Deutsche Hallenmeisterschaften Karlsruhe Tag 1: Florian Orth und Clemens Bleistein brechen das Eis
Knapp 20 Minuten später als im Zeitplan vorgesehen gingen die Akteure über 3000 Meter an den Start - aber ohne Ambitionen, den Rückstand zumindest auch nur annähernd wettmachen zu wollen. 200-Meter-Zwischenzeit: 37 Sekunden - Indiz für das meisterschaftstypische Bummelrennen, das ganz auf Spurterqualitäten ausgerichtet war.
"Dass es so langsam wird, habe ich nicht erwartet", kommentierte Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen), der nach seinem vorjährigen Freiluft-Titel über 5000 Meter nun seine erste Goldmedaille unterm Hallendach holte. Dabei hielt sich der nerven- und willensstarke Blondschopf, der wegen einer Erkältung zuletzt nur eingeschränkt trainieren konnte, zunächst am Ende des neunköpfigen Feldes auf und ließ Zwischenzeiten von 3:07,75 Minuten für den Auftaktkilometer und 6:02,95 Minuten bei 2.000 Metern zu.
Bei 2300 Meter übernahm Mittelstreckler Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg), der sich in diesem Winter (und vielleicht auch im Sommer mehr auf die längeren Distanzen konzentriert) die Initiative. Nach einem fulminanten Endspurt hatte der angehende Zahnarzt, der sich derzeit im Examensstress befindet, dann aber minimal das Nachsehen. Nach einer 27er Schlussrunde gewann Richard Ringer im Fotofinish mit 8:29,57 Minuten, Florian Orth folgte vier Hundertstel später. Clemens Bleistein (LG Stadtwerke Müchen) zeigte sich als Dritter mit 8:29,95 Minuten ebenfalls fit für die Hallen-EM, denn alle drei haben die Sollzeit für Prag bereits erfüllt und werden allem Anschein nach auch geschlossen nominiert.
"Am Ende geht es um vier Hundertstelsekunden", machte Florian Orth aus seiner ersten Enttäuschung keinen Hehl. "Ich wusste vorher, dass es ein ganz enges Ding wird. Richard ist stark. Das Rennen hat mir eigentlich in die Karten gespielt, wir waren sehr langsam. Die ersten 1000 Meter in 3:07 Minuten. Letztlich hat vielleicht die letzte Konsequenz, das Quäntchen Glück gefehlt. Ich hatte zwei Meter vor dem Ziel einen kleinen Stolperer. Vielleicht waren das die vier Hundertstel. Ich sehe das aber nicht als Niederlage. Man ist als Zweiter nicht gleich erster Verlierer. Gesundheitlich läufts aktuell gut. Ich hatte direkt nach dem Meeting in Karlsruhe den ersten Teil meines Staatsexamens. Da ist das Training ein bisschen kürzer gekommen. Deswegen war das heute eine Standortbestimmung. Jetzt geht der Fokus auf Prag. Dort geht es sicherlich nicht in erster Linie darum, Richard zu schlagen, sondern die internationale Konkurrenz im Auge zu haben."
Clemens Bleistein, der sich stets in der Gruppe mit Ringer und Orth aufgehalten hatte, war indes mit seiner Bronzemedaille mehr als zufrieden.
Ansonsten gab es aus bayerischer Sicht am Samstag gerade einmal eine Endkampfplatzierung, und zwar durch Katharina Struß (TS Herzogenaurach) im Dreisprung. Sie wurde mit 12,57 Meter Siebte. Die frischgebackene Deutsche Jugendmeisterin Stefanie Aeschlimann (MTV 1881 Ingolstadt), die noch vor einer Woche 12,93 Meter gesprungen war, kam diesmal mit dem Karlsruher Schwingboden nicht zurecht und landete mit 12,39 Meter auf Rang neun. Die gleiche Platzierung gab es für Christian Zimmermann (Kirchheimer SC) bei der Comeback-Show von David Storl (SC DHfk Leipzig; 21,26 Meter) im Kugelstoßen. Er wurde ebenfalls Neunter mit 17,69 Meter, wobei den beiden Jungen (17 und 19 Jahre überhaupt kein Vorwurf zu machen ist. Ihre Zeit wird noch kommen.
Über 400 Meter schied Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke München) nach einem wüsten Gerangel und 49,88 Sekunden ebenso im Vorlauf aus wie Samuel Aßmann (LG Stadtwerke München) in 49,14 Sekunden. David Gollnow (LG Stadtwerke München) trat zu seinem Vorlauf erst gar nicht an. Bis in den Zwischenlauf schaffte es über 60 Meter Christian Rasp (LG Stadtwerke München), wo für ihn allerdings mit 6,87 Sekunden Endstation war. Amelie-Sophie Lederer (LAC Quelle Fürth) kam nach 7,63 Sekunden über den Vorlauf nicht hinaus.
Hoffnung auf den Sonntag weckten nach souveränen Vorstellungen in ihren jeweiligen Vorläufen Maren Kock (4:35,39 Minuten) und Thea Heim (4:33,10 Minuten; beide LG Telis Finanz Regensburg), die sich beide ebenso sicher für das Finale qualifizierten, wie Christina Hering (LG Stadtwerke München; 2:09,17 Minuten) über 800 Meter.
Bei den beiden Sprintfinals standen so manchen Verantwortlichen des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes ein paar Tränen in den Augen. Sowohl die Frauensiegerin Verena Sailer (MTG Mannheim), die in 7,12 Sekunden ihre persönliche Bestzeit einstellte, als auch Christian Blum (TV Wattenscheid 01), der im Finale mit 6,57 Sekunden triumphierte, kommen eigentlich aus dem Freistaat. Die aus Kempten stammende Sailer startete bis 2008 für die LAC Quelle Fürth/TSV München 1860, ebenso wie Blum, der heute noch in München lebt und trainiert. Dass mit der Sensationszweiten Alexandra Burghardt (MTG Mannheim) ebenfalls noch ein "Bayernmädl" auf dem Treppchen stand und nach ihren 7,24 Sekunden als Zweite nun sogar zur Hallen-EM nach Prag fahren darf, dürfte dennoch viele weißblaue Leichtathletikfans gefreut haben.