Philipp Pflieger macht sich Gedanken über Leistungssport und seine gesellschaftliche Bedeutung. Foto: Kiefner

21.04.2013 16:49 // Von: Dieter Claus

Philipp Pflieger: "Wirtschaft und Sport in eine Win-Win-Situation bringen"

Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) konnte sich am vergangenen Wochenende in Refrath mit einer Deutschen Vizemeisterschaft auf der Halbmarathondistanz erneut in der nationalen Spitze des Langstreckenlaufs behaupten. Erst vor einigen Wochen errang er zudem Silber bei den Deutschen Crosslaufmeisterschaften und im vergangenen Herbst wurde er Deutscher Meister im 10 Kilometer Straßenlauf. blv online sprach mit dem Regensburger Läuferass über seine Leistungsentwicklung, seine Zukunftspläne und gesellschaftliche Aspekte des Leistungssports.

blv-online: Zunächst einmal Gratulation zu Ihren Erfolgen der vergangenen Wochen. Wie analysieren Sie Ihre Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit?

Pflieger: Ich bin froh, dass ich meine Achillessehnenprobleme von Dezember und Januar inzwischen nicht nur in den Griff bekommen habe, sondern auch auf einen recht vielversprechenden Trainingsblock seither zurückblicken kann. Dass ich wieder auf der Höhe des Geschehens bin, hat sich zuletzt nicht nur im Training angedeutet, sondern wurde auch bei meiner jüngsten Leistungsdiagnostik bei Dr. Möckel im IPS in Regensburg bestätigt.

blv-online: Wie sind Sie eigentlich zur Leichtathletik und zum Langstreckenlauf gekommen?

Pflieger: Zum Laufen im Allgemeinen sicherlich durch meinen Vater, der schon viele Marathons absoliviert hat und in meiner schwäbischen Heimat auch einen sehr renommierten Volkslauf organisiert (25 Kilometer Naturpark Schönbuchlauf / www.schoenbuchlauf.de). Er nahm mich im Alter von fünf bis sechs Jahren mal auf die ersten kleinen Runden mit, so etwa ein Kilometer, wenn überhaupt. Außerdem natürlich durch meinen damaligen Schulfreundeskreis. Nachdem wir alle mal Fußball ausprobiert hatten, wechselten wir zur Leichtathletik, da war ich vielleicht acht Jahre alt. Nach zwei Jahren beim kleinen TSV Dagersheim wechselten wir damals alle zum durchaus bekannten VfL Sindelfingen. Dort wuchs ich dann klassisch leichtathletisch auf und blieb zehn Jahre, bis ich nach dem Abitur ein Studium in Regensburg begann und zur LG Telis Finanz ging. Dass meine sportlichen Talente abseits des Laufens eher überschaubar waren, hat sich schnell herauskristallisiert.

blv-online: Sie starteten jetzt erstmals auf der Halbmarathondistanz. Wann kommt der erste Marathonlauf?

Pflieger: Nicht vor der EM in Zürich 2014. Dort würde ich kommendes Jahr am liebsten über 10 000 Meter an den Start gehen. Danach werden mein Trainer Kurt Ring und ich weitersehen.

blv-online: Ihr nächstes Ziel wird vermutlich eine Titelverteidigung bei den Deutschen Meisterschaften über 10 000 Meter in Bremen sein. Welche Läufer stufen Sie als Ihre schärfsten Konkurrenten ein?

Pflieger: Ich werde natürlich mein Möglichstes tun, um meinen Titel zu verteidigen. Ich habe derzeit noch überhaupt keinen Überblick, wer dort am Start stehen wird, aber grundsätzlich kommt doch nur ein Kreis der üblichen Verdächtigen in Frage. Arne Gabius wird, wie ich gehört habe, in Übersee starten, fällt also wahrscheinlich weg. Ich denke da noch an Jan Fitschen, der in einem Interview laut über einen Start nachgedacht hat. Richard Ringer könnte auch ein Kandidat sein, und von Musa-Roba Kinkal hat man auch schon lange nichts mehr gehört, vielleicht arbeitet er ja auf einen Start hin.

blv-online: Sport-Gesellschaft-Politik: Wie verorten Sie die Leichtathletik und insbesondere den Langstreckenlauf in den genannten Bereichen? Gibt es Chancen, dass sich die Leichtathletik hier besser positioniert?

Pflieger: Es ist ja kein Geheimnis, dass Leistungssport in Deutschland außerhalb der Szene leider oft eher negativ konnotiert ist. Hierzulande wird dieser häufig nur mit Ehrgeiz, Verbissenheit und - sportartspezifisch - leider auch mit Doping assoziiert, ganz im Gegenteil zum Ausland. Gerade in den USA, aber auch in Großbritannien im Kontext der Olympischen Spiele von vergangenem Jahr, gelten Spitzensportler oft als Vorbilder für Arbeit, Disziplin und Fleiß. Das Image hierzulande hält Firmen leider auch davon ab, sich außerhalb von "König Fußball" finanziell zu engagieren. Dabei wäre es so einfach die sportliche Spitze - beispielsweise im Laufbereich der Leichtathletik - entsprechend zu nutzen und aufzubauen, um die breite Masse für Sport zu begeistern und anzuspornen. So hätte man leicht eine Win-Win-Situation: Das Unternehmen gewinnt an Image, der Sportler verdient seinen Lebensunterhalt, und die Gesellschaft wäre im Idealfall unterm Strich gesünder, als das heute der Fall ist.

blv-online: Die Vereine erleben immer wieder, dass talentierte Schüler und Jugendliche nicht in die Aktivenklasse gelangen, weil sie vorher die Leichtathletik abbrechen. Welche Motivationsidee könnten Sie als erfolgreicher deutscher Langstreckenläufer den Trainern und Nachwuchsläufer/innen hier mitgeben? 

Pflieger: Dass die Anforderungen an Schüler und Studenten seit Jahren zunehmen, ist hinlänglich bekannt und denen fallen häufig zuerst Freizeitaktivitäten zum Opfer. Ich denke, ein nicht zu unterschätzender  positiver Aspekt gemeinsamen Trainings ist zweifellos die Gruppendynamik, und deshalb sollten Trainer, wenn möglich, versuchen Trainingsgruppierungen - durchaus gemischten Alters - aufzubauen. Ich kann aus eigener Erfahrung behaupten, dass auf solche Art und Weise entstandene Freundschaften über ein nicht zu unterschätzendes Potential verfügen, langfristige Bindungen zu Sport und Verein zu schaffen.