Bayerische Hallen-MS Fürth: Junge Wilde und eine Prise Erfahrung machen die Würze
Obwohl auch 2016 wieder einige der prominentesten bayerischen Leichtathleten wie Corinna Harrer, Philipp Pflieger, Tobias Potye, Sebastian Barth oder Johannes Trefz nicht dabei waren, weil sie entweder die Indoor-Saison ganz auslassen oder aber, wie im Falle von Maren Kock und Florian Orth, einen Start in Dortmund vorziehen, konnten sich die Fürther Titelkämpfe auf der neuen blauen Bahn nicht über einen Mangel an vorzeigbaren Resultaten beklagen. Trotz einer Verzögerung am ersten Tag aufgrund technischer Probleme, die nicht zu Lasten des ausrichtenden LAC Quelle Fürth ging, lief die Abwicklung der Veranstaltung wie am Schnürchen. Das Salz in der Suppe machen dabei natürlich jene Leistungen aus, die über das Gebiet des Freistaates hinaus ausstrahlen und dem Rest der Republik ein deutliches Zeichen geben, dass die Medaillen bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig (27./28. Februar) nicht ausschließlich unter den „üblichen Verdächtigen“ aus Leverkusen oder den neuen Bundesländern verteilt werden.
An vorderster Front sind dabei natürlich Bayerns aktuelle Vorzeigeathletinnen Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) und Christina Hering (LG Stadtwerke München) zu nennen. Beide traten in Fürth zum ersten Mal wieder über ihre Spezialstrecke 800 Meter an, zusammen mit dem Münchner Neuzugang Maren Kalis und Christine Gess, dem Rest ihrer Münchner Trainingsgruppe. Klar, dass die vier gleich von Beginn an die Initiative ergriffen. Doch das Ergebnis überraschte am Schluss: Christina Hering gewann vor Fabienne Kohlmann. Die ungeschriebene Regel, die im vergangenen Jahr meist in umgekehrter Reihenfolge in den Ergebnislisten stand, besaß zumindest Anfang 2016 keine Gültigkeit mehr. In 2:05,96 Minuten rang die WM-Halbfinalistin die Deutsche Meisterin (2:08,09 Minuten) nieder. Der Grund dafür mag vielleicht auch in der 45-minütigen Wartezeit liegen, die der schnellsten 800-Meter-Trainingsgruppe Deutschlands ein wenig den Zahn zog. „Das war schon eine Beeinträchtigung“ gab Christina Hering zu. Mit dem Lauf war die 21-Jährige durchaus zufrieden, obwohl sie eine Zeit von unter 2:05 Minuten angepeilt hatte. „Aber denn wenn man gleich im ersten Rennen gegen Fabienne gewinnt, dann ist das schon was.“ Auf jeden Fall sei noch Luft nach oben, meinte die Münchnerin, die sich schon auf das Rennen und das hochklassige Feld in Düsseldorf (3. Februar) freut. Bronze ging an Maren Kalis (2:08,35 Minuten).
Felix Straub vor großen Zielen
Der eine ist gerade mal 18 Jahre jung, der andere feiert in diesem Jahr bereits seinen 33. Geburtstag. Zwei Leichtathletik-Generationen markierten unabhängig voneinander weitere Glanzpunkte in Fürth. „Das passt“, kommentierte ein strahlender Felix Straub (LAC Quelle Fürth) kurz und bündig seinen 200-Meter-Sturmlauf im Finale der Männer, den er in pfeilschnellen 21,47 Sekunden heruntertrommelte. Und das auf der eher ungünstigen Bahn drei, während sein Dauerkonkurrent Max Grieger (1. FC Passau) die vermeintlich bessere Bahn vier zwar zu ebenfalls ausgezeichneten 21,57 Sekunden nutzte, aber nicht mehr an Straub vorbeikam. Beide gehören dem Jahrgang 1997 und dürfen 2016 noch in der U 20 starten. Für Straub bedeuten die 21,47 Sekunden nach eigenen Aussagen „einen Riesensprung“, denn immerhin liegt seine Freiluftbestzeit nur um eine Hundertstel niedriger. „Wir wollen uns nun weiter konstant steigern, denn mein erklärtes Ziel ist es, bei der U 20-WM im Sommer in Polen teilzunehmen.“ Keineswegs unter ferner liefen darf hier auch Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke München) abgeheftet werden. In 21,78 Sekunden kam er auf den dritten Rang, nachdem er tags zuvor über 400 Meter all seine Routine aufwenden musste, um Samuel Aßmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) in 48,15 zu 48,48 Sekunden in Schach zu halten. Dritter wurde Michael Adolf (DJK Ingolstadt; 49,91 Sekunden).
