Yoelbi Quesada: Warum ein kubanischer Dreisprung-Weltmeister in Ingolstadt trainiert
Getuschel hebt an, bis sich einer aufrafft und nach seinem Namen fragt. „Ich heiße Yoelbi Quesada, komme aus Kuba und war mal ein ganz guter Dreispringer.“
So etwas nennt man Understatement. Immerhin behauptete sich Quesada mehr als 14 Jahre in der absoluten Weltspitze, wurde 1991 zum ersten Mal Junioren-Weltmeister, nahm von 1992 bis 2004 an vier Olympischen Spielen teil und holte 1996 in Atlanta Bronze mit 17,44 Meter hinter dem Amerikaner Kenny Harrison (18,09 Meter) sowie dem britischen Weltrekordler Jonathan Edwards (17,88 Meter). Seinen größten Erfolg feierte der Kubaner ein Jahr später, als er 1997 in Athen den Weltmeistertitel mit persönlicher Bestleistung von 17,85 Meter vor Edwards errang. Eine weitere olympische Medaille blieb ihm 2000 in Sydney nur aufgrund des schlechteren zweiten Versuchs verwehrt. Was macht so einer ausgerechnet im oberbayerischen Ingolstadt? Die Vermutung liegt nahe, dass auch hier, wie so oft, der Autobauer Audi eine entscheidende Rolle spielte.
Quesada, der nach dem Ende seiner sportlichen Karriere von der Zuckerrohrinsel nach Barcelona übersiedelte und dort eine Familie gründete, kam vor rund sechs Monaten an die Donau, weil seine spanische Frau bei Audi einen Job annahm. Seither tummelt sich der heute 38-Jährige nahezu täglich im MTV-Stadion, absolviert dort Abläufe, Rasendiagonalen und Treppensprünge oder beteiligt sich mit beinahe kindlicher Freude am Fußballtraining der Ersten Mannschaft des MTV („In Kuba haben wir so was nicht, nur Baseball und Volleyball. Aber ich liebe Fußball über alles!“).
Die deutsche Sprache und sein wegen des guten bayerischen Essens viel zu hohes Körpergewicht bezeichnet er als seine derzeit größten Probleme. Beides könne man jedoch beheben. „Ich liege noch weit über meinem früheren Wettkampfgewicht, habe aber schon einige Kilos verloren“, freut sich der stets gut gelaunte Weltklasse-Dreispringer. Sein Ziel sei es, irgendwann in Deutschland als Trainer zu arbeiten. Auf Kuba absolvierte er ein Studium der Sportwissenschaften.
Mit seinem ehemaligen Trainingspartner, dem in Paris lebenden Weitsprung-Olympiasieger Iván Pedroso, telefoniert Yoelbi Quesada wöchentlich. Ob er vielleicht sogar wieder zur Sandgrube zurückkehrt, darüber hält er sich freilich noch bedeckt. „In Kuba bist du mit 30 schon ein alter Mann.“ Den Kontakt zu jungen Leichtathleten sucht der Neu-Ingolstädter freilich schon jetzt. So unterhielt er sich unter anderem mit Händen und Füßen sowie ein paar Brocken Deutsch mit der U 16-DLV-Ranglistenersten, Stefanie Aeschlimann (MTV 1881 Ingolstadt), über ihre gemeinsame Leidenschaft: den Dreisprung.