In München endgültig angekommen: Martina Riedl nutzt die Vorzüge der schnellen Erdinger Bahn und lief eine neue 100-Meter-Bestzeit.

Zwei die sich gut verstehen und Bayerns Hammerwurf-Szene beherrschen: (von links) Jerrit Lipske und Johannes Bichler.

Bleibt Bayerns beste Speerwerferin: Susanne Rosenbauer.

Tobias gegen Tobias: Der eine, nämlich Schreindl (links), musste schlussendlich die Überlegenheit des anderen, nämlich Gröbl (rechts), über 5000 Meter anerkennen.

Spannendes 100-Meter-Finale: Das Zielfoto entschied schließlich zugunsten von Fabian Turcinov (Mitte) gegenüber Thomas Schiller (links).

Gewann erwartungsgemäß die 100 Mezer Hürden und holte sich Silber über 100 Meter: Pamela Spindler (rechts), hier neben Elisabeth Glonegger. Alle Fotos: Theo Kiefner

09.07.2012 14:07 // Von: Reinhard Köchl

Bayern-Titelkämpfe in Erding, Teil 1: Schnelle Sprintzeiten auf der blauen Bahn

Selten schien ein Terminkalender für Leichtathleten so dicht gedrängt, wie in diesem Jahr. DM, EM, Bezirksmeisterschaften, U 20-WM und auch noch Olympia: Vor diesem Großaufgebot an Veranstaltungen besaßen die Bayerischen Meisterschaften 2012 einen denkbar schweren Stand. Dass die zweitägige Veranstaltung dennoch eine gelungene Werbung für die Leichtathletik im Freistaat wurde, lag nicht nur an der attraktiven und vor allem schnellen blauen Bahn, sondern auch am rührigen Veranstalter TSV Erding.

Wer so viel Glück mit dem Wetter hat, der muss eigentlich alles richtig gemacht haben! Zwei Tage lang präsentierte sich die weißblaue Leichtathletik bei den Bayerischen Meisterschaften der Aktiven sowie den Jugendklassen U 20 und U 18 im funkelnagelneuen Sepp-Brenninger-Stadion in Altenerding von ihrer besten Seite. Nachdem sich noch in der Nacht zum Samstag teilweise sintflutartige Regenfälle über dem Erdinger Moos ergossen hatten, schloss der Himmel pünktlich zum Veranstaltungsbeginn seine Schleusen. Fortan sollte trotz einiger Wolken, vor allem am ersten Tag, kein einziger Tropfen mehr auf die herrliche blauen Bahn fallen, die Erinnerungen an die WM 2009 in Berlin weckte und sich, allen Unkenrufen zum Trotz, an beiden Tagen als idealer Untergrund für superschnelle Zeiten erwies.

Natürlich gab es die mittlerweile schon obligatorischen Lücken in einigen längst als „bayerisches Problemfeld“ ausgemachten Disziplinen, und auch der Teilnehmerrückgang von 692 im Vergleich zu 760 im vergangenen Jahr in Passau sollte keineswegs bloß als statistische Fußnote abgetan werden. Auch fehlten (aus naheliegenden Gründen) die Olympiateilnehmer Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg), normalerweise eine treue Starterin bei Bayerischen Meisterschaften, Kamghe Gaba (LG Stadtwerke München) und Jonas Plass (asics Team Wendelstein) sowie verletzungs- oder anderweitig bedingt weitere weißblaue Trumpfkarten wie Michelle Weitzel, Florian Orth (beide LG Telis Finanz Regensburg), Anne Kesselring (LAC Quelle Fürth) oder Oliver Koenig (LG Stadtwerke München). Dazu musste man noch auf die sieben Teilnehmer an der U 20-WM in Barcelona, die in dieser Woche beginnt, verzichten. Dennoch glänzten die hervorragend organisierten Wettbewerbe teilweise durch spannende Entscheidungen und teilweise hochklassige Leistungen, die letztlich auch die Würze dieser Bayerischen Meisterschaften 2012 ausmachten.

Heimspiel für David Gollnow

Für David Gollnow (LG Stadtwerke München) waren die Titelkämpfe quasi ein Heimspiel. Immerhin fungierte Vater und Trainer Olaf Gollnow als örtliche Wettkampfleiter, bei dem alle Fäden zusammenliefen. Also nahezu perfekte Voraussetzungen für Gollnow, der nach wie vor mit seinem unglücklichen Ausscheiden bei der EM in Helsinki hadert und für dessen Seelenheil so viel vertraute Atmosphäre Balsam bedeutete. Diesmal hielt sich der 23-Jährige mit zwei Bayerischen Titeln, nämlich über 400 Meter am Samstag und 200 Meter am Sonntag schadlos.

