Matthias Küsters (Mitte) kratzte im Zehnkampf an der 7000-Punkte-Marke. Foto: Theo Kiefner

Elisabeth Glonegger wartete mit einer neuen Siebenkampf-Bestleistung auf. Foto: Luis Windpassinger

Anna-Lena Obermaier (links) behielt gegen ihre Dauerrivalin Katharina Winkler im U 20-Siebenkampf die Oberhand. Foto: privat

31.07.2014 09:04 // Von: Reinhard Köchl

Bayerische Mehrkampf-MS Regensburg: Einige Spitzenresultate, schwache Resonanz

Wer rettet den Patienten „Mehrkampf“ in Bayern? Man muss kein notorischer Schwarzmaler sein, sondern nur die nackten Fakten der Bayerischen Mehrkampfmeisterschaften im Regensburger Stadion am Weinweg sprechen lassen. Gerade mal fünf Zehnkämpfer bei den Männern sowie bei den U 23-Junioren, sechs Teilnehmerinnen im Siebenkampf der Frauen und acht bei den U 23-Juniorinnen: Nie zuvor war die Resonanz geringer. Dass die neuen Meister recht ansprechende Leistungen zeigten, versöhnte nur teilweise.

Die Misere zeichnete sich schon im Laufe des Jahres ab, als trotz großer Bemühungen von Seiten des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) kein Veranstalter für die zweitägigen Titelkämpfe gefunden werden konnte. Bevor zum ersten Mal in der Geschichte des BLV überhaupt die traditionsreichen Mehrkampfmeisterschaften ins Wasser gefallen wären, erklärte sich schließlich die LG Telis Finanz Regensburg bereit, die Jugendklasse U 18 im Rahmen der Süddeutschen Meisterschaften Anfang Juli im Unistadion abzuwickeln. Die Aktivenklassen sowie die Jugend U 20 sollten dann neben den Oberpfalz-Meisterschaften für Jedermann drei Wochen später im Stadion am Weinweg in der Domstadt, in dem in der Woche zuvor noch die Bayerischen Einzelmeisterschaften der U 23 und U 16 stattfanden, über die Bühne gehen. Eine Rettungsmaßnahme, für die vor allem den beiden Regensburger Vereinen LG Telis Finanz und SWC großer Dank gebührt, die aber den bedenklichen Zustand der weißblauen Mehrkämpferszene keineswegs auf Dauer heilen kann.

Möglicherweise lag die schwache Resonanz auch daran, dass es erst auf den letzten Drücker überhaupt grünes Licht für die Veranstaltung gab, vielleicht war auch der Zeitpunkt am Wochenende der Deutschen Meisterschaften in Ulm, dicht eingepfercht in einen proppenvollen Terminkalender, schuld. Aber woran liegt es generell, dass sich die Nachfrage für Zehn- und Siebenkampf ausgerechnet im größten Flächenstaat Deutschlands unweigerlich Richtung null bewegt, während der Mehrkampf in anderen Landesverbänden boomt und die bundesrepublikanischen Zehnkämpfer und Siebenkämpferinnen international ganz vorne mit dabei sind? Johannes Hock, das bislang letzte Talent aus dem Freistaat, verließ seinen Heimatverein TV 1884 Marktheidenfeld Ende 2011, um sich beim TSV Bayer 04 Leverkusen auf höhere Ziele vorzubereiten und sich ebenso wie Tom Bechert (LG Telis Regensburg) in den USA bei anderen „Zehnkampf-Verrückten“ weiter zu entwickeln. Bei den Frauen beendete mit Liana Weber (SWC Regensburg) die letzte national vorzeigbare Siebenkämpferin im vergangenen Jahr ihre Karriere. Im weiblichen Jugendbereich U 20 gibt es zwar mit Anna-Lena Obermaier (LG Sempt) und Katharina Winkler (LAC Quelle Fürth) zwei Hoffnungsträgerinnen, doch darunter fehlt die Basis. Die meisten Talente, die noch in der Altersklasse U 16 durch ihre Vielseitigkeit auffallen, verlieren im Laufe der Zeit zunehmend die Lust daran, sich mit zehn oder sieben Disziplinen herumzuschlagen.

Fragen, die vor allem die neuen Bayerischen Meister Elisabeth Glonegger (MTV 1881 Ingolstadt) und Matthias Küsters (SWC Regensburg) nicht beantworten können. Sie setzten mit ihren Leistungen wenigstens noch ein qualitatives Ausrufezeichen an der Spitze. Glonegger, Jahrgang 1982 und in diesem Jahr auch Bayerische Einzelmeisterin über 100 Meter Hürden, schaffte es, mit 5130 Punkten sogar eine neue persönliche Bestleistung im Siebenkampf aufzustellen. Überragend dabei vor allem ihre Hürdenzeit von 13,78 Sekunden, ihr 200-Meter-Sprint in 25,45 Sekunden, die ebenso wie die 2:21,87 Minuten über 800 Meter von keiner anderen Teilnehmerin überboten werden konnten. Gloneggers schärfste Konkurrentin und Titelverteidigerin Ines Dirscherl (LG Karlstadt-Gambach-Lohr), ebenfalls Jahrgang 1982, gab nach sechs Disziplinen (unter anderem 25,97 Sekunden über 200 Meter und 1,60 Meter im Hochsprung) auf. Zweite wurde daraufhin Stefanie Weiler (TSV Katzwang 05), Jahrgang 1984, mit 4619 Zählern vor Julia Liedl (SWC Regensburg; 4210).