Je älter, desto besser: Noch nie in seiner langen Karriere wuchtete Robert Dippl (TSV 1880 Wasserburg) in der Halle die Kugel so weit wie diesmal in Fürth. 19,19 Meter standen am Ende für den blonden Koloss zu Buche. Mehr als einen Meter dahinter (18,14 Meter) landete in Gestalt von Christian Zimmermann (Kirchheimer SC) schon die nächste weißblaue Kugelstoß-Generation, gefolgt von Valentin Döbler (LG Stadtwerke München), der sich auf 17,47 Meter steigern konnte.
„Rakete“ Simon Boch
Wer über die 3000 Meter bei den Männern mit dem deutschen 3000-Meter-Hindernismeister Martin Grau (LSC Höchstadt/Aisch) gerechnet hatte, der musste drei Runden vor Schluss zur Kenntnis nehmen, dass der 23-Jährige aufgab. „Wir sind erst vor zwei Tagen aus dem Trainingslager in Monte Gordo zurückgekommen. Da wollten mein Trainer und ich sehen, ob ich ein schnelles Tempo gehen kann. Dann ist es etwas hart geworden. Aber das war durchaus einkalkuliert.“ Stattdessen nutzte Simon Boch die Gunst der Stunde und holte sich in einem furiosen Steigerungslauf den Titel in 8:06,88 Minuten vor dem deutschen 10 000-Meter-Meister Mitku Seboka (LAC Quelle Fürth; 8:11,37 Minuten). „Unsere Rakete“, freute sich Telis-Coach Kurt Ring nach dem Parforceritt seines Schützlings. „Wenn er gesund bleibt, wird man in diesem Jahr noch einiges von ihm hören.“ Bronze ging an den Deutschen Vizemeister über 3000 Meter Hindernis, Felix Hentschel (LG Bamberg; 8:20,55 Minuten).
Ebenfalls ein schnelles Rennen gab es über 3000 Meter bei den Frauen, wo sich Domenika Mayer (LAC Quelle Fürth) in 9:32,62 Minuten gegen „Rückkehrerin“ Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth; 9:41,41 Minuten) und Luisa Boschan (LG Telis Finanz Regensburg; 9:52,69 Minuten) durchsetzte. Kesselring bewies dann am Sonntag, dass ihr die altgewohnte Fürther Luft nach einem Jahr in Hamburg tatsächlich gut tut. Die 1500 Meter gewann die frühere deutsche 800-Meter-Meisterin in 4:27,16 Minuten vor Katharina Trost (LG Festina Rupertiwinkel; 4:28,97 Minuten). Dass ihre Mutter Eva Trost (Jahrgang 1968) im gleichen Lauf mit 4:45,27 Minuten gleich eine neue deutsche Bestmarke für die Altersklasse W 45 aufstellte, ist ein absolutes Novum und vervollständigte die Freude im Hause Trost. Auf Platz drei landete Anna-Katherina Plinke (LG Telis Finanz Regensburg; 4:33,80 Minuten).
Neu-Österreicherin wird Bayerische Meisterin
Eine Klasse für sich war bei den vom LAC Quelle Fürth hervorragend organisierten Landestitelkämpfen war Hürdensprinterin Stephanie Bendrat. Die gebürtige Oberbayerin lebt seit einigen Jahren in Österreich, startet dort für Union Salzburg und besitzt seit September vergangenen Jahres auch die österreichische Staatsbürgerschaft, um für das Nachbarland bei internationalen Wettkämpfen an den Start zu gehen. In Deutschland darf die 24-Jährige jedoch weiterhin das Trikot der LG Festina Rupertiwinkel überstreifen. So auch bei den Meisterschaften in Fürth, wo Bendrat ihren Bayerntitel aus dem Vorjahr mit 8,43 Sekunden souverän verteidigte, aber mit der Zeit nicht ganz zufrieden war. Hinter ihr kamen Johanna Windmaier (TSV 1880 Wasserburg) in 8,88 Sekunden sowie Anna-Lena Obermaier (LG Sempt) und Elisabeth Glonegger (MTV 1881 Ingolstadt) als gemeinsame Dritte in 8,95 Sekunden ins Ziel.
