Tobias Potye // Christina Hering // Alexandra Burghardt // Maximilian Entholzner // Christian Zimmermann // Miriam Dattke // Katharina Trost. Alle Fotos: Theo Kiefner

06.06.2021 23:56 // Von: Reinhard Köchl/LG Stadtwerke München

DM Braunschweig Tag 2: Titel für Potye, Hering und abermals Burghardt

Natürlich gäbe es immer noch die eine oder andere Verbesserungsmöglichkeit. Aber im Großen und Ganzen können die bayerischen Leichtathleten eine zufriedenstellende Bilanz der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften 2021 ziehen, die abermals in Braunschweig über die Bühne ging. Am zweiten Tag gab es drei weitere Titel zu bejubeln, und zwar für Hochspringer Tobias Potye, 800-Meter-Läuferin Christina Hering (beide LG Stadtwerke München) und abermals eine phänomenale Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen), die sich auch noch Gold über 200 Meter schnappte und neben Gesa Felicitas Krause erfolgreichste Athletin der Titelkämpfe wurde. Außerdem wurden Christian Zimmermannn (Kirchheimer SC), Maximilian Entholzner (LAC Passau), Katharina Trost (LG Stadtwerke München) und Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg) ausgezeichnete Vizemeister.

Damit gab es in Braunschweig insgesamt fünf Titel für Sportlerinnen und Sportler aus Bayern, fünf Mal Silber und ein Mal Bronze. Keine optimale, aber eine durchaus positive Bilanz, die mit ein wenig Glück sogar noch besser hätte ausfallen können. So musste Kugelstoßer Christian Zimmermann mit ansehen, wie ihm im allerletzten Versuch der schon sicher geglaubte Meistertitel vor der Nase weggezogen wurde. Auch Weitspringer Maximilian Entholzner konnte seinen Vorjahrestitel aus Braunschweig leider nicht verteidigen, während Miriam Dattke gegen Gesa Fleicitas Krause über 5000 Meter den Kürzeren zog.

 

Potye lässt Tief hinter sich und pusht sich zum ersten Titel

 

Freilich: Mitunter ist Sport ein Spiel, bei dem es auf geringfügige Faktoren ankommt. In der Vergangenheit war Tobias Potye häufig der Leidtragende, diesmal durfte er sich in Braunschweig für seine erste Deutsche Meisterschaft feiern lassen. Wenngleich er nach seinen Vizemeisterschaften von 2018 und 2020 durchaus titelreif war, so war im Vorfeld der DM doch wenig Optimistisches von Potye zu hören. Nach seinem vierten Platz bei den Halleneuropameisterschaften in Toruń (Polen) erkrankte der 26-jährige an COVID-19. Knapp drei Wochen war er komplett ausgebremst und verpasste gar ein erstes DLV-Trainingslager. Nach entsprechend verkürzter Vorbereitung fiel der Start in den Olympia-Sommer mäßig aus. 2,05 Meter zum Auftakt in Leverkusen, 2,10 Meter dann an Pfingsten in Rehlingen. Eine altbekannte Knieverletzung machte sich zudem wieder stärker bemerkbar.

 

Für die DM in Braunschweig entschied Potyte offenbar, all dies hinter sich zu lassen. Bis 2,16 Meter blieb er fehlerfrei und ging in Führung. Als der Europameister von 2018, Mateusz Przybylko, diese Höhe nicht überqueren konnte, stand bereits fest, dass der Münchner eine Medaille gewinnen würde. Erstmals in diesem Sommer machte sich Potye also an die 2,20 Meter – die er im dritten Versuch meisterte. Da Falk Wendrich (LAZ Soest) und Jonas Wagner (Dresdner SC 1898) an dieser Höhe scheiterten, konnte Potye seinen ersten Titelgewinn eintüten. Die 2,23 Meter ging er zwar noch an, doch viel wichtiger wird sein, dass er in nächsten Wochen gemeinsam mit Bundesstützpunkttrainer Sebastian Kneifel weitere Weltranglistenpunkte für das Olympia-Ticket sammelt.

