Endlich wieder Leichtathletik für alle! Eine lange Zeit des Wartens und der Frustration ist für alle vorbei. Foto: Theo Kiefner

29.05.2021 09:27 // Von: BLV

Die bayerische Leichtathletik und ihr Weg durch die Pandemie

Über sechs Monate Lockdown und ein generelles Sportverbot in Turnhallen wie auf öffentlichen Sportplätzen: Das sind die Parameter für eine der schwersten Krisen, die die Leichtathletik in Bayern in der Nachkriegszeit zu bewältigen hatte. Nachdem seit Freitag, 21. Mai, nahezu alle Beschränkungen für Training unter freiem Himmel und Wettkampf aufgehoben sind, fiebern Sportlerinnen und Sportler, Trainerinnen und Trainer sowie Funktionäre dem Neustart entgegen. „Wir freuen uns außerordentlich, dass diese schlimme Zeit endlich vorbei ist“, betont Gerhard Neubauer, der Präsident des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes (BLV). „Hoffentlich gehört so etwas nun ein für allemal der Vergangenheit an.“

Es sei extrem bitter für den gesamten Vereinssport gewesen, dass dieser seit November auf Eis gelegen habe, bilanziert Gerhard Neubauer. „Wir bedauern das wirklich außerordentlich, und hätten das gerne verhindert, wenn wir die Möglichkeiten dazu gehabt hätten. Allerdings mussten wir uns wie jede andere Sportart auch den gesetzlichen Auflagen beugen. Diesmal wollten wir aber zumindest unseren Kaderathleten die Chance einräumen, über den Winter hinweg weiter trainieren zu können – im Gegensatz zum Frühjahr 2020.“ In enger Abstimmung mit dem bayerischen Innenministerium und dem Bayerischen Landessportverband (BLSV) wurde deshalb frühzeitig ein Modell auf den Weg gebracht, mit dem Bundes- und Landeskader, ergänzt durch so genannte Stützpunkt- oder Sonderkader, die Möglichkeit zur Sportausübung eingeräumt bekommen sollten – auch hinsichtlich der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele und andere internationale Meisterschaften.

 

Für eine derartige Situation habe es bis dato weder eine Handlungsempfehlung, noch einen konkreten Plan gegeben. „Im Prinzip ging es zunächst nur darum, ob wieder alle Sportlerinnen und Sportler ausgesperrt bleiben wie beim ersten Lockdown, oder ob wir wenigstens einem kleinen Teil die Chance geben, unter strengen Hygieneauflagen weiterzumachen“, betont Gerhard Neubauer, der zusammen mit den BLV-Vizepräsidenten Jochen Schweizer (Bezirke), Reinhard Köchl (Sport) und Johannes Barnbacher (Wettkampfwesen) sowie Bundesstützpunktleiter Andreas Knauer und dem Kompetenzteam des BLV immer wieder Hygienekonzepte und Szenarien diskutierte, mit denen man unter Einhaltung der jeweils gültigen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung einer bestimmten Zahl von Sportlerinnen und Sportlern die Fortsetzung des Wintertrainings ermöglichen könnte.

 

Als einer der ersten Leichtathletik-Landesverbände in Deutschland bekam der BLV Anfang November grünes Licht für die Trainingserlaubnis von Bundes- und Landeskadern im Freistaat. Da zumindest Landeskader bislang stets streng nach sogenannten Kadernormen ausgewählt wurden, entstand der Gedanke, diesen in einem überschaubaren und vor allem gesetzeskonformen Rahmen auszuweiten. Ausgehend von der bisherigen Praxis des Stützpunktmodells wurden zunächst junge Talente von der U 16 bis zur U 20, die knapp an der Kadernorm gescheitert waren, in enger Abstimmung mit dem Innenministerium zu so genannten Stützpunktkadern aufgestuft. Voraussetzungen dafür waren eine klar erkennbare leistungssportliche Perspektive. Die Auswahl dafür oblag den jeweiligen Landesstützpunkttrainern, während die Teamleiter des BLV eine vorläufige Endauswahl trafen.

