Ein Tag an der Bertolt-Brecht-Schule: Im Frühling der Karriere
Hinter den meisten Fenstern am Hirtenfeld in Ansbach-Eyb ist es noch dunkel, wenn für Sinéad Ebert der Tag beginnt. „Wir müssen langsam los“, sagt sie Viertel nach sechs und streicht die blonden Haare unter der hellen Mütze zurecht. Unter der Winterjacke trägt sie bereits den Trainingsanzug und mit strammem Schritt geht es durch die Dunkelheit zur Haltestelle. Der Stadtbus ist der erste Teil der eng getakteten Transportkette, die erst am Frankenstadion in Nürnberg endet. Dort steht heute das Frühtraining mit dem Landestrainer bevor.
Sinéad Ebert ist Leichtathletin und G 8-Gymnasiastin. Mehrere Titel hat die 16-Jährige über ihre Paradestrecken 200 und 400 Meter schon geholt, belegt vordere Plätze in den Bestenlisten. Ihre Bestzeit über 400 Meter liegt bei 57,48 Sekunden, die über 200 bei 25,50. Um Schullaufbahn und Sport besser unter einen Hut zu bekommen, ist Ebert vergangenen Sommer vom Ansbacher Theresien-Gymnasium in die elfte Klasse der Bertolt-Brecht-Schule (BBS) nach Nürnberg gewechselt. Die „Partnerschule des Leistungssports“ hat die Stundenpläne auf die Bedürfnisse der angehenden Leistungssportler abgestimmt und arbeitet dabei mit den diversen Sportverbänden und Trainern zusammen. Die BBS besuchen auch Fußballer – darunter Ilkay Gündogan vom 1. FC Nürnberg. Über 300 Sportler, etliche aus dem Landkreis Ansbach. Auch Seán Ebert, der kleine Bruder, ebenfalls ein Läufer.
Die Tage sind lang. Talent, Ehrgeiz und die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren, eint die Sportschüler. Der Bus ist pünktlich am Ansbacher Bahnhof, womit der Spurt zum Zug entfällt. Ebert hat eine große Sporttasche dabei, eine Schultasche und spielt nicht an einem Smartphone herum wie die meisten anderen im voll besetzten Waggon. Den Vornamen Sinéad verdankt sie der Mutter, einer Irin. Vater Wolfgang Ebert war einst selbst Leichtathlet beim TSV Ansbach und ist heute Abteilungsleiter. „Mein wichtigster Erfolg war die Bayerische Meisterschaft über 300 Meter vor zwei Jahren“, sagt Ebert, „dieses Jahr will ich versuchen, in den C-Kader zu kommen“. Ebert spricht klar und überlegt, macht nicht übermäßig viele Worte und als das Wesentliche gesagt ist, klappt sie den Schulordner auf, liest ihre Unterlagen. Später steht noch eine Erdkundearbeit bevor. Es geht um die Entstehung der Jahreszeiten. In ihrer sportlichen Karriere ist es gerade Frühling.
Der Zug rumpelt leidlich pünktlich in den Nürnberger Hauptbahnhof und daher ist die S-Bahn noch gut zu erreichen. Diesmal hat alles geklappt, pünktlich erscheint Ebert zum Training in der Sporthalle des Frankenstadions. Jörg Stäcker aus Fürth, hauptamtlich beim Bayerischen Leichtathletik-Verband angestellt, ist einer von zwei Trainern der Leichtathletik-Gruppe. Heute stehen Übungen zum Muskelaufbau an. Dreimal die Woche sieht er seine Sportler morgens für eineinhalb Stunden. Einmal die Woche ist abends Training in Fürth, eine weitere Einheit absolviert Ebert daheim beim TSV Ansbach. Am Wochenende sind Wettkämpfe.
„Respekt vor den jungen Leuten. Die nehmen wirklich einiges auf sich“, sagt Stäcker. Mit dem Trainer sind die Sportler per Du, zwischen den Übungen wird geflachst, die Mädchen kichern. Kurz nach Neun ist Schluss. In den Umkleidekabinen rauschen die Duschen. Stäcker lässt sich einen Kaffee aus dem Automat. „Sinéad ist schon ein außergewöhnliches Talent“, sagt er, mit einem Körperbau prädestiniert für die 400 oder später sogar 800 Meter. „Das verstärkte Training schlägt erst im Sommer richtig auf die Zeiten durch“, weiß er. Wichtigstes Ziel in diesem Jahr sind die deutschen Meisterschaften. „Ein Platz im Endlauf über 400 Meter ist realistisch“, sagt Stäcker, „da wollen wir hin.“
Ebert will vorerst nur in die Schule kommen. Die Trainingshosen sind einer schicken Jeans gewichen, ungeduldig warten die Sportler auf den Bus, der sie zur Schule fährt. Dort verschwindet die Sporttasche im Schließfach. Um 9.45 Uhr beginnt der Unterricht, die letzte Stunde endet um 16.20 Uhr. Bis Ebert daheim ist, ist es am Hirtenfeld schon wieder dunkel.