„Mit dem Wochenende bin ich sehr zufrieden“, zog David Gollnow Bilanz. Nachdem er über 400 Meter in 46,75 Sekunden Gold ergattert hatte, holte er sich am Sonntag den zweiten Titel. In 21,14 Sekunden lief er über 200 Meter zum Sieg und kam damit bis auf neun Hundertstel an seine Bestleistung heran. „Die beiden Läufe taten nach der Enttäuschung von Helsinki gut“, meinte Gollnow junior. Bei den Europameisterschaften wurde er auf Grund eines Fehlstarts disqualifiziert und verlor damit auch die Möglichkeit, dort die Olympia-Norm zu unterbieten. „So habe ich eine riesige Chance verpasst. Ich habe vier Jahre lang auf Olympia hingearbeitet und mein ganzes Training darauf abgestimmt.“ Die Enttäuschung über die verpatzten Europameisterschaften ist ihm immer noch anzumerken. „So schnell steckt man das nicht weg“, sagte er. „Aber das Wochenende hat mich wenigstens ein bisschen versöhnt.“ Trotzdem möchte er nun die Saison am liebsten beenden. „Gerade habe ich keine große Motivation mehr.“

Tobias Giehl trotz Titel unzufrieden

Nicht vergessen darf man hier auch Gollnows Konkurrenten über die Langhürdendistanz und Mit-EM-Starter Tobias Giehl (LG Würm Athletik), der über 200 Meter in ebenfalls guten 21,56 Meter hinter dem zweiten Erdinger Lokalmatador Benedikt Wiesend (LG Stadtwerke München; 21,43 Sekunden und über 400 Meter Zweiter in 47,62 Sekunden) den dritten Rang belegte. Über seine Spezialdisziplin, die 400 Meter Hürden, wollte Giehl eigentlich gar nicht in Erding starten. „Aber am Freitag beim Meeting in Bottrop habe ich einen Fehlstart gemacht. Der hat mich sehr beschäftigt.“ So wollte er noch einen guten Lauf zeigen, um den Misserfolg abhaken zu können. Keine Frage, dass Giehl der Titel nicht zu nehmen war. In 51,22 Sekunden gewann er sich vor Mario Saur (LG Telis Finanz Regensburg; 52,96 Sekunden). Die Bilanz von Giehl, der bei den Europameisterschaften bis ins Halbfinale gekommen war, fiel jedoch negativ aus: „Ich hab mich sehr auf den Start konzentriert, insgesamt war es ein schlechter Lauf.“ Nun will Giehl in diesem Jahr noch beweisen, dass er mehr kann. „Ich hoffe, dass ich in Zürich in der Diamond League laufen darf, da gibt es einen U 23-Einlagelauf.“ Dort will er seine Bestleistung knacken, denn er traut sich noch mehr zu: „Bisher hatte ich noch kein perfektes Rennen, da ist noch Luft nach oben.“

Fabienne Kohlmann testet ihre Form

Eine, die das Ticket nach London schon in der Tasche hat, nützte die Bayerischen Meisterschaften, um ihre Form zu testen. „Ich bin in letzter Zeit so oft die 400 Meter gelaufen, da wollte ich mal die Strecken drum herum ausprobieren“, erklärte Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr) ihre Entscheidung, in Erding über 800 Meter und 200 Meter zu starten. Ohnehin wird sie bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien) mit der 4 x 400-Meter-Staffel wieder über die Stadionrunde antreten. „Eigentlich dachte ich, ich kann die 800 Meter gewinnen, doch Karo hat mir auf der Zielgerade einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagte Fabienne Kohlmann (2:06,28 min). Gemeint war Karoline Pilawa (LG Stadtwerke München), die frischgebackene Aktivensprecherin des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes, die am Samstag in 2:05,77 Minuten gewann. Dafür war Fabienne Kohlmann am Sonntag mit ihrem 200-Meter-Lauf zufrieden. „Das passt schon so“, sagte sie zu ihren 25,04 Sekunden aus dem Vorlauf. Auf das Finale verzichtete sie jedoch.

