Unbändige Freude: Lucie Kienast (links) und Clara Hegemann jubeln ausgelassen über ihre Medaillen. / Der Sprint-Prinz Europas: Jakob Kemminer (Mitte). Fotos: European Athletics

19.07.2024 21:02 // Von: leichtathletik.de-Svenja Sapper/Reinhard Köchl

U 18-EM Banská Bystrica: Hegemann und Kemminer vergolden Deutschlands Bilanz

Was wäre Deutschland nur ohne Bayern? Ein Satz, der sich auf viele Bereiche ausdehnen ließe, im konkreten Fall passt er wie die Faust aufs Auge zu den U 18-Europameisterschaften, die derzeit in Banská Bystrica (Slowakei) über die Bühne gehen. Die ersten beiden Goldmedaillen des DLV-Teams gingen am Freitagabend auf das Konmto von zwei jungen Bayern, die mit überragenden Leistungen unter Beweis stellten, dass die Zukunft in ihrer jeweiligen Disziplin ganz eng mit ihrem Namen verbunden ist. Hammerwerferin Clara Hegemann (LG Stadtwerke) holte sich in einem atemberaubenden Finale mit nur einem Zentimeter Vorsprung und neuem Deutschen U 18-Rekord sowie Weltjahresbestleistung den Titel, knapp zwei Stunden später stellte Jakob Kemminer (TSV Ochenbruck) eindrucksvoll unter Beweis, wer der schnelle europäischen 100-Meter-Läufer in seiner Altersklasse ist.

Als der letzte Wurf der Ukrainerin Polina Dzerozhynska aus dem Sektor flog, sank Clara Hegemann (LG Stadtwerke München) in die Arme ihrer Teamkollegin Nova Kienast. Denn in diesem Moment war ihr Gold im U 18-EM-Finale von Banská Bystrica (Slowakei) besiegelt. Nova Kienast komplettierte das deutsche Glück am Freitagabend mit Bronze.

 

Dabei hatte es die Ukrainerin den beiden deutschen Werferinnen nicht einfach gemacht: Im dritten Durchgang hatte sie Clara Hegemann mit 72,92 Metern die Weltjahresbestleistung abgenommen. Doch die Münchnerin konnte kontern: In Runde vier flog ihr Arbeitsgerät um die Winzigkeit von einem Zentimeter weiter. Damit schraubte sie gleichzeitig ihre eigene deutsche U 18-Bestleistung um 27 Zentimeter nach oben.

 

Nova Kienasts Hammer landete im ersten Durchgang im Netz, daraufhin ließ sie zwei Sicherheitswürfe folgen, um sicher sechs Versuche zu haben. Ihre beste Weite erzielte sie im fünften Versuch: 71,72 Meter. Sie absolvierte damit den zweitbesten Wettkampf ihrer Karriere.

 

Freundinnen gemeinsam auf dem Podium

 

"Europameisterin – das hört sich krass an!", staunte Clara Hegemann, die mit ihrer ukrainischen Kontrahentin Mitgefühl hatte. "Es hat mir für sie echt leidgetan, auch wenn ich mich natürlich über meine Weite gefreut habe. Ich wusste, dass ich das werfen kann, im Training habe ich das schon geschafft."

 

Das hohe Niveau im Finale freute auch Nova Kienast. "Es war sehr tough heute", sagte sie. "Gerade weil eine Weite von 72,92 Metern nur für Platz zwei gereicht hat, bin ich sehr froh über Bronze.“ Die Medaille bedeutete ihr umso mehr, nachdem sie erst im Mai von Pfeifferschem Drüsenfieber ausgebremst worden war. "Ich war vier Wochen krank.“ Gerade rechtzeitig zu den Deutschen Jugendmeisterschaften war sie dann wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte.

 

Das Schönste für die beiden jungen Werferinnen: dass sie gemeinsam aufs Podium klettern dürfen. "Wir haben schon darüber spekuliert, wie es werden wird, wenn wir es zusammen schaffen", sagte Clara Hegemann. "Wir wollten das unbedingt.“ "Wir sind sehr gute Freundinnen", betonte Nova Kienast.

 

Jakob Kemminer ist der Sprint-Prinz von Europa

 

Nach dem 100-Meter-Finale bei der U 18-EM in Banská Bystrica reckte Jakob Kemminer (TSV Ochenbruck) triumphierend den rechten Arm in die Höhe. Er wusste schon beim Sprint über die Ziellinie, dass er sich gerade seinen größten Traum erfüllt hatte. "Ich war unfassbar glücklich", ließ er diesen Moment später Revue passieren. "Ich habe das ganze Jahr darauf hintrainiert, von Anfang an mit dem Ziel: Ich wollte Europameister werden." 

 

Wie er es nach dem Halbfinale vorhergesagt hatte, erwischte der Brite Joel Masters im Finale den besseren Start. Doch die zweite Hälfte des Rennens gehörte Jakob Kemminer, der sich in 10,46 Sekunden den Titel holte. Damit wandelte er auf den Spuren von Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig), der 2016 bei der ersten U 18-EM in Tiflis (Georgien) die 100 Meter für sich entschieden hatte. Masters gewann in 10,51 Sekunden Silber vor seinem Landsmann Joel Ajayi (10,61 Sekunden).

