BLV-Cheftrainer Knauer: „Müssen gut sein, dann bekommen wir, was wir brauchen“
BLVonline: Willkommen zurück in Bayern! Was hat sich in den vergangenen zwei Jahren Deiner Abwesenheit für Dich verändert?
Andreas Knauer: Eigentlich gehe ich davon aus, dass ich noch immer der Selbe bin, den die Vereine, die Sportler und die Trainer vor meinem Abschied 2008 kannten. Der Kontakt zu Bayern ist eigentlich nie abgerissen. Meine alte und neue berufliche Heimat hat mir stets eine Menge bedeutet, weil ich hier enorm viel von meinem Vorgänger Jürgen Mallow lernen durfte, vor allem in punkto Zusammenarbeit. Und dieses intensive Miteinander und die dabei entstandenen Strukturen haben vor allem dazu beigetragen, dass Bayern auch in den zwei Jahren meiner Abwesenheit immer noch der beste Landesverband im Jugendbereich ist. Diese Position haben wir 2005 nach einer längeren Durststrecke erreicht und seither nicht mehr abgegeben. Was das Persönliche angeht, so bleibt ein Reifeprozess natürlich nicht aus. Ich bin ja nicht im Unfrieden geschieden, sondern ausschließlich weil ich Papa geworden bin und meiner Familie auch räumlich näher sein wollte. Deshalb ging ich nach Thüringen. So ein Kind verändert wirklich einiges im Leben, viele Dinge bekommt plötzlich einen anderen Stellenwert, auch die berufliche Situation.
BLVonline: Und jetzt wieder die Rolle rückwärts. Warum zum zweiten Mal Bayern?
Knauer: Ich dachte anfangs, dass Thüringen wegen seiner Überschaubarkeit relativ schnell zu gestalten wäre. Ein Landesverband mit nur zwei Zentren, die Sportgymnasien in Erfurt und in Jena. Aber Veränderungen, eine neue Ausrichtung, ein konkretes Ziel, das alles gestaltete sich doch ausgesprochen schwierig. Auch habe ich unter einem permanenten Mangel an Informationen gelitten. Für mich als Sportdirektor war das ein Unding, zumal wichtige Entscheidungsprozesse davon betroffen waren. Meine damalige Situation bedeutete Stagnation. Irgendwann habe ich dann vom Veränderungswunsch von Dietmar Günther gehört, der aus familiären Gründen nach Baden-Württemberg zurück wollte, und fand den Gedanken irgendwie reizvoll, es noch einmal in Bayern zu probieren. Denn eines wusste ich: Derartige Probleme kannte ich von dort nicht.
BLVonline: Dennoch ist der Bayerische Leichtathletik-Verband ein anderer als noch 2008. Du hast es mit einem komplett neuen Präsidium zu tun.
Knauer: Richtig. Ich halte die neuen Leute für ausgesprochen vital, wobei es mir absolut fern liegt, das alte Präsidium abzuwerten. Ich spüre eine gewisse Dynamik im BLV, die mich in jeder Hinsicht beflügelt, eine Art Aufbruchsstimmung. Vieles ist im Wandel begriffen, wir haben einen jungen Vizepräsidenten Lehre, der anpackt, eine ebenso junge wie fantasievolle Vizepräsidentin Jugend. Im Bereich Sport hat nun mit Gerd Neubauer ein Praktiker das Sagen. Da tut sich eine ganze Menge, und dabei mitwirken zu dürfen, bereitet mir viel Freude!
BLVonline: Auch im sportlichen Bereich ist einiges geschehen.
Knauer: Ja, vor allem bei den Aktiven. Das liegt natürlich in erster Linie daran, dass es mittlerweile einige Vereine gibt, die es sich leisten können, Trainer hauptamtlich zu beschäftigen. Bei der LG Stadtwerke München ist das schon der Fall. Bei der LG Telis Finanz Regensburg gibt es dafür bereits Pläne. Ein wesentlicher Aspekt liegt freilich auch im deutlich höheren Ausbildungsstand der Heimtrainer. Hinzu kommt, dass sich die Verzahnung zwischen den Vereinen und dem Verband eindeutig verbessert hat. Schon 2005 haben wir es als eine unserer primären Aufgaben angesehen, die Position des Heimtrainers zu stärken.
BLVonline: Dennoch bleibt der Einfluss des BLV durch seine Aufgabenstellung primär auf den Jugendbereich begrenzt. Die diesjährigen Erfolge beispielsweise von Malte Mohr, Fabian Schulze oder Tobias Unger bei der LG Stadtwerke München entspringen wohl in erster Linie dem Engagement eines Vereines.