Besagte Karo erwies sich an diesem Wochenende als eine der vielseitigsten und vor allem belastbarsten Läuferinnen. Neben dem Titel über zwei Stadionrunden holte sich die Schwäbin im Münchner Trikot noch Gold über eine Runde, also 400 Meter, in 55,25 Sekunden. Tags darauf ging sie sogar noch über 200 Meter in die Blöcke und schaffte es bis in den Endlauf, wo sie als Mittelstrecklerin in 25,25 Sekunden und Platz vier eine respektable Leistung ablieferte. Der Titel ging hier an Lisa Schollbach (LG Stadtwerke München) in 24,38 Sekunden. Über 100 Meter überraschte ihre Mannschaftskameradin Martina Riedl mit einer famosen Steigerung ihrer Bestzeit auf 11,78 Sekunden im Zwischenlauf. Nach einem Wohnort- und Vereinswechsel sowie einer unplanmäßigen Trainer-Rotation war Martina zu Beginn des Jahres nur schwer ins Rollen gekommen. Umso mehr freute sie sich nun auch noch über ihren Meistertitel im Endlauf, bei dem sie trotz 1,2 Meter Gegenwind ebenfalls noch unter ihrem alten Hausrekord blieb (11,86 Sekunden).

Philipp Pflieger siegt souverän über 1500 Meter

Zweite wurde hier Pamela Spindler (LG Telis Finanz Regensburg) in 12,05 Sekunden. Tags darauf stellte sie über 100 Meter Hürden ihre Ausnahmestellung in Bayern mit ihrem Sieg in 13,32 Sekunden vor Jennifer Reinelt (1. FC Passau; 13,94 Sekunden) eindrucksvoll unter Beweis. Einer aus dem großen Fundus der Regensburger EM-Starter, nämlich Philipp Pflieger, überrascht über die „Sprintstrecke“ 1500 Meter. Anfangs hielt sich der Schwabe im Telis-Trikot noch zurück, doch eine Runde vor Schluss übernahm er die Initiative und zog einen langen Endspurt an. Nur Michael Wilms (LG Stadtwerke München), der Deutsche Vizemeister über 3000 Meter Hindernis, konnte ihm noch folgen. Doch eingangs der Zielgerade musste auch er abreißen lassen und sich mit dem zweiten Platz begnügen (3:47,50 Minuten). Philipp Pflieger gewann in 3:45,35 Minuten. Doch Willms musste keineswegs ohne Titel aus Erding abreisen. Über 800 Meter bewies er auf der Zielgerade gegenüber Sebastian Zundler (LG Telis Finanz Regensburg; 1:51,01 Minuten) und Gabriel Genck (LG Donau-Ries; 1:51,67 Minuten) Spurtqualitäten und gewann in 1:50,63 Minuten.

Hammerwerfer in guter Form

Schon am ersten Tag zeigte das Hammerwerfer-Duo der LG Stadtwerke München ihr Können. In einem hochklassigen Wettkampf taten Johannes Bichler und Jerrit Lipske den Veranstalter zum einen den Gefallen, alle Versuche in den Sektor und nicht auf die angrenzende Straße zu setzen. Obendrein warf Bichler mit 70,38 Metern einen neuen Hausrekord und setzte sich damit vor seinem Vereinskameraden Lipske, der als Zweiter auf 68,79 Meter kam. Einer der glücklichsten Bayernmeister 2012 hieß Kim-Dominik Seyfried (LG Augsburg). Der 20-jährige Speerwerfer kam nur wenigen Wochen nach einem Autounfall mit 68,27 Meter wieder in die Nähe seiner persönlichen Bestleistung und ließ sich deshalb nur zu gerne vom Publikum feiern.

Der Sieg im Dreisprung der Männer ging souverän an den Favoriten Manuel Ziegler (LG Telis Finanz Regensburg). Mit 15,71 Metern dominierte er die Konkurrenz nach Belieben. Im Weitsprung tags darauf musste er jedoch die Überlegenheit von Kevin Christoph Korona (LAC Quelle Fürth), anerkennen, der sich mit 7,34 Meter zu 7,04 Meter Gold holte. Seinem Vereinskameraden Robert Dippl (LAC Quelle Fürth) langten diesmal 17,42 Meter zum Titelgewinn vor Joshua Deckert (LAZ Kreis Würzburg), der 15,68 Meter erzielte und später mit respektablen 52,43 Meter den Titel im Diskuswerfen holte.