 

Dank an Trainer, Physio und Familie

 

Als Schlüssel zum Erfolg sah Jakob Kemminer vor allem die Ruhe: "Ich habe mich von den anderen nicht so sehr ablenken lassen. Vor den Läufen habe ich mit meinen Freunden Spaß gehabt, wir haben ein bisschen rumgealbert. Es war die Kombination aus 'fokussiert kurz vor dem Wettkampf und nach dem Wettkampf' und dem Spaß, den ich an den Tagen vorher hatte, um nicht zu sehr an den Wettkampf zu denken und mich nicht verrückt zu machen." Ein Dankeschön schickte er an seinen Heim- und BLV-Stützpunkttrainer Norbert Wörlein und den Physiotherapeuten Anton Schönauer. "Ohne sie hätte ich das nicht geschafft." 

 

Sein Vater und Bruder erlebten Jakob Kemminers Triumph im Stadion mit. "Mein Vater hat fast geweint vor Freude, das war unfassbar schön. Meine Familie unterstützt mich unglaublich, meine Mutter massiert mich manchmal nach dem Training. Mehr kann man sich nicht wünschen."

 

Daryl Ndasi stützt im Finale

 

Riesengroßes Pech hatte Hürdensprinterin Daryl Ndasi (LG Stadtwerke München) im 100-Meter-Hürden-Finale. Klar auf Silberkurs hinter der Slowakin Laura Frlickova liegend war sie an der vorletzten Hürde gestürzt. Im Vorlauf und im Halbfinale war Daryl Ndasi zuvor souverän aufgetreten und hatte sich mit der zweitbesten Zeit ein Finalticket gesichert. Im Endlauf kam sie zunächst gut ins Rennen und lag klar auf Medaillenkurs. Dann jedoch trat sie kurz vor dem Ziel mit dem Schwungbein in eine Hürde und stürzte. Damit war die Medaillenchance dahin. Die Münchnerin lief noch ins Ziel, für sie wurde somit Platz sieben notiert, da kurz vor dem Ziel auch die Norwegerin Oda Asdal Hansen zu Fall kam. Für Daryl Ndasi gab es im Anschluss erst einmal eine tröstende Umarmung von ihrem Vater. Und auch die Hürdensprinterin selbst konnte schnell wieder lächeln. "Alles gut", gab sie Entwarnung.

 

Matti Hummel darf im Finale noch mal ran

 

Grund zur Freude hatte Hammerwerfer Matti Hummel (UAC Kulmbach), dem es gelang, entspannt zu bleiben. Sein erster Versuch auf 66,99 Meter war gut genug für Rang zehn in der Qualifikation und das kleine q. "Es war heiß, aber damit kann ich gut umgehen", sagte er. "Mit dem ersten Wurf war ich echt zufrieden, danach wurde ich unkonzentriert." Sein Fahrplan Richtung Finale: "Noch Imitationen machen für die Technik. Und viel schlafen!"

 

Andreas Gröninger bewahrt die Nerven

 

Hart kämpfen mussten der Deutsche Kugelstoß-U 18-Meister Andreas Gröninger (LG Stadtwerke München) um seinen Platz im Finale. Zwar jubelte Gröninger schon nach dem zweiten Durchgang, doch der 18-Meter-Stoß wurde ungültig gegeben. So musste der dritte Versuch sitzen. Und das gelang: Mit 18,43 Metern erzielte der Münchner das zweitbeste Ergebnis seiner Karriere. "Eigentlich war das kein wirklich schöner Stoß, der Ausstoß war vielleicht ein bisschen besser als vorher", gab er sich selbstkritisch. "Im Finale geht noch mehr: Wenn ich ein bisschen flüssiger anfange und alles ein bisschen zügiger durchziehe, dann wird das." 

 

Keon Schmidt-Gothan scheitert knapp in der Quali

 

Hochspringer Keon Schmidt-Gothan (LG Stadtwerke München) kam in der Qualifikation nicht über Rang 14 hinaus und hatte dabei auch noch Pech. Der Münchner hatte zwar, insgesamt weniger Fehlversuche als einige seiner Konkurrenten, die mit 2,03 Meter den Einzug ins Finale schafften, aber er überquerte die Höhe erst im dritten Anlauf. Schmidt-Gothan war trotz des verpassten Finales nicht unzufrieden. "Auf dem europäischen Niveau hat das einfach noch eine andere Qualität. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden damit, wie ich heute aufgetreten bin. Ich denke, ich habe mich ganz gut verkauft." Alle drei Versuche bei 2,05 Meter fielen äußerst knapp aus. "Das waren kleine technische Sachen, aber das ist Hochsprung."

 

Moritz Gutowski: "Mein härtestes Rennen"

 

Überaus hart gestaltete sich das EM-Debüt für Moritz Gutowski (LG Stadtwerke München). Rangeleien und Schubser kosteten auf den ersten Runden zu viel Kraft ("Ich wäre zwei Mal fast hingefallen") und auf der letzten Runde ging dann fast gar nichts mehr: "Meine Beine haben komplett zugemacht. Am Ende dachte ich, ich bleibe gleich stehen. Das war mit Abstand mein härtestes Rennen bisher." Doch er kämpfte sich durch und in 6:13,06 Minuten ins Ziel. Vor allem mental empfand er das Rennen als große Herausforderung. "Man musste immer mit dem Kopf dabei sein. Jeder Balken ist schon ein Kraftakt für sich und dann kommen die Schubser und Ellenbogen von hinten dazu."