Zu einer kleinen Fürther Vereinsmeisterschaft entwickelte sich das 60-Meter-Sprintfinale der Frauen, das U 23-Staffeleuropameisterin Amelie-Sophie Lederer in starken 7,46 Sekunden vor Quelle-Neuzugang Tamara Seer (7,50 Sekunden) und Theresa Leitz (LG Würm Athletik; 7,82 Sekunden) durchsetzen konnte. Leitz blieb tags darauf über 200 Meter mit 25,43 Sekunden vor Sinéad Ebert (LAC Quelle Fürth; 25,55 Sekunden) und Stefanie Maier (LG Region Landshut; 25,89 Sekunden) das Maß aller Dinge. Den 60-Meter-Titel bei den Männern schnappte sich souverän der augenblicklich schnellste Mann im Freistaat, Lucien Aubry (LG Erlangen), in 6,85 Sekunden (Zwischenlauf: 6,80 Sekunden) vor Felix Straub (6,91 Sekunden) und Max Grieger (7,02 Sekunden).
Stefanie Aeschlimann verteidigt Titel
Einen guten Saisonstart verzeichnen konnte die deutschen U 20-Hallenmeisterin des Vorjahres, Stefanie Aeschlimann (MTV 1881 Ingolstadt), im Dreisprung. Nach einer schmerzhaften Wirbelverletzung im Oktober, wegen der sie erst spät ins Wintertraining einsteigen konnte, bot die 18-Jährige nun mit 12,70 Meter und einer guten Serie, jeweils ohne Brett, bereits ein viel versprechendes Ergebnis. Auch Aeschlimann will im Sommer zur U 20-WM nach Bydgoszcz. Wie im Vorjahr an gleicher Stelle musste sich die mehrfache Bayerische Dreisprung-Meisterin Katharina Struß (TS Herzogenaurach) mit 12,29 Meter geschlagen geben. Bronze ersprang sich Christina Fister (1. FC Passau; 11,80 Meter).
Dass jemand in der Halle seine Freiluft-Bestleistung toppt, gehört eher zu den Ausnahmen, gibt aber Hinweise auf eine gute Vorbereitung. Dass es für Hochspringerin Laura Gröll (LG Eckental) aber bereits in diese Dimensionen gehen würde, hatte die 17-Jährige selbst nicht erwartet. Nach langer Verletzungspause von über einem Jahr überquerte Gröll bärenstarke 1,79 Meter und distanzierte Lisa Rudel (TS Lichtenfels) und Anna-Lena Obermaier, jeweils 1,65 Meter, auf den Plätzen zwei und drei. Ebenfalls ein neuer Hausrekord gelang Kugelstoßerin Sabrina Zeug (LG Oberland), die mit 14,20 Meter Laura Renner (TV Altötting; 13,23 Meter) auf Distanz hielt. Mit 11,76 Meter holte sich Simone Schramm (LG Bamberg) Rang drei.
Buchstäblich mit dem letzten Versuch der Konkurrenz schnappte Senioren-Europameister Andreas Beraz (LAC Quelle Fürth) seinem Kontrahenten Richard Lutzenberger (LG Stadtwerke München) den Dreisprung-Titel vor der Nase weg. Der Unterschied zwischen beiden war wirklich minimal: Beratz kam mit 14,93 Meter gerade mal einen Zentimeter weiter als der Bestleistung springende Lutzenberger (14,92 Meter). Auf dem Bronzeplatz gelang Jakob Conrad (LG Stadtwerke München) mit 14,32 Meter ebenfalls eine neue persönliche Bestmarke. Dass die Trainingsgruppe allerdings doch noch über einen Titel jubeln konnte, dafür sorgte der Deutsche U 20-Vizemeister im Weitsprung, David Faltenbacher (LG Stadtwerke München). 7,06 Meter reichten dem 18-Jährigen in Fürth zu Gold. Dahinter platzierten sich Urs Buegger (SWC Regensburg; 6,95 Meter) und Armin Huber (TSV Plattling; 6,61 Meter). Der Frauentitel ging an Tina Pröger (TSV Zirndorf) mit 5,95 Meter vor Jacqueline Sterk (SWC Regensburg; 5,65 Meter) und Siebenkämpferin Anna-Lena Obermaier (5,57 Meter), die damit ihre dritte Bronzemedaille einsammeln konnte.