 

„Ich bin sehr zufrieden. Ich hätte lieber keine drei Versuche über 2,20 Meter gebraucht und klar, nachdem ich gewonnen hatte, ist ein bisschen die Spannung abgefallen. Meine Patellasehne hat mir bis heute einen Strich durch die Rechnung gemacht. Heute konnte ich das ein bisschen überwinden und so kann es jetzt weitergeben. Mein starkes Abschneiden bei der Hallen-EM hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, auch wenn die Coronainfektion mir danach einen Dämpfer verpasst hat. Vielleicht hätte es heute noch ein bisschen höher gehen können, wenn wir uns gegenseitig hochgeschaukelt hätten. Aber Sieg ist Sieg“, erklärte Potye.

 

Überragender Doppelsieg von Hering und Trost über die doppelte Stadionrunde

 

Nach ihren souveränen Vorlaufsiegen am Vortrag bestimmten die beiden Münchener 800-Meter-Läuferinnen Christina Hering und Katharina Trost (beide LG Stadtwerke München) auch im Finale das Geschehen. Hering holte in 2:02,48 Minuten ihren insgesamt siebten Freiluft-DM-Titel auf dieser Strecke, den sechsten in Serie. Dank einer stark gelaufenen Zielgerade machte Trainingspartnerin Trost den Münchner Doppelerfolg perfekt. Sie lief mit einer Zeit von 2:02,92 Minuten als Zweite über den Zielstrich und holte sich damit nach 2019 ihre zweite deutsche Vizemeisterschaft.

 

In dem von Taktik geprägten Rennen fand sich zunächst Mitfavoriten Tanja Spill (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) an der Spitzenposition, bevor sich Majtie Kohlberg (LG Kreis Ahrweiler) eine Runde vor Schluss nach vorne schob. Hering hielt sich zu diesem Zeitpunkt, an zweiter Stelle laufend, geschickt aus allen Positionskämpfen heraus und wählte eine ähnliche Taktik wie am Vortag im Halbfinale: 250 Meter vor dem Ziel setzte sie sich an die Spitze und erhöhte kontinuierlich die Pace. So schüttelte sie nacheinander alle Konkurrentinnen ab. Die Schlussrunde absolvierte die 1,87 Meter große Läuferin in einer Zeit von unter 60 Sekunden. Dank des Titelgewinns und der Erfüllung der sogenannten Olympia-Supernorm von 1:59,50 Minuten im Nominierungszeitraum darf die 26-jährige Athletin von Andreas Knauer und Jonas Zimmermann nun mit den Olympischen Spielen in Tokio planen. Bronze gewann in Braunschweig die Deutsche Hallenmeisterin Tanja Spill (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) in 2:03,38 Minuten.

 

„In den letzten Jahren habe ich schon oft das Rennen bestimmt und das Tempo gemacht. Heute war der Titel alles, was für mich gezählt hat. Ich wollte nicht ganz vorne, aber in einer guten Position sein. Ich konnte den Angriff auf der Zielgeraden abwehren. Meine Trainingsleistungen stimmen alle, ich denke, dass ich nicht nur eine Zeit unter zwei Minuten, sondern auch eine neue Bestzeit laufen kann. Es muss einfach mal der Tag kommen, an dem es wirklich passt“, sagte Christina Hering nach dem Rennen.

 

So analysierte Katharina Trost den Münchner Doppelsieg: „Christina und ich hatten uns nicht vorher nach einer Taktik abgesprochen. Es war ja auch ein Meisterschaftsrennen und da geht es nun mal nur um den Titel. Ich habe vermutet, dass es nicht so schnell wird. Ich wollte dieses Mal nicht vorne Tempo machen, weil ich das schon öfters versucht hab und dann am Ende immer nur Zweite geworden. Ich habe vielleicht einmal eine Lücke verpasst, aber ansonsten bin ich zufrieden mit dem Rennverlauf. Ich werde noch einige Angriffe auf die Norm starten. Ich glaube auf jeden Fall, dass ich die Norm draufhabe. Ich versuche aber, den Druck nicht so nah an mich rankommen zu lassen, denn es sind jetzt schon fast zwei Jahre in denen man das versucht. Aber der Druck ist natürlich da.“

