BLV-Vizepräsident Neubauer: „Heimtrainer mit ins Boot nehmen“
BLVonline: Als neuer Vizepräsident Sport im Bayerischen Leichtathletik-Verband blieb Ihnen angesichts der Fülle von Aufgaben eigentlich gar nichts anderes übrig, als von Null auf Hundert durchzustarten. Konnten Sie sich zwischenzeitlich einen Überblick verschaffen?
Gerhard Neubauer: Ich denke, ich weiß mittlerweile einiges über den Verband, über seine Strukturen und auch wo wir den Hebel ansetzen können. Schon in Aschaffenburg beim Verbandstag war es mir ein Anliegen, klar zu machen, dass wir die Zusammenarbeit in allen Bereichen verbessern müssen. Dazu zähle ich die Vereine, die Athleten und vor allem die Heimtrainer. Zwischenzeitlich haben wir zwei neue Trainer für den Nachwuchsbereich eingestellt, nämlich Stephan Seeck für den Süden und Rebecca Schliffka für den Norden. Sie sollen sich um die D 1-Kaderathleten kümmern, aber künftig auch als unsere Botschafter bei den Vereinen fungieren. Wir bieten an, sie auf Wunsch in die Clubs zu schicken, wo sie einen so genannten Vereins-Check durchführen können, Weiterbildungen für die dortigen Trainer realisieren, Muster-Trainingseinheiten anbieten und die Vereinsvertreter bei der Sichtung unterstützen. Wenn Sie so wollen, war das unser erster Schritt. Der zweite dürfte wesentlich beschwerlicher werden. Ich möchte Großvereine finden, die sich in enger Zusammenarbeit mit dem BLV auf bestimmte Disziplinblöcke festlegen. Meine Vorstellung wäre, in solche Zentren optimale Trainingsmöglichkeiten für Lauf, Sprint, Sprung oder Wurf zu schaffen.
BLVonline: Wie definieren Sie Großverein?
Neubauer: Damit meine ich einen Verein, der es sich leisten kann, auch Athleten im aktiven Bereich zu unterstützen und eventuell Mischfinanzierungen für hauptamtliche Trainer mitzutragen. Momentan gibt es da in Bayern nicht allzu viele. Die LG Stadtwerke München steht hier natürlich ganz oben auf der Liste, genauso wie die LG Telis Finanz Regensburg. Wir versuchen auch den Status der LAC Quelle Fürth zu erhalten, wobei die Situation nach der Insolvenz des Versandhauses keineswegs leichter geworden ist. Ich könnte mir solche Modelle auch gut in Passau oder Ingolstadt vorstellen, die ja früher auch zu den Hochburgen der bayerischen Leichtathletik zählten. Je mehr hier gewonnen werden, umso besser.
BLVonline: Welche weiteren Maßnahmen könnten in einem Flächenland wie Bayern mit einer großen Anzahl von Vereinen noch fruchten?
Neubauer: Die Stützpunkte vom Norden bis zum Süden bleiben die Basis der Förderung im Bayerischen Leichtathletik-Verband, darin bin ich mir auch mit unserem Leitenden Landestrainer Andreas Knauer einig. Allerdings funktioniert dieses System nur, wenn überall qualifizierte Trainer vorhanden sind. Dass dies nicht in ein paar Monaten aus dem Boden gestampft werden kann, dürfte eigentlich klar sein. Es geht um gezielte Qualifizierung, um regelmäßige Weiterbildungen für B-Trainer. Ich stelle mir vor, dass unsere hauptamtlichen Teamleiter und Trainer Individualausbildungen durchführen. Natürlich geht es dabei in erster Linie darum, die Leute noch stärker als bisher einzubinden, sie mit ins Boot zu nehmen. Heimtrainer und Stützpunkttrainer sollen sich sicher sein: Jawohl, ich arbeite in meiner Disziplin richtig! Lassen Sie mich als Beispiel den Hammerwurf nennen. In ganz Bayern gibt es hier Nester, die von unserem Teamleiter Joachim Lipske betreut werden, in Würzburg, Kulmbach, Hindelang, Achenmühle. Die dort tätigen Trainer können ihre Kreativität individuell ausleben und entsprechend Erfolge feiern. Wenn sich dies auch auf andere Disziplinen übertragen ließe, dann hätten wir unser Problem flächendeckend gut gelöst.
