Bekanntes Gesicht, unbekanntes Trikot: Für den Athletics Nelson Club holte sich Stefanie Aeschlimann den neuseeländischen Meistertitel.

Ein Star zum Anfassen: Mit Kugelstoß-Olympiasiegerin Valerie Adams (rechts) traf Stefanie Aeschlimann in Auckland eine der ganz Großen der Leichtathletik. Fotos: privat

02.04.2013 10:23 // Von: Reinhard Köchl

Stefanie Aeschlimann: Warum eine junge Bayerin neuseeländische Meisterin wurde

Von der Kreismeisterschaft bis zum Olympiasieg: Das klassische Beuteschema für deutsche Leichtathleten ist seit Jahren fest abgesteckt. Der Titel, den Stefanie Aeschlimann (MTV 1881 Ingolstadt) freilich jetzt in Ozeanien gewann, fällt komplett aus diesem Rahmen. In Auckland wurde die 16-jährige Dreispringerin aus Bayern jetzt neuseeländische Meisterin der Klasse U 18 in ihrer Spezialdisziplin.

Dank einer Auslandstartgenehmigung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) darf Aeschlimann für den Athletic Nelson Club Wettkämpfe bestreiten und sogar bei den Titelkämpfen des Inselstaates an den Start gehen. Mit bemerkenswertem Erfolg. Die vorjährige deutsche Ranglistenerste der Klasse W 15 im Dreisprung (BL: 11,96 Meter), Süddeutsche und mehrfache Bayerische Meisterin zeigte in Auckland einen grundsoliden Wettkampf und beherrschte den Dreisprung nach Belieben. Alle ihrer fünf gültigen Sprünge hätten für einen deutlichen Sieg gereicht. So gewann die 16-Jährige als einzige Elf-Meter-Springerin des Wettkampfs mit sehr ansprechenden 11,61 Meter Gold.

Tags darauf wollte Stefanie Aeschlimann diese Weite in der Konkurrenz der älteren U 20-Mädchen noch einmal steigern. Bei starken Windböen übertrat sie jedoch drei Mal knapp den Absprungbalken und kam nicht in die Wertung. Dennoch war sie überraschenderweise zufrieden. „Zum ersten Mal seit einiger Zeit haben sich meine Sprünge wieder richtig gut abgefühlt. Und sie waren alle sehr, sehr weit, aber leider ungültig. Vielleicht kann ich meine gute Form beim letzten Saisonwettkampf, der College-Ausscheidung der südlichen Insel, noch einmal in ein entsprechendes Resultat umsetzen.“

Zweite mit dem Speer

Schon am ersten Tag der „New Zealand Champs“ hatte Aeschlimann den 600-Gramm-Speer auf 40,55 Meter geschleudert, was Rang zwei mit neuer persönlicher Bestweite bedeutete. Eine tolle Begegnung erlebte die junge Ingolstädterin am Rande der Meisterschaften, als sie die zweifache Kugelstoß-Olympiasiegerin Valerie Adams traf, die in Auckland mit 20,37 Meter einmal mehr ihre weltweite Ausnahmestellung unterstrich. In einem sehr persönlichen Gespräch tauschten die Nachwuchs-Hoffnung und der Weltstar Erfahrungen aus. „Sie war unglaublich nett“, schilderte Stefanie die Begegnung mit Valerie Adams. „Ohne Allüren nahm sie sich für jeden Autogrammwunsch Zeit. Sie ist eine Olympiasiegern, die noch mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Ein echtes Vorbild!“

Stefanie Aeschlimann kam Mitte Januar in die Küstenstadt Nelson an der Spitze der neuseeländischen Südinsel, um dort bis Anfang Oktober ein Gastschuljahr am Nayland College zu absolvieren. Dabei hinterließ sie bereits einen nachhaltigen Eindruck. „Nothing is lost in translation when it comes to Stefanie Aeschlimann’s athletic prowess“ (frei übersetzt: Stefanie Aeschlimanns leichtathletisches Können beseitigt jede Sprachbarriere) übertitelte beispielsweise die Zeitschrift „Nelson Mail“ einen großen Artikel über den „future star“ aus Germany.

Mit ihrem Heimtrainer Reinhard Köchl und BLV-Dreisprung-Coach Dimitri Antonov senior steht sie via Skype in regelmäßiger Verbindung. Die beiden schicken Trainingspläne nach Neuseeland und stimmen sich mit Dennis Kale, Stefanies Leichtathletik-Coach in Nelson, genau über die anstehenden Übungseinheiten ab. Kale bezeichnet die interkontinentale Achse als „beispielhaft“. Etwas Vergleichbares habe es in Neuseelands Leichtathletik noch nie gegeben. Der Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Köchl und Antonov würde den Horizont aller Trainer in Nelson erweitern. Aeschlimann, die in Ingolstadt das Reuchlin-Gymnasium besucht und in Wettstetten lebt, sei in der kurzen Zeit schon eine Art Vorbild für die jüngeren Leichtathleten am Nayland College geworden.

Bei der Betreuung der jungen MTV-Athletin hatte auch DLV-U 23-Bundestrainer Dietmar Chounard seine Hände im Spiel. Im vergangenen November hatte sich Chounard an seinen neuseeländischen Kollegen Terry Lomax gewandt, der den Kontakt zu Dennis Kale, einem landesweit anerkannten Sprintcoach, herstellte. Das von seinen beiden Trainerkollegen in Deutschland gewünschte Ziel für Stefanie Aeschlimanns Neuseeland-Aufenthalt lautet deshalb vor allem, ihre Sprintschnelligkeit zu verbessern. Am ersten April-Wochenende gibt es zum Saisonabschluss noch das große College-Finale der neuseeländischen Schulen, bevor für Stefanie Aeschlimann eine ungewohnte „Winterpause“ beginnt, während ihre Altersgenossen in Deutschland sich auf die ersten Sonnenstrahlen und die beginnende Freiluftsaison freuen.