Corinna Harrer: "2012 ist die EM in Helsinki mein Hauptziel. Vielleicht auch London"
BLVonline: Sie haben die Bronzemedaille durch einen eindrucksvollen Spurt auf den letzten Metern gewonnen. Analysiert man eigentlich die eigenen Chancen in den letzten Augenblicken eines Rennens oder ist das einfach die unbewusste Entscheidung einer "bayerisch-rustikalen Kampfsau", so wie sie durch ihren Trainer in herber, aber herzlicher Art beschrieben wurden?
Corinna Harrer: Die Engländerin Stephanie Twell lag noch auf dem dritten Platz und ich mit einem kleinen Abstand direkt dahinter. Als es in die letzten 200 Meter ging, bemerkte ich, dass sie sich umschaute. Ich war selbst schon sehr kaputt, aber sah eine Chance aufkommen, die ich so vielleicht nie mehr bekommen werde. Ich konnte mich noch einmal aufraffen, die letzten Kräfte mobilisieren und das Duell für mich entscheiden. Die Entscheidung traf ich sehr bewusst. Mein Trainer Kurt Ring spricht immer von lockerem Laufen auf hohem Niveau. Dieses Rennen fühlte sich genau so an. Als es in die entscheidenden Meter ging, haben mich weniger meine Beine, sondern mein Wille ins Ziel getragen. Lustigerweise stellte ich mir die Tage zuvor das Rennen mehrmals im Kopf vor. Eine Art Kopfkino. Dass dies so in der Art eintreten würde, überraschte mich selbst etwas.
BLVonline: Nun haben Sie nach den 800 Metern im Sommer in diesem Jahr zum zweiten Mal bei der EM eine Bronzemedaille gewonnen. Dann wurden Sie noch Deutsche Meisterin über 1500 Meter. Erschienen Ihnen am Anfang der Saison diese Erfolge als realistisch oder sind Sie im Nachgang überrascht?
Corinna Harrer: Mit den beiden Erfolgen auf der Bahn habe ich schon ein wenig geliebäugelt. Aber sie dann auch hundertprozentig umsetzen zu können, war dann doch etwas überraschend. Mit der Medaille bei der Cross-EM habe ich keineswegs gerechnet. Mein Ziel war es, unter die ersten Zehn zu laufen. Gerade weil es seither nur Sabrina Mockenhaupt gelungen ist, eine Einzelmedaille zu erreichen, stellt dies ein besonderer Erfolg für mich dar.
BLVonline: Können Sie angesichts dieser Serie von ausgezeichneten Leistungen von einem herausragenden Erfolg sprechen?
Corinna Harrer: Die überraschendsten Erfolge sind meist die schönsten. Deswegen hat die Bronzemedaille von Sonntag einen sehr hohen Stellenwert. Natürlich bin ich aber immer noch hauptsächlich auf der Bahn zu Hause und der Cross ist eher eine Durchgangsstation, auch weil er diesmal gezeigt hat, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Die Cross-EM ist ein traumhafter Abschluss eines richtig tollen Jahres.
BLVonline:Welches Ziel haben Sie sich für 2012 gesetzt? Bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel nannten Sie als Ziel die EM der Erwachsenen. Oder sind Sie womöglich anspruchsvoller geworden?
Corinna Harrer: Die EM in Helsinki ist auf alle Fälle mein Hauptziel im Sommer. Dies wäre auch meine erste internationale Meisterschaft bei den Erwachsenen. Vielleicht kann es auch mit den Olympischen Spielen in London klappen. Das Augenmerk liegt aber ganz klar bei der EM in Helsinki.
BLVonline: Sie haben im Frühjahr im Trainingslager in Cervia als Ihre Wunschgegnerinnen Anne Kesselring und Fabienne Kohlmann erwähnt. Gegen wen würden Sie gerne im nächsten Jahr antreten???
Corinna Harrer: Fabienne Kohlmann trat dieses Jahr wegen einer Verletzung kaum in Erscheinung und aufgrund von Annes Aufenthalt in den USA kam es nur zu einem Aufeinandertreffen bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel, bei denen sie jedoch auch die 1500 Meter lief. Am liebsten bestreite ich Rennen mit internationalen Feldern, weil man die Konkurrenz dort meist nicht kennt und einfach befreit laufen kann.
BLVonline: Der BLV wünscht Ihnen erholsame Weihnachtsfeiertage und erhofft sich, dass Sie auch im Jahr 2012 die bayerische Leichtathletik national und international erfolgreich vertreten können.