Knauer: Das ist so nicht ganz richtig. Dass München einen Schwerpunkt auf Stabhochsprung gelegt hat, ist alles andere als ein Zufall. Schließlich ist gerade dieser Bereich ist in der Vergangenheit intensiv umworben worden und wir haben mitgeholfen, in der Landeshauptstadt eine Struktur zu bilden, die dazu beiträgt, dass sich eine solche Leistungsentwicklung vollziehen konnte. Natürlich bedurfte es erst eines Steines, der die Lawine ins Rollen bringt, und im konkreten Fall mag diese Rolle durchaus Tim Lobinger zugefallen sein, der seinen Lebensmittelpunkt aus privaten Gründen nach München verlagerte. Was aber dann folgte, hatte mit Zufall nichts zu tun, sondern entsprang vielmehr einer klaren strategischen Ausrichtung des Vereines. Oder um das Beispiel Regensburg zu nennen: Auch dort herrschen eindeutige Zielsetzungen, was den läuferischen Bereich anbelangt. Natürlich sind in erste Linie die Protagonisten in den Vereinen dafür verantwortlich. Aber schon 2000 unter Jürgen Mallow haben sich die verantwortlichen Trainer im Verband einmütig dafür ausgesprochen, neben den bisherigen Aufgaben den Bereich U 23 ins Visier zu nehmen. Zunächst stand das nur auf dem Papier. Dann jedoch gelang es uns 2005 mit relativ geringen finanziellen Mitteln, einen U 23-Kader auf die Beine zu stellen, der bis heute existiert. Dabei handelt es sich um eine ausgesprochen kleine, leistungsorientierte Gruppe, die unserer Meinung nach Perspektiven für den B-Kader oder die Teilnahme an internationalen Titelkämpfen besitzt. Dabei hinterfragen wir nicht nur die Leistung, sondern das Umfeld des jeweiligen Athleten und bieten unsere Hilfe an. Natürlich können wir die kontinuierliche Förderung eines Talents niemals alleine leisten. Aber im Zusammenspiel der Kräfte zwischen Verein, Heimtrainer, Athlet und DLV nimmt der BLV auch bei den Aktiven eine aktive Rolle ein.
BLVonline: Wie steht dann um die immer wieder laut werdende Kritik, der DLV würde Bayern nicht ausreichend unterstützen, etwa durch die Abstellung von hauptamtlichen Trainern oder der Hilfe beim Ausbau von Leistungszentren nach Leverkusener Vorbild?
Knauer: Ich hatte nie den Eindruck, dass wir vom DLV nicht entsprechend akzeptiert würden. Natürlich muss man hier den personellen und finanziellen Aspekt ausklammern . . .
BLVonline: . . . aktuell stehen Wurf-Teamleiter Joachim Lipske und Lauf-Teamleiter Jörg Stäcker im Rahmen einer so genannten Mischfinanzierung auf der Gehaltsliste des DLV.
Knauer: Ja. Es waren schon mal mehr. Am Ende funktioniert das wie überall in Deutschland nach einer Art Belohnungssystem: Derjenige, der gut ist, bekommt etwas, derjenige, der besser ist, bekommt mehr. Und wer einen gewissen Status besitzt, will diesen selbstverständlich um jeden Preis erhalten. Natürlich schnitt Bayern in den vergangenen Jahren im Nachwuchsbereich überaus erfolgreich ab. Aber wir tun uns nach wie vor schwer, gegen die bereits angesprochene Ballung der Leistungszentren im westdeutschen Raum. Aber in diesem Bereich möchten wir unbedingt aufholen. Mit der LG Stadtwerke München, der LG Telis Finanz Regensburg, dem LAC Quelle Fürth und mittlerweile weiteren Vereinen verfügt der BLV über agile Partner. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die einzelnen Ressourcen besser zu verzahnen. Wenn uns dies gelingt, dann sind der jeweilige Standort und die bayerische Leichtathletik wieder ein Stück konkurrenzfähiger geworden. Das wirkt sich dann mittelfristig auch auf die Verteilung der Mittel aus. Aber nur den Finger zu heben und ständig über eine vermeintliche Benachteilung zu jammern, das funktioniert auf Dauer nicht. Wir müssen gut sein, und zwar nachhaltig gut, dann bekommen wir auch, was wir brauchen!
BLVonline: Wie lässt sich die zuvor beschriebene Aufbruchsstimmung beim Leitenden Landestrainer festmachen?
Knauer: Für mich geht es vor allem darum, unsere guten Strukturen zu erhalten und keineswegs nach dem Motto „Neue Besen kehren gut“ alles Bisherige grundsätzlich in Frage zu stellen. Das bringt nichts und wäre nur blinder Aktionismus. Es gilt vielmehr, die Dinge weiterzuentwickeln. Im Vordergrund steht vor allem ein wesentlich engerer Schulterschluss mit den Vereinen.
BLVonline: Gibt es auch persönlichen Wünsche für Andreas Knauer?
Knauer: Eine Olympiamedaille wäre fantastisch. Das würde uns enorm voran bringen. Aber so etwas fällt natürlich nicht so einfach vom Baum, sondern ist ein hartes Stück Arbeit. Deshalb kann ich schon mal behaupten: Ich bin nicht mit dem Gedanken zurück nach Bayern gekommen, um bald wieder wegzugehen.