Auf 4924 Punkte kam die neue Bayerische U 23-Meisterin im Siebenkampf, Andreas Sedlbauer (LG Kreis Dachau). In einem Feld von acht Teilnehmerinnen schaffte sie unter anderem 1,63 Meter im Hochsprung und 36,22 Meter mit dem Speer. Zweite wurde Isabel Mayer (SWC Regensburg; 4772) vor Anna Schmid (TV Dingolfing; 4583). Die Mannschaftswertung bei den Frauen ging an den MTV 1881 Ingolstadt (13 049) vor dem SWC Regensburg (12 159).

Jeweils fünf Teilnehmer (bei den Männern hatte einer den Zehnkampf nach dem ersten Tag aufgegeben) fochten in Regensburg drei Medaillen aus. Immerhin streifte dabei Matthias Küsters, der Titelträger bei den Männern, mit sehr guten 6994 Zählern hauchdünn die national relevante 7000er-Marke. Küsters ist in der Tat ein Athlet, der über keinen erkennbaren Schwachpunkt in seinem Disziplin-Portfolio verfügt. Solide 11,59 Sekunden über 100 Meter standen am ersten Tag 6,61 Meter im Weitsprung, 13,22 Meter mit der Kugel, 1,84 Meter im Hochsprung und 50,06 Sekunden über 400 Meter gegenüber. Am zweiten Tag begann der Regensburger mit 16,16 Sekunden über 110 Meter Hürden, 36,29 Meter mit dem Diskus, enorm starken 4,60 Meter im Stabhochsprung, 51,20 Meter mit dem Speer und 4:39,69 Minuten über 1500 Meter. Der Abstand zum Zweitplatzierten Andreas Schmid (TV Dingolfing; 5484) betrug deshalb auch über 1500 Punkte! Dritter wurde Andreas Mokross (SWC Regensburg; 5092).

Ebenfalls an die SWC Regensburg, und zwar in Gestalt von Kilian Hartmann, ging der Titel in der männlichen U 23. Auch sein Endergebnis von 6709 Punkten zählt noch zu den erfreulichen Resultaten, wobei er 11,39 Sekunden über 100 Meter sprintete, 6,80 weit sprang, die Kugel auf 13,02 Meter wuchtete, 4,10 Meter mit dem Stab überquerte und den Speer auf 58,27 Meter segeln ließ. Selbst der Zweite Alexander Gilch (LG Oberland) mit 6278 Zählern und Bronzemedaillengewinner Daniel Hoseus (TS Herzogenaurach) mit 6055 Punkten blieben in der U 23-Konkurrenz noch über der 6000er-Marke. Die Mannschaftswertung bei den Männern holte sich der SWC Regensburg (18 795).

Einen spannenden Zweikampf gab es in der weiblichen U 20 zwischen Anna-Lena Obermaier und Katharina Winkler zu verfolgen. Während Winkler noch im Vierkampf mit 3204 Punkten gegenüber Obermeier (3153) die Nase vorne hatte, drehte die Sempterin dann in der Siebenkampfwertung den Spieß um und gewann mit exzellenten 5252 Zählern vor Winkler (4983). Herausragend bei der Fürtherin waren natürlich ihre 100-Meter-Hürden-Zeit von 14,11 Sekunden, ihr Hochsprung von 1,75 Meter und ihr 200 Meter-Lauf (25,54 Meter), wobei sie beim Weitsprung, einer normalerweise ebenfalls starken Disziplin, eindeutig die entscheidenden Punkte liegen ließ (5,28 Meter). Auch Anna-Lena Obermaier blieb über die Hürden unter 15 Sekunden (14,97 Sekunden) und schaffte im Hochsprung sogar mit 1,78 Meter ein noch besseres Resultat als Winkler. Außerdem sprang sie 5,57 Meter weit, schleuderte den Speer auf 40,71 Meter und kam über 800 Meter nach 2:28,49 Minuten ins Ziel. Zwei Mal Bronze gewann Sina Heubel (LG Stadtwerke München) im Vier- (2898) und im Siebenkampf (4918). Mit 5,54 Meter gelang ihr das beste Weitsprungresultat und mit 2:24,48 Minuten die schnellste 800-Meter-Zeit. Der Mannschaftstitel im Vierkampf ging an den TSV 1862 Erding (9080) vor dem SWC Regensburg (8332), im Siebenkampf standen abermals die Erdingerinnen ganz oben auf dem Treppchen (9254).

Sechs männliche U 20-Athleten kämpften sich zwei Tage lag durch zehn Disziplinen und boten Spannung pur bis zur letzten Sekunde des 1500-Meter-Laufes. Hier rettete Noah Kollhuber (LG Sempt) einen hauchdünnen Vorsprung von fünf Punkten (6391) vor André Zahl (TS Herzogenaurach; 6386) ins Ziel. Dritter wurde Sven Holländer (LG Sempt; 6090). Auch im Fünfkampf gab es für Kollhuber Gold (3293) vor seinem Mannschaftskameraden Maximilian Ostler (LG Sempt; 3210) und Sven Holländer (3174). André Zahl, der noch nach dem ersten Tag auf Rang vier gelegen hatte, arbeitete sich vor allem durch einen starken Stabhochsprung (4,20 Meter), das beste 110-Meter-Hürden-Resultat (15,73 Sekunden) und die schnellste 1500-Meter-Laufzeit (4:36,89 Minuten) fast bis zum Titel nach vorne. Dennoch wurde Noah Kollhuber verdienter Doppel-Meister, nicht zuletzt wegen seiner Ausgeglichenheit in allen Disziplinen, wobei vor allem die 6,40 Meter im Weitsprung, die 37,70 Meter im Diskuswerfen und die 4,00 Meter im Stabhochsprung hervorstachen. Der Mannschaftstitel im Zehnkampf ging an die LG Sempt (18 005).