 

Alexandra Burghardt schafft das Sprint-Double

 

Es war das Wochenende der Alexandra Burghardt. Am Samstag geradezu sensationell Deutsche Meisterin über 100 Meter mit Olympianorm und bayerischem Rekord, und dann keine 24 Stunden später auch noch der Sieg über 200 Meter. Damit krönte sich die 27-jährige Oberbaayerin zur Sprint-Königin von Braunschweig. Burghardt schaffte es nach den vielen Emotionen vom Vortag mit dem ersten deutschen Meistertitel sowie der sicheren Olympia-Nominierung, am Sonntag den Fokus neu zu finden. In einem engen Rennen blieb sie bis zum Schluss konzentriert und schob sich noch an Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF; 23,21 Sekunden) und Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar; 23,24 Sekunden) auf den Gold-Rang nach vorne. Ihre Zeit: 23,15 Sekunden. "Das war echt ein Kampf, ich bin richtig ausgelaugt", sagte sie, "aber es war jeden Meter wert. Ich dachte während des Rennens, dass ich bei 100 Metern weiter vorne bin. Aber ich habe versucht, einfach groß zu bleiben und technisch sauber zu laufen. Ich habe dann gemerkt, dass ich aufhole. Die Zeit war mir heute egal, ich war wirklich müde von gestern. Der Titel hat gezählt. Ich war emotional viel zu aufgewühlt und habe nur wenig geschlafen. Der Lauf heute Morgen ist mir viel schwerer gefallen als das Finale, obwohl ich im Finale viel schneller angelaufen bin. Das lag aber wohl eher an meiner mentalen Verfassung. Ich muss mich jetzt erst einmal erholen und alles verarbeiten, was an diesem Wochenende passiert ist."

 

Christian Zimmermann verliert Gold im allerletzten Versuch

 

Es war ein Drama, aber leider ohne Happyend: Bis zum letzten Durchgang durfte Kugelstoßer Christistian Zimmermann hoffen, dass er nach der verletzungsbedingten Absage von Altmeister David Storl und drei ungültigen Versuchen im Vorkampf von seinem Dauer-Kontrahenten, dem gebürtigen Wasserburger Simon Bayer (VfL Sindelfingen) die Gunst der Stunde nutzen und seinen ersten Deutschen Meistertitel mit nach Hause nehmen würde. Bis Dennis Lukas (LG Idar-Oberstein) in den Ring stieg. Mit einem Jubel quittierte er seinen Stoß, wenig später zierten 19,82 Meter die Anzeigetafel. Der 27-Jährige feierte mit einer Steigerung seiner Bestmarke um 36 Zentimeter überraschend seinen ersten deutschen Meistertitel und fing damit noch Zimmermann ab, der lange mit 19,62 Meter in Front gelegen war.

 

Ähnlich verlief die DM auch für Weitspringer Maximilian Entholzner. Zunächst forderte der Passauer, der in Spanien studiert, als Titelverteidiger seinen ewigen Kontrahenten Fabian Heinle (VfB Stuttgart), bei dem in der Vergangenheit auf große Erfolge oft schwerwiegende Verletzungen folgten. Auch im Vorjahr konnte Heinle im Freien keine Wettkämpfe bestreiten. Doch jetzt kommt er immer besser in Schwung. Gefordert von Entholzner, der 7,68 Meter vorgelegt hatte, flog er im fünften Durchgang auf 7,81 Meter. Und holte sich damit den Titel zurück, den er 2020 nach zwei Siegen in Serie an den Passauer abgeben musste. Für den Passauer wurde es nichts mit der erfolgreichen Titelverteidigung. Sein Fazit: "Nachdem für mich die ganze Sommersaison nicht so läuft, wie ich es mir vorgestellt hätte, bin ich heute mal mit dem Gefühl reingegangen: Du musst mal wieder alles anders machen als in den letzten Wettkämpfen. Ich habe es versucht, mich Versuch für Versuch herangekämpft. Es ist auch von Versuch zu Versuch besser geworden, aber die große Weite ist heute auch nicht rausgekommen. Ich ärgere mich über mich selbst, aber ich weiß auch nicht zu 100 Prozent, woran es liegt. Ich muss jetzt erst mal die Aufnahmen mit meinem Trainer anschauen und analysieren. Mir wurde schon gesagt, dass wir alle langsam angelaufen sind – es kann auch sein, dass das ein Grund ist, warum wir alle nicht so weit gesprungen sind. Wir hatten alle nicht das Gefühl, dass wir so langsam angelaufen sind. Vielleicht liegt es daran, dass die Anlage neu und sehr weich ist. Ich habe nächstes Wochenende noch einen Wettkampf in Spanien, bei guten Wetterbedingungen. Ich glaube, ich muss einfach viele Dinge ausblenden und ohne Angst mal wieder anlaufen und angreifen."