Bastian Grau ringt Clemens Bleistein nieder
Über 1500 Meter der Männer entwickelte sich zwischen Bastian Grau (LSC Höchstadt/Aisch) und Clemens Bleistein (LG Stadtwerke München) ein spannender Kampf um den Titel. Bastian Grau konnte sich schließlich in 3:50,98 Minuten knapp gegen den Hallen-EM-Teilnehmer über 3000 Meter durchsetzen, der nach 3:51,07 Minuten ins Ziel kam. Benedikt Huber (LG Telis Finanz Regensburg), der die Bronzemedaille ergatterte (3:51,76 Minuten), hatte sich bereits am Samstag als 800-Sieger in 1:54,55 Minuten schadlos gehalten. Über die vier Hallenrunden kontrollierte der 26-jährige Oberbayer im Trikot der Oberpfälzer stets den Rennverlauf und kam vor Jordan Donnelly (LAC Quelle Fürth; 1:55,30 Minuten) und Telis-Neuzugang Gabriel Genck (1:55,42 Minuten) ins Ziel.
Einen Doppelsieg für die LG Stadtwerke München gab es über 400 Meter der Frauen, wo Martina Riedl in 57,53 Sekunden vor ihrer 17-jährigen Vereinskameradin Louisa Rieger (58,53 Sekunden) und Antonia Ellenrieder (LG ESV Augsburg-TSV Neusäß; 60,86 Sekunden) blieb. Im Stabhochsprung der Männer überquerte Korbinian Suckfüll (TSV Gräfelfing) als einziger 4,70 Meter. Damit gewann er den Bayerntitel vor Simon Ziegler (LG Telis Finanz Regensburg) und Sebastian Weichselgartner (TSV Gräfelfing), die beide über 4,60 Meter kamen. Bei den Frauen ging Gold an Eva Rossow (LAZ Kreis Würzburg). Sie schaffte 3,50 Meter. Dahinter rangierten Veronika Plank (SWC Regensburg; 3,30 Meter) und Anika Treffehn (TSG 08 Roth; 3,20 Meter).
Paul Bobinger hielt die Fahne des einst auch in der Leichtathletikszene ruhmreichen TSV 1860 München hoch und zeigte sich im Finale über 60 Meter Hürden mit 8,46 Sekunden stark verbessert. Silber gewann Andre Zahl (TS Herzogenaurach) in 8,69 Sekunden, während Noah Kollhuber (LG Sempt) auf den dritten Platz kam (8,75 Sekunden). Im Hochsprung überquerte nur Andreas Plößl (SWC Regensburg) die Zwei-Meter-Marke (2,01 Meter). Manuel Marko (LAC Quelle Fürth) mit 1,98 Meter und Vorjahresmeister Alexander Merk (MTV 79 München; 1,95 Meter) mussten mit dem Stockerlplätzen neben ihm vorlieb nehmen.
Schnelle Münchner Staffeln
Die schnellsten 4 x 200 Meter-Staffeln stellen bei den Bayerischen Hallenmeisterschaften traditionsgemäß die LG Stadtwerke München. So auch diesmal in Fürth. Die Männer kamen auf 1:29,30 Minuten vor dem MTV 1881 Ingolstadt (1:32,07 Minuten) und dem TS Herzogenaurach (1:33,39 Minuten), während die Frauen – erneut mit Christina Hering – in 1:39,36 Minuten vor dem LAC Quelle Fürth (1:40,06 Minuten) und der Startgemeinschaft SWC Regensburg-Weiden (1:43,14 Minuten) den Stab ins Ziel brachten.
Über 4 x 400 Meter stellte zum Ende der Titelkämpfe das Männer-Quartett des LAC Quelle Fürth bei seinem „Heimspiel“ die alte Hackordnung wieder her und gewann in 3:25,58 Minuten deutlich vor der LG Stadtwerke München (3:33,43 Minuten), die allerdings nicht mehr mit dem Viertelmeiler-Quartett der Vorjahr vergleichbar war, sowie der Startgemeinschaft Penzberg/Murnau (3:34,57 Minuten). Dass die LG Karlstadt-Gambach-Lohr die mit Fabienne Kohlmann die Konkurrenz der Frauen in 3:53,50 Minuten gewann (Zweite: LAG Mittlere Isar; 4:11,98 Minuten), war ebenso keine Überraschung.