Jule Lindner: Road to Tampere
Auf den Mittelstrecken und Langstrecken ist seit ein paar Jahren ein starker Leistungsanstieg zu sehen. Das hat sich zuletzt bei den Bayerischen Rekorden der Männer und der männlichen bemerkbar gemacht und auch bei den Frauen nimmt diese Entwicklung so langsam Fahrt auf. Der Bayerische Hallenrekord der weiblichen U20 über die 1500 Meter Strecke wurde zuletzt von Regina Schnurrenberger (FTSV 1922 Straubing) mit 4:24,35 Minuten im Februar 2003 aufgestellt.
Jule Lindner kennt Rekorde gut, aber bisher ist sie die immer über die Hindernisse gelaufen. Auf der Flachstrecke war meist ihre Zwillingsschwester Emma etwas schneller unterwegs. Jule Lindner war von ihrem Bayerischen Rekord über 1500 Meter selbst überrascht worden. "Klar, ich hab' mal nachgesehen, wo der Rekord steht. Das Ziel, ihn anzugreifen, gab's nicht", erzählt sie. Mit Wettkämpfen, bei denen es nur um die Zeit geht, hatte sie in der Vergangenheit so ihre Probleme. "Irgendetwas war immer, das nicht gepasst hat." Beim Meeting in Erfurt Ende Januar sah es zunächst wieder danach aus. Zu Beginn wurde das Renntempo durch den mit 16 Starterinnen für ein Hallenrennen sehr voll besetzten Lauf niedrig gehalten und die ersten 200-Meter-Runden wurden in 36 Sekunden zurückgelegt, was einer Zielzeit von etwa 4:30 Minuten entspräche. Als es dann schneller wurde, konnte Jule das Tempo gut mitgehen. Nach 4:23,54 Minuten erreichte sie das Ziel, verbesserte den Rekord und war damit auch schneller als im Sommer.
Für die Hallensaison hatte sich Jule Lindner noch einige Wettkämpfe vorgenommen, mit dem Höhepunkt der Deutschen U20 Meisterschaft in Dortmund. Dort wagte sie als einzige einen Doppelstart über 1500 Meter und 3000 Meter, da viele Respekt davor hatten, dass die beiden Finals keine Drei Stunden auseinander lagen. Nach Bronze über die 1500 Meter lief es für Julia über die doppelte Strecke sogar noch besser, und sie konnte sich hier mit der Silbermedaille aus der Hallensaison verabschieden.
Die Vorbereitung auf die Hallensaison begann im Herbst mit den Crossläufen und verlief richtig gut. Bei der Deutschen Cross Meisterschaft sicherte sie sich in einem taktischen Rennen den Titel bei der U20 und qualifizierte sich damit für die Cross-Europameisterschaft. Wegen einer Erkältung konnte sie dort aber nicht an ihre Leistung von der Deutschen Meisterschaft anknüpfen.
Schon bei ihrem ersten Rennen im Sommer 2024 verbesserte sie den Bayerischen Rekord über 2000 Meter Hindernis von Julia Hiller aus dem Jahr 2006 auf 6:30,98 Minuten und legte damit die Grundlage für die Teilnahme an der U20 Weltmeisterschaft in Lima (Peru). Für die Qualifikation musste sie noch ein weiteres Rennen über die 3000 Meter Hindernis absolvieren. Endgültig sichern konnte Julia sich das Ticket nach Lima dann mit ihrem zweiten Platz bei den Deutschen Meisterschaften, wo sie ihre Bestzeit über 3000 Meter Hindernis auf 10:09.73 Minuten steigern konnte.
2018 wechselte sie mit ihrer Zwillingsschwester Emma vom Turnen zur Leichtathletik. In der Trainingsgruppe von Helena Weiß, bei der sie immer noch trainiert, konnten sie sich langsam an die höhere Belastung gewöhnen. "2021 habe ich mit dreimal Training in der Woche begonnen", sagt Julia über die Anfänge in der W15. Mit der Bronzemedaille über 1500 Meter Hindernis wurde klar, dass dies ihre Disziplin ist. Im Training bildet sie zusammen mit ihrer Schwester und Theresa Andersch ein gutes Team, das auch als Staffel überzeugen kann, wie am letzten Wochenende in Marktheidenfeld zu sehen war.
Trotz Abitur Vorbereitung hat Jule Lindner für den Sommer ein klares Ziel vor Augen: die U20-Europameisterschaft in Tampere in Finnland. "Da möchte ich vorne mit dabei sein", motiviert sie sich. Noch motivierender wäre es natürlich, wenn ihre Zwillingsschwester Emma auch mit dabei wäre.
Nach der EM beginnt für beide ein neuer Abschnitt: Jule wird in den USA an der Virginia Tech studieren. "Ich habe mir das alles angesehen und auch mit den Trainern gesprochen", erzählt sie. Welches Studienfach sie belegen wird, ist noch unklar. Am besten etwas, was nahe am Sport ist.