 

Miriam Dattke muss Gesa Felicitas Krauses Spurtstärke anerkennen

 

Zehn Runden lang übernahm Miriam Dattke über 5000 Meter die Führung, bis sie Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) auf dem letzten Kilometer ziehen lassen musste. Dattke war sich Krauses Spurtstärke bewusst, weshalb sie bedacht ein konstant hohes Tempo vorlegte, wie sie nach dem Rennen erklärte: "Ich wusste, dass ich gleich das Tempo machen muss, weil ich hinten raus nicht so stark bin. So war das meine einzige Möglichkeit, um eine Medaille zu gewinnen. Mit Gesa konnte ich dann nicht mehr mithalten. Aber ich bin zufrieden. Mehr war heute irgendwie nicht drin. Aber natürlich ärgere ich mich, dass ich davor nicht mehr ‚drücken‘ konnte. Ich bin einfach nicht in’s Rollen gekommen. Ich weiß, dass ich über 10 000 Meter noch schneller laufen kann, aber ob es für die Olympia-Norm reichen wird, weiß ich nicht.” Ihre Silber-Zeit: 13:39,40 Minuten. Teamkollegin Dominika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) belegte den undankbaren vierten Rang, nur haarscharf hinter Denise Krebs und mit einer Nasenspitze vor Rabea Schöneborn. Auch wenn Mayer um nur zwei Sekunden Bronze verpasste, steigert sie ihre persönliche Bestzeit um gleich fünf Sekunden auf 15:53,00 Minuten.

 

Leer gingen die bayerischen Läufer in einem mitreißenden Finale über 3000 Meter Hindernis aus. Dennoch bleiben viele positive Aspekte. Zum Beispiel die Wiederkehr von Patrick Karl (TV Ochsenfurt) nach langer Verletzungspause. Der 25-Jährige machte sich in einem schnellen Rennen auch um das Tempo verdient, musste sich jedoch im Schlussspurt ebenfalls mit dem vierten Rang begnügen. Als Trostpflaster gab es jedoch die Verbesserung seines Hausrekordes auf 8:30,63 Minuten. Dahinter folgte mit Konstantin Wedel (LG Telis Finanz Regensburg) auf Rang fünf (8:40,08 Minuten) und Brian Weisheit (LSC Höchstadt/Aisch) auf Platz sechs (8:43,50 Minuten) ein weiterer extrem starker Bayern-Block.

 

Zufrieden sein können Hammerwerferin Nancy Randig (SWC Regensburg), die sich mittlerweile stabil auf Werten über 60 Meter eingependelt hat, mit ihrem siebten Gesamtrang und 61,33 Meter, Marina Scherzl (LG Kreis Dachau), die als Achte den Einzug ins 200-Meter-Finale schaffte (24,08 Sekunden), sowie Kerstin Hierscher (LG Telis Finanz Regensburg) ebenfalls mit Platz acht über 1500 Meter (4:24,47 Minuten), während 400-Meter-Läufer Johannes Trefz als Fünfter im Finale (47,01 Sekunden) und Michael Adolf (beide TSV Gräfelfing) über 400 Meter Hürden als Achter (54,13 Sekunden) gerne etwas weiter vorne gelandet wären.