 

Schwieriger gestaltete sich die Situation da schon bei den Sportlerinnen und Sportlern ab der Altersklasse U 23, also derjenigen Personengruppe, die der Jugendklasse entwachsen waren und für die der Landesverband normalerweise nicht mehr zuständig ist. In einem ersten Schritt ging es vor allem darum, die Arbeit am Bundesstützpunkt München sowie an den Landesstützpunkten Fürth, Regensburg und Passau, die sich wegen der kalten Wintermonate weitgehend in der Halle abspielt, aufrecht zu erhalten. Hierzu wurden neben den Bundes-, Landes- und Stützpunktkadern vor allem solche jungen Frauen und Männer in einen so genannten Sonderkader berufen, die sich in den Jahren 2020 und 2019 bei Deutschen Meisterschaften entweder für den Endlauf oder den Endkampf qualifizieren konnten (Top Acht).

 

„Zunächst waren die Zusatzkader ausschließlich dafür gedacht, das Training sicherzustellen“, erinnert sich Reinhard Köchl. Auf Wunsch hätte man an interessierte Sportlerinnen und Sportler ohne Kaderstatus sogar ein Empfehlungsschreiben für die jeweilige Gemeinde mit der Bitte um Unterstützung ausgestellt. „Doch keiner konnte ahnen, dass sich der Lockdown so lange hinziehen würde.“ Der zunächst nur für den Trainingsbetrieb vorgesehene Kaderstatus entpuppte sich mit zunehmender Dauer als Eintrittskarte für die sogenannten Kader-Wettkämpfe, die zunächst im Februar in der Halle und dann ab Anfang Mai auch in München und Regensburg über die Bühne gingen.

 

Noch problematischer wurde die Angelegenheit dann mit der bundesweiten Notbremse, bei der Sport nur für Bundes- und Landeskaderathleten erlaubt war. Weil jedoch eine Reihe von Sportlerinnen und Sportlern ohne Bundeskaderstatus die Qualifikationsleistungen, zum Beispiel für die Deutschen 10 000-Meter-Meisterschaften am 1. Mai in Mainz erreicht hatten, entschloss sich der BLV kurzfristig für die Bildung eines DM-Kaders. Diesem sollten ausschließlich solche Athletinnen und Athleten angehören, die 2021 und 2020 die Norm für eine Deutsche Meisterschaft erreicht hatten. Nach aktueller Auslegung lag der BLV auch hier mit seiner Einschätzung richtig, weil dieser Personenkreis unter die Bezeichnung „Profisportler“ fällt.

 

„Die richtigen Entscheidungen in dieser fragilen Lage zu fällen, ist mehr als schwierig“, erklärte BLV-Vizepräsident Sport Reinhard Köchl. „Natürlich gibt es Verärgerung, Frust, Enttäuschung, weil jeder Fall für sich ein Einzelschicksal ist. Und selbstverständlich hätten wir jedem gerne geholfen. Aber das war nun mal leider nicht möglich.“ Man habe versucht, das Beste aus dieser misslichen Lage zu machen und jede Entscheidung so sportfreundlich wie möglich zu treffen. Im Gegensatz zu anderen Sportverbänden, die ganze Kindergruppen in Vereinen pauschal mit dem Landeskaderstatus ausstatteten, habe der BLV stets umsichtig und verantwortungsbewusst gehandelt, betont BLV-Präsident Gerhard Neubauer. Die Vorgehensweise innerhalb der bayerischen Leichtathletik, die stets auch vom bayerischen Ministerium des Inneren, für Sport und Migration begleitet wurde, sei deshalb sogar beispielgebend und als Erfolg zu bezeichnen. Denn ein funktionierender Spitzensport kann auch für den Breitensport in den Vereinen gerade nach der Pandemie viele wertvolle Impulse bringen.

 

Der BLV will auf jeden Fall den Wiederbeginn er bayerischen Leichtathletik mit verschiedenen Maßnahmen unterstützen. Als erstes Angebot gilt das Re-Start-Meeting am 12. und 13. Juni im Münchner Dantestadion, das der BLV-Bezirk Oberbayern zusammen mit der LG Stadtwerke München veranstaltet.