich habe mich schon im vergangenen Jahr auf die Hürdenstrecke konzentriert und es hat auf Anhieb super geklappt. Ich habe seitdem versucht, mich auf dieser Distanz weiterzuentwickeln", sagte der Schützling von Manfred Göpfert. "Die 400 Meter in der Halle habe ich nur so mitgenommen, auch wenn sich das jetzt doof anhört. Dass es so gut geklappt hat, war sehr erfreulich. Vielleicht hätte ich sogar Perspektiven gehabt, für die U 20-WM in die Staffel zu kommen, aber ich hatte im Mai einen gesundheitlichen Rückschlag. Da ist mir einiges an Substanz verloren gegangen, sodass ich gesagt habe: Ich bereite mich über die Hürden auf die U 20-DM in Mönchengladbach vor und habe die Flachstrecke außen vor gelassen", erklärte Christopher Löffelmann.
Ein guter sechster Platz im Hammerwerfen gelang Jessyka Schneider (TV Hindelang) mit 51,13 Meter. In den jeweiligen B-Wettbewerben kamen ihr bayerischer Hammerwurfkollege Dominik Maaß (LAV 02 Neustadt) mit 59,63 Meter auf den zweiten, Speerwerferin Sabrina Reusch (LG Stadtwerke München) mit 44,85 Meter auf den dritten und Diskuswerferin Rebekka Zimmer (LG Bamberg) mit 45,20 Meter auf den fünften Rang.