BLVonline: Generell braucht es für die Schaffung neuer Stützpunkte auch einen finanziellen Spielraum. Die Trainer müssen angemessen entlohnt werden und jede Qualifizierung kostet Geld. Nun muss aber der BLV in Zeiten schwindender Mittel jeden Euro zwei Mal umdrehen.
Neubauer: Das ist richtig. Derzeit haben wir wirklich alles ausgeschöpft, es gibt quasi keine freien Haushaltsmittel mehr. Aber verglichen mit den Trainergehältern im benachbarten Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern müssen wir uns nicht verstecken. Valerij Bauer, der ja bis Ende 2008 in Fürth trainierte und dann mit Verena Sailer nach Mannheim ging, verdient als Landestrainer Sprint in Baden nicht mehr, als seine Kollegen in Bayern. Andreas Knauer und ich möchten allerdings mit jedem unserer Trainer ein Gespräch führen, bei dem wir als Ziel eine Leistungsvereinbarung für ein Jahr im Auge haben. Besonders engagierte Trainer sollen dabei einen Bonus bekommen – auch wenn dieses Wort wegen der Bankenkrise momentan keinen allzu positiven Beigeschmack besitzt. Das heißt jedoch nicht, dass einer einen Bonus bekommt, nur weil sechs der von ihm mitbetreuten Athleten Deutscher Meister geworden sind. So etwas kann allenfalls ein Anteil dieser Vereinbarung sein. Wir möchten vielmehr, dass sich unsere Trainer und Teamleiter unsere Philosophie verinnerlichen und sie nach außen tragen. Sie verfügen über die Richtlinienkompetenz in ihren Bereichen, müssen aber auch landauf landab als Motivatoren fungieren, die Technik und andere Trainingsinhalte flächendeckend verbreiten.
BLVonline: Dennoch tauchen immer wieder Fragen auf, wann die seit Herbst 2008 unbesetzte Stelle und des Teamleiters Sprint wieder ausgeschrieben wird. Bis dato hat sie ja der Leitende Landestrainer quasi in Personalunion mitbesetzt. Soll das auch in Zukunft so bleiben?
Neubauer: Fakt ist, dass wir zuletzt einige Ideen zur Neubesetzung der Stelle hatten, die aber leider nicht realisiert werden konnten. Die Einstellung eines wirklich guten Sprinttrainers, der unseren Vorstellungen entspricht, funktioniert, wie schon erwähnt, mit nur mit einer soliden Mischfinanzierung, an der sich ein Verein oder auch der Deutsche Leichtathletik-Verband beteiligen. So etwas zeichnet sich derzeit nicht ab. Zum Glück konnten wir mit Andreas Knauer einen echten Sprint-Fachmann als Leitenden Landestrainer gewinnen. Also ist die Lücke, die der fehlende Teamleiter Sprint hinterlässt, nicht mehr ganz so groß. Für Andreas stellt es eine Mehrbelastung dar. Doch gerade im Sprint binden wir künftig die Disziplintrainer stärker als bisher mit in die Verantwortung ein. Wir verfügen derzeit über ein junges Team und einige erfahrene Leute. Das Wichtigste dabei: Bei allen handelt es sich um anerkannte Fachleute. Und das Organisatorische kriegen wir auch in den Griff.
BLVonline: Wie fällt Ihr persönlich es Fazit nach den ersten 200 Tagen im Amt des Vizepräsidenten Sport aus? Gab es Dinge, die Sie so nicht erwartet hätten, sowohl im positiven wie im negativen Sinn?
Neubauer: Nein, die gab es nicht. Es ist genauso gekommen, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich komme aus dem Leistungssport und weiß deshalb nur zu gut, dass man Geduld haben muss. Manches hat mit Glück zu tun und für den Rest braucht es eine Strategie. Ich würde mir wünschen, dass die Zusammenarbeit mit unserem Olympiastützpunkt in München wieder so wird, wie sie früher einmal war. Wir sind gerade dabei, bereits vorhandene Gemeinsamkeiten auszuloten und gemeinsame Wege für die Zukunft auszuarbeiten. Mein Ziel ist es, dass OSP und Verband den Leistungssport in Bayern gemeinsam weiterentwickeln. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf. Ansonsten habe ich meine Entscheidung, zu kandidieren, keineswegs bereut. Wenn man mich morgen noch einmal fragen würde, würde ich wieder Ja sagen.