Wimpernschlagfinale über 100 Meter

Dass die Auswertung des 100-Meter-Finales bei den Männern länger als normal dauerte, hatte seinen Grund: Fabian Turcinov (LG Stadtwerke München) und Thomas Schiller (LG Region Landshut) überquerten die Ziellinie beide in 10,93 Sekunden. Das Zielfoto sah dann Turcinov um die berüchtigte Haaresbreite in Front. Knapp wurde es auch über 5000 Meter, wo Tobias Gröbl (LG Zusam) in den Abendstunden des Samstag in 14:26,60 Minuten gerade noch Tobias Schreindl (LG Passau) niederringen konnte (14:26,97 Minuten). Über 110 Meter Hürden ging der Titel zwar an Fabian Fleischmann (1. FC Passau) in guten 14,43 Sekunden. Im vorhergehenden Einlagelauf, der ursprünglich als Vorlauf geplant war, hatte Maximilian Bayer (LG Stadtwerke München) jedoch mit 14,17 Sekunden eine noch bessere Zeit erzielt. Auf das Finale verzichtete Bayern dann allerdings.

Im Stabhochsprung setzte sich mit Simon Ziegler (LG Telis Finanz Regensburg) der Favorit durch (4,60 Meter), während der Titel im Hochsprung mit jeweils 1,90 Meter an Christian Trayne (TSV Gersthofen) und Altmeister Markus Rehak (LAC Quelle Fürth) ging. Für den 36-jährigen Hochspringer-Dauerbrenner aus Großhaberdorf bedeutete die Meisterschaft in Erding eine Art Déjà Vu. Seinen allerersten Bayerntitel gewann Rehak 1998 - damals in der U 23 - nämlich an gleicher Stelle mit 2,02 Meter. Kurioserweise bekam er 2012 die Startnummer 202. "Da konnte eigentlich nichts mehr schieflaufen", erzählte Rehak über seine besondere Motivation.

Gleich zwei Mal durfte sich das blaue Fürther Trikot über 1500 Meter bei den Frauen ganz oben auf dem Siegertreppchen aufreihen. Der Titel ging an Jannika John, die in 4:29,95 Minuten hauchdünn vor ihrer Vereinskameradin Julia Hiller (4:30,07 Minuten) landete. Ebenfalls eine Quelle-Läuferin bekam Gold über 5000 Meter, nämlich Lea Süß in 18:13,27 Minuten, während ihre Vereinskameradin Ulrike Giese, die „Mrs. Diskuswurf“ in Bayern, mit der Klasseweite von 56,91 Meter über 13 Meter Abstand zur Zweiplatzierten Martina Greithanner (TSV Münnerstadt; 46,24 Meter) legte.

Zwei Speerwerferinnen über 50 Meter

Ebenfalls eine Klasse für sich stellte Susanne Rosenbauer (LG Augsburg) im Speerwerfen dar. Neben ihr (52,56 Meter) übertraf noch Sarah Leidl (1. FC Passau; 50,34 Meter) die 50-Meter-Marke. Gold im Hammerwerfen ging an Sabine Schnurrer (TB Jahn Wiesau) in 41,22 Meter, während sich Alexandra Raabe (LG Festina Rupertiwinkel) mit 14,32 Meter erneut einen weißblauen Titel vor „Oldie“ Martina Greithanner (13,85 Meter) abholte.

Bei den Weitspringerinnen ging Gold an Verena Hirschmann (LG Stadtwerke München), die mit 5,60 Meter nur einen Zentimeter vor Katharina Schreck (TS Herzogenaurach) lag. Die etatmäßige Dreispringerin holte sich dann ihren Abonnement-Meistertitel mit einem Satz auf 12,57 Meter. Im Stabhochsprung kam Karen Ettinger (LAZ Kreis Würzburg) als Beste auf 3,71 Meter, während der Hochsprung Stephanie Bichler (TV Eggenfelden) mit 1,61 Meter in Front sah. Die Titel in den Sprintstaffeln gingen bei den Frauen in einer Art inoffizieller Vereinsmeisterschaft an die LG Stadtwerke München 2 mit Lisa Schollbach, Martina Riedl, Julia Riedl und Verena Hirschmann, die sich in exzellenten 45,88 Sekunden vor der Stadtwerke Nummer eins in Person von Anja Wurm, Neele Bade, Christina Muckenthaler und Laura Stronk (46,42 Sekunden) durchsetzten. Auch bei den Männern hatte München (41,10 Sekunden) die Nase vor der LG Region Landshut (41,97 Sekunden) vorne.

Über die Titelkämpfe der Alterklassen U 20 und U 18 erfolgt ein eigener Bericht.