Starkes Debüt im Naationaltrikot: Anja Scherl wurde bei der Halbmarathon-EM als 17. beste Deutsche.

Freuen konnte sich auch Julian Flügel. Mit Platz 24 war er ebenfalls der beste DLV-Läufer in Amsterdam.

Im Schlepptau von Julian Flügel (links) bewegte such eine zeitlang Philipp Pflieger (rechts).

Für Maren Kock gab es im 1500-Meter-Finale ihre bislang beste EM-Platzierung.

Ebenfalls in positiver Erinnerung behält Florian Orth das EM-Finale über 5000 Meter. Alle Fotos: Theo Kiefner

10.07.2016 19:28 // Von: Reinhard Köchl/leichtathletik.de

EM Amsterdam: Positiver Abschlusstag für die bayerischen Leichtathleten

Am letzten Tag der Europameisterschaften in Amsterdam sorgten die bayerischen Leichtathleten noch einmal für gute Ergebnisse. Maren Kock (LG Telis Finanz Regensburg) belegte im 1500-Meter-Finale einen exzellenten sechsten Rang, ihr Lebensgefährte und Vereinskamerad Florian Orth wurde über 5000 Meter Siebter, die 4 x 400-Meter-Staffel der Männer mit Johannes Trefz und Patrick Schneider kam auf Rang acht und die Halbmarathon-Starter aus dem Freistaat verkauften ihre Haut so teuer wie möglich.

Senkrechtstarterin Anja Scherl (LG Telis Finanz Regensburg) blieb das Privileg, als 17. die beste deutsche Platzierung im Halbmarathon von Amsterdam erzielt zu haben. Ihre Zeit lag bei 1:13:03 Stunden.

"Zu Beginn des Rennens ist es mir schwer gefallen", kommentierte Anja Scherl ihr Rennen gegenüber "leichtathletik.de". "Ich hatte relativ bald das Gefühl, dass ich an Tempo verliere. Ich habe etwas rausgenommen und hatte noch ein paar Körner hinten raus. Ich konnte ein paar Läuferinnen einsammeln. Die Strecke war durch ihre Wellen schwer. Unterm Strich bin ich mit meinem Ergebnis zufrieden. An der Strecke waren sehr viele deutsche Zuschauer. Ich wurde angefeuert. Das hat mich begeistert. Es hat Spaß gemacht. Jetzt habe ich noch ein paar Wochen bis Rio. Ich möchte gut weiter trainieren und Umfang machen. Hier war eine ganz wichtige Zwischenstation."

Eine zuschauerfreundliche Strecke, ordentlich Stimmung rund um den Kurs und eine malerische Kulisse. Die Premiere des Halbmarathons bei einer EM am Sonntag in Amsterdam (Niederlande) war eine gelungene Sache – nur die scharfe Kurve kurz nach dem Start gefiel den Athleten nicht ganz so gut. Die Favoriten und die DLV-Athleten kamen im Gedränge aber ohne Sturz davon.

Zuerst wurde das Frauenfeld auf die Reise geschickt, 20 Minuten vor den Männern. Vom Start weg ergriff die Italienerin Veronica Inglese die Initiative und wurde am Ende mit Silber (1:10:35 Stunden) belohnt. Das Tempo auf nahm auch die Portugiesin Sara Moreira, die in der Schlussphase die meisten Kräfte freisetzen konnte und zum Titel (1:10:19 Stunden) lief. Bronze ging an ihre Landsfrau Jessica Augusto (1:10:55 Stunden).

Hinter Anja Scherl wurde Isabell Teegen (SC Rönnau 74) 51. (1:16:32 Stunden), Katharina Heinig (LG Eintracht Frankfurt; 1:17:15 Stunden) kam auf Platz 55 ein, 74. wurde Anna Hahner (run2sky.com; 1:18:41 Stunden).I n der Teamwertung, für die jeweils die Zeiten der besten drei Athletinnen einer Nation addiert wurden, kam die DLV-Mannschaft (3:46:50 Stunden) auf Platz 14. Der Sieg ging an Portugal (3:33:53 Stunden) vor Italien (3:36:38 Stunden) und der Türkei (3:39:59 Stunden).

Franziska Reng (LG Telis Finanz Regensburg) schied bei ihrem ersten internationalen Einsatz im Aktivenbereich vorzeitig aus.

Bei den Männern bildete sich ebenfalls schnell eine Spitzengruppe heraus, die Edelmetall unter sich ausmachte. Der aus Eritrea stammende Tadesse Abraham (Schweiz) teilte sich die Kräfte am besten ein und konnte sich zum Schluss entscheidend absetzen. Ergebnis: Gold in 1:02:03 Stunden. Kaan Kigen Özbilen (Türkei), gebürtig aus Äthiopien, konnte nicht mehr folgen, ihm blieb Silber (1:02:27 Stunden). Bronze ging an den Italiener Daniele Meucci (1:02:38 Stunden).   

In der Schlussphase arbeitete sich Julian Flügel (Asics Team Memmert) noch einmal weiter nach vorne und wurde als 24. in 1:05:18 Stunden bester Deutscher. Als 33. folgte Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) in 1:06:01 Stunden.

"Zu Beginn des Rennens war ich erstmal im Bereich von Platz 40. Ich konnte mich noch nach vorne arbeiten bis auf Platz 24", sagte Julian Flügel. "Bei dieser Strecke und dem Feld eine 65 tief, damit bin ich mehr als zufrieden. Als bester Deutscher kann ich durchaus zufrieden sein. Für mich war es die erste echte EM. Es war richtig Stimmung in der Stadt. An der Strecke waren auch andere Athleten aus dem Team, die uns angefeuert haben. Das war eine tolle Sache. Ich möchte im Herbst noch einmal meine Marathon-Bestzeit angreifen. Wo genau, weiß ich noch nicht."

Philipp Pfliegers Statement fiel gewohnt umfangreich aus: "Es war erwartet schwer. Die Startsituation war ein Witz. Das sind hier 90 Leute, die alle schon ein bisschen was können, und jeder will als Erster um die Kurve. Es ist auch direkt vor mir jemand gestürzt. Ich hatte am Anfang relativ gute Beine. Ich habe mich nicht schlecht gefühlt. Ich dachte mir, wir haben nichts zu verlieren. Wenn wir mit der Mannschaft was reißen wollen, dann brauche ich nicht ganz konservativ anrennen, wohlwissend, dass mir das hinten raus das Genick brechen kann. Ich bin so in Drei-Minuten-Tempo angegangen. Dann war ich halt sehr viel alleine. Aus der einen Gruppe bin ich rausgefallen und die, die ich eingesammelt habe, waren zu langsam. Ich bin zwölf Kilometer alleine gerannt. Da sind die Beine im Wind sehr schwer geworden. Hier gibt es natürlich keine Berge, aber viele Brücken und Kopfsteinpflaster. Das haut schon rein. Dann kam Julian, da konnte ich aber nicht so lange mitlaufen. Dann war ich wieder auf mich alleine gestellt. Mit 1:06 ist das keine super Zeit. Wenn man aber sieht, wer mit den Bedingungen auch nicht zurechtkam und raus ist, dann brauche ich mich nicht zu rechtfertigen. Für mich ging es in der zweiten Hälfte darum zu überleben und möglichst eben fürs Team zu schauen, dass man gut durchkommt."

Maren Kock mit Rang sechs zufrieden

An ihre bisherigen Auftritte bei Europameisterschaften hatten Maren Kock keine guten Erinnerungen. In Helsinki gab es 2016 den 16. Platz, zwei Jahre später in Zürich war es dann Rang 15. Insofern ist die Zahl "6" vor ihrem Namen in Amsterdam durchaus aus Erfolg zu werten, auch wenn nach einem gemütlichen Bummelzugtempo am Anfang schnell klar wurde, dass sich die Hoffnung auf eine Erfüllung der Olympianorm quasi auf den letzten Drücker nicht erfüllen würde. Ihre Zeit von 4:34,54 Minuten ist deshalb nur für die Statistik. Der EM-Titel ging nach einem langgezogenen Spurt an die Polin Angelika Cichocka (4:33,00 Minuten). Sifan Hassan (Niederlande; 4:33,76 Minuten) blieb Silber vor der Irin Ciara Maggeean (4:33,78 Minuten).

"Es ist natürlich schade, dass das Rennen nicht schnell genug war, um noch einmal für Rio anzugreifen", zeigte sich MAren Kock in einer ersten Stellungnahme nur kurz enttäuscht. "Letzten Endes war es aber für mich total maßgeschneidert. Ich war eingangs der letzten Runde vorne mit dabei. 200 Meter vor Schluss war ich leider ein bisschen eingekeilt. Ich habe versucht, einfach mitzulaufen. Dann waren die vorne aber einfach weg. Ein, zwei Plätze wären vielleicht noch drin gewesen, gerade weil ich hinten raus einen Punch habe – gerade bei so einem Tempo. Ich bin super happy mit dem sechsten Platz. Das ist meine beste Platzierung bei Europameisterschaften. Von daher kann ich da ganz zufrieden sein. Ich fahre jetzt nächste Woche mit Flo [Florian Orth] noch ins Trainingslager nach Sankt Moritz. Das war halt geplant, sowas kann man immer schwer spontan planen. Dann mal sehen, ob ich noch ein paar Rennen mache. Die Saison ist ja noch relativ jung. Man muss jetzt kucken, was die nächsten Jahre auch von den Jungen nachkommt und wie sich die Mittelstrecke entwickelt. Da geht die nächsten Jahre auf jeden Fall noch was. Die EM 2018 in Berlin ist bei mir momentan so, dass danach Schluss ist. Aber man weiß ja nie. Der Körper muss mitmachen, dann muss man schauen, wie weit es noch geht. Ich habe in Amsterdam auf jeden Fall Erfahrungen gesammelt. Internationale Rennen über 1500 Meter habe ich ja noch nicht so viele gehabt. Da wird immer wieder anders gelaufen als bei Deutschen Meisterschaften. Davon kann ich die nächsten Jahre profitieren."

Florian Orth freut sich über den siebten Platz

Im Schatten von Bronzemedaillengewinner Richard Ringer lieferte Florian Orth eine starke Leistung über 500 Meter ab, die mit dem siebten Rang belohnt wurde (13:45,40 Minuten). "Es war mein erstes 5000-Meter-Rennen bei einer Meisterschaft. Bisher waren meine drei Rennen über diese Strecke hinter einem Hasen her", rekapitulierte Orth. "Klar, da wird auch mal geschubst. Heute war es was anderes. So wie es über 1500 Meter vielleicht 1000 Meter lang geht, ging es diesmal über 4000 zu. Rein, raus, hin, her, Ziehharmonika. Man versucht immer wieder, sich einzuordnen. Ich dachte, mir spielt das in die Karten. Aber dann musste ich doch feststellen, dass ich doch ein paar Körner gelassen habe und mir auch etwas die Erfahrung fehlt. Aber ich bin zufrieden. Platz sieben ist meine beste internationale Platzierung bisher. Ich freue mich riesig für Richard. Er war oft so nah dran und hat sich die Medaille verdient. Wir fahren nach Rio. Da ist erst einmal die Marschroute: Endlauf."

Bayerische Staffelläufer enttäuscht

Enttäuscht über ihre Vorstellung im Finale über 4 x 400-Meter zeigten sich die deutschen Läufer, darunter auch zwei Athleten aus Bayern. 3:05,67 Minuten lautete ihre Zeit am Schluss - Platz acht. Damit war das Quartett um fast zwei Sekunden langsamer, als noch tags zuvor im Vorlauf (3:03,97 Minuten). "Es war unglaublich schwer", fand Johannes Trefz (LG Stadtwerke München). "Ich habe versucht, alles rauszuholen. Ich bin sprachlos. Es war schon nach 30, 40 Metern schwer. Mehr konnte ich heute nicht. Ich bin geschafft. Vier Rennen in fünf Tagen, ich bin platt. Ich bin enttäuscht. Die Zeit war nicht gut, mein Rennen war nicht gut. Aber insgesamt kann ich viel aus der EM mitnehmen und in Zukunft das ein oder andere besser machen."

Für Patrick Schneider (LAC Quelle Fürth) war das Finale von Amsterdam eine gute Gelegenheit, seine kometenhaft Karriere Revue passieren zu lassen, die mit der Teilnahme an den Europameisterschaften ihre vorläufigen Höhepunkt fand. "Vor zwei Jahren habe ich noch in der Kreisklasse Fußball gespielt und die EM in Zürich im Fernsehen angeschaut. In dem Jahr habe ich auch Kamghe Gaba gesehen, als er Deutscher Meister geworden ist. Da habe ich mit Leichtathletik angefangen und es war ein Traum, mit ihm in der Staffel zu laufen. Heute stehe ich hier. Es war eine super Atmosphäre. Wir waren voller Euphorie und wollten ein gutes Rennen abliefern. Das ist uns heute nicht so gelungen. Wir hatten auch noch mit Rio geliebäugelt. Aber mit dieser Performence haben wir dort auch nicht zu suchen. Auch wenn es hart klingt, wir müssen schauen, wie es in vier Jahren aussieht. Wir haben noch einige starke junge Athleten, die sich noch